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       # taz.de -- Anhänger des iranischen Schiiten-Führers Moktada Sadr: Erneut Parlament in Bagdad besetzt
       
       > „Bis auf weiteres“ soll die Volksvertretung durch einen Sitzstreik
       > blockiert werden. Die Aktion richtet sich gegen eine Regierungsbildung
       > mit pro-iranischen Kräften.
       
   IMG Bild: Ein Sadr-Anhänger hat es am Samstag bis auf das Dach des irakischen Parlaments geschafft
       
       Bagdad AFP | Erneut haben Anhänger des einflussreichen Schiiten-Führers
       Moktada Sadr das irakische Parlament in der Hauptstadt Bagdad gestürmt und
       besetzt. „Die Demonstranten kündigen einen Sitzstreik bis auf weiteres an“,
       teilte Sadrs Bewegung am Samstag in einer Erklärung über den Onlinedienst
       WhatsApp mit, die von der staatlichen Nachrichtenagentur INA verbreitet
       wurde.
       
       Im Fernsehen forderte Regierungschef Mustafa al-Kadhemi die politischen
       Blöcke dazu auf, „sich hinzusetzen, um zu verhandeln und sich zu einigen“.
       Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober beschränkt sich die
       amtierende Regierung darauf, die laufenden Geschäfte abzuwickeln.
       
       Tausende Demonstrierende hatten sich am Samstag zunächst zum Protest am
       Eingang zur streng gesicherten grünen Zone in Bagdad versammelt. Von dort
       überwanden einige Sadr-Anhänger die aufgestellten Betonbarrieren und
       drangen erst in die Zone, dann in das dort gelegene Parlamentsgebäude ein.
       Am Mittwoch hatten Demonstrierende bereits kurzzeitig die Volksvertretung
       besetzt.
       
       Die Demonstrierenden protestieren gegen die Kandidatur von Mohammed Schia
       al-Sudani für das Amt des Ministerpräsidenten, den eine Allianz
       pro-iranischer Schiiten – der sogenannte Koordinationsrahmen – aufgestellt
       hat. Dem gehören Abgeordnete aus der Partei des ehemaligen Regierungschefs
       Nuri al-Maliki und der iranfreundlichen Fatah-Allianz an, dem politischen
       Arm der schiitisch geführten, ehemaligen paramilitärischen Gruppe Hashed
       al-Shaabi.
       
       Die Regierungsbildung steckt seit Monaten ebenso wie die Wahl eines neuen
       Präsidenten in einer Sackgasse. Solange es keinen neuen Präsidenten gibt,
       kann auch keine neue Regierung gebildet werden.
       
       ## Mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstrierenden
       
       Der Konvention nach geht das Amt des Ministerpräsidenten an einen Führer
       der schiitischen Mehrheit des Irak. Sadr war mit seinem Bündnis als
       stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen im Oktober hervorgegangen, konnte
       aber keine Mehrheit stellen.
       
       Der Volkstribun, Prediger und einstige Milizenführer Sadr zieht in der
       Politik im Irak seit Jahren die Fäden. Sadr stammt aus einer der
       wichtigsten Kleriker-Familien des Landes und hatte sich in den vergangenen
       Jahren als Vorkämpfer gegen die grassierende Korruption stilisiert.
       
       In einer der für ihn typischen Kehrtwenden hatte der Schiitenführer im Juni
       dafür gesorgt, dass sich seine 73 Abgeordneten geschlossen aus dem
       329-köpfigen Parlament zurückzogen. Das wurde Sadr als Versuch ausgelegt,
       Druck auf seine Rivalen auszuüben, um die Regierungsbildung zu
       beschleunigen. Aber im selben Monat wurden 64 neue Parlamentarier
       eingeschworen, mit denen der pro-iranische Block zum größten im Parlament
       wurde.
       
       Die Mobilisierung der Massen sei eine klare Botschaft Sadrs an seine
       Rivalen gewesen, dass es „ohne seine Zustimmung“ keine Regierung gebe,
       hatte der Politikwissenschaftler Ali al-Baidar nach der ersten
       Parlamentsbesetzung erklärt.
       
       Die Sicherheitskräfte gingen am Samstag mit Wasserwerfern und Tränengas
       gegen die Demonstrierenden vor. Laut Gesundheitsministerium wurden
       mindestens hundert Demonstrierende und 25 Sicherheitskräfte verletzt.
       
       „Das ganze Volk ist mit dir, Sajid Moktada“, hatte die Menge beim Protest
       skandiert. „Sajid“ weist Sadr als Nachfahren des islamischen Propheten
       Mohammed aus. „Die Korrupten wollen wir nicht, und wir wollen nicht
       diejenigen, die wir schon gesehen haben“, sagte Sadr-Anhänger Haydar
       al-Lami.
       
       30 Jul 2022
       
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