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       # taz.de -- Berlin schaltet Gebäudebeleuchtungen ab: Der kleine Beitrag
       
       > Berlin knipst die Lampen an vielen öffentlichen Gebäuden nachts aus.
       > Schön. Aber es fehlt noch immer eine politische Antwort auf die
       > Energiekrise.
       
   IMG Bild: Jetzt strahlt das Brandenburger Tor eben nur noch im Sonnenlicht
       
       Es ist leicht, sich ein bisschen darüber lustig zu machen: [1][Berlin
       schaltet die Beleuchtung vieler öffentlicher Gebäude ab], ließ
       Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), die auch für Verbraucherschutz
       zuständig ist, am Mittwoch verlauten. „Angesichts des [2][Krieges gegen die
       Ukraine] und der energiepolitischen Drohungen Russlands ist es wichtig,
       dass wir möglichst sorgsam mit unserer Energie umgehen. Das gilt auch und
       gerade für die öffentliche Hand“, sagte sie. Da ist er, der kleine Beitrag
       des Landes Berlin zur Energiekrise.
       
       Klein ist dieser Beitrag in der Tat – so klein, dass er eher symbolisch zu
       nennen ist, weshalb man eben auch geneigt sein mag, über ihn zu schmunzeln:
       13,9 Milliarden Kilowattstunden beträgt der Energiehunger dieser Stadt pro
       Jahr, weiß man beim Netzbetreiber Stromnetz Berlin. Durch das Ausknipsen
       von rund 1.400 Strahlern an Dom, Brandenburger Tor, dem Reiterstandbild
       Friedrich des Großen Unter den Linden sowie 197 weiterer Gebäude will das
       Land Berlin nun 200.000 Kilowattstunden davon im Jahr einsparen.
       
       Peanuts, also – oder in einer Zahl ausgedrückt: 0,0014 Prozent des gesamten
       Energieverbrauch Berlins, Privathaushalte, Industrie und Gewerbekunden
       zusammengenommen. Etwas netter klingt es so: Der Einspareffekt entspricht
       in etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 100 durchschnittlichen Berliner
       Privathaushalten, weiß der Sprecher von Stromnetz Berlin. Wie hoch der
       Stromverbrauch der gesamten öffentlichen Verwaltung ist, kann die
       Umweltverwaltung auf Nachfrage nicht sagen.
       
       Rundet man 0,0014 Prozent, ist man bei 0,00 Prozent – also bei nichts. Und
       dennoch: Dass Jarasch symbolisch das Licht ausknipst beim Alten Fritz reiht
       sich ein in die kleinen und Kleinst-Appelle an jede und jeden, die gerade
       Konjunktur haben: Licht aus machen zu Hause, wenn man den Raum verlässt
       (Berlins Regierende Franziska Giffey), Thermostate für die heimischen
       Heizkörper, überhaupt weniger heizen, und natürlich: kälter duschen, kürzer
       duschen.
       
       ## Geste des Sparens
       
       Wenn sich das Land Berlin nun mit dieser kleinen Geste des Stromsparens
       einreiht, ist das nur konsequent und prima. Was dabei allerdings noch immer
       fehlt: Eine politische Antwort darauf, wie man die Energiekrise eben nicht
       (nur) als die Privat-Angelegenheit von jeder und jedem begreift.
       
       Die rot-grün-rote Koalition hat einen Energie-Nothilfefonds von 380
       Millionen Euro angelegt, immerhin. Doch wie weit der reicht und wer davon
       profitiert: unklar. Man wartet wohl eher ab, was dem Bund noch einfällt –
       ob man sich dort womöglich tatsächlich noch zu einem Energiepreisdeckel
       durchringt, der bisher vor allem für Gas diskutiert wurde. Oder ob man die
       Gewinnmargen von [3][Energiekonzernen höher besteuern könnte] und mit
       diesen Einnahmen die Belastungen für die Verbraucher*innen senkt. Dem
       Land fehlt dafür die gesetzgeberische Kompetenz.
       
       Wirtschaftlich ist das Ausknipsen der Strahler an Brandenburger Tor und Co.
       übrigens nicht: Das manuelle Abschalten koste in etwa so viel wie der Strom
       für die Beleuchtung pro Jahr, teilt die Umweltverwaltung mit, nämlich
       40.000 Euro. Aber darum geht es wohl auch nicht. Sondern um die Botschaft,
       den Spar-Appell, an sich.
       
       Kleines Manko übrigens dabei: Viele dürften zumindest jetzt in den
       Sommermonaten gar nicht viel von dieser Botschaft bemerken: Bisher wurde
       per Zeitschaltuhr „bei Einbruch der Dunkelheit angeschaltet und gegen 23
       Uhr abgeschaltet“, teilt die Umweltverwaltung mit. Das heißt: Besonders
       lange war die Lampe am Brandenburger Tor gerade eh nicht an. Vielleicht
       geht der Koalition ja dafür bis zum Herbst noch ein Licht auf, wie man
       Symbolpolitik tatsächlich in Verbraucherschutz übersetzt.
       
       Hinweis: In einer frühreren Version dieses Artikels hieß es, die
       Abschaltung bei der Gebäudebeleuchtung entspreche dem Verbrauch von 10
       Berliner Durchschnitts-Haushalten. Tatsächlich sind es 100
       Durchschnitts-Haushalte.
       
       30 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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