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       # taz.de -- Dortmund verliert gegen Bremen: Eingenordet von den Norddeutschen
       
       > Werder hat vorgeführt, wie man bis zum Schluss im Spiel bleibt. Die
       > 2:3-Niederlage des BVB könnte einen Wendepunkt in der Saison bedeuten.
       
   IMG Bild: Moment mit Seltensheitswert: Der Dortmunder Jude Bellingham geht an zwei Lachsfarbenen vorbei
       
       Viele positive Erkenntnisse bleiben den [1][Dortmundern] wahrlich nicht
       nach diesem unglaublichen Fußballspiel gegen Werder Bremen, das eine der
       wildesten Schlussphasen in der Bundesligageschichte hervorbrachte. Bis zur
       89. Minute hatte der BVB 2:0 geführt, bevor die Spieler in Gelb kurz darauf
       als um Fassung ringende Verlierer in sich zusammensackten, weil dem Bremer
       Einwechselspieler Oliver Burke der Siegtreffer zum 2:3 gelungen war. Das
       schmerzte sehr, aber in der Stunde nach dem Abpfiff deutete sich auch an,
       dass dieser Schock eine heilsame Wirkung entfalten könnte.
       
       Jedenfalls war die Analyse der Wortführer, die traditionell gerne
       relativieren und beschönigen, nach diesem abenteuerlichen Schlussakt
       bemerkenswert ehrlich. Fakt sei, „dass Bremen über die gesamte Spielzeit
       von der Spielanlage her besser war“, sagte Marco Reus, „es muss uns zu
       denken geben, dass wir spielerisch keine Möglichkeiten gefunden haben, eine
       Dominanz aufs Spielfeld zu bringen“, fuhr der Kapitän fort, während Trainer
       Edin Terzic von einer völlig „verdienten Niederlage“ sprach.
       
       Niemand bezweifelte, dass hier die über 90 Minuten klar bessere Mannschaft
       gewonnen hat, auch wenn die Geschichte dieses Sieges mit Treffern durch die
       Einwechselspieler Lee Buchanan (89.), Niklas Schmidt (90.+3) und Burke
       (90.+5) sehr ungewöhnlich war. Zum ersten Mal überhaupt erzielte eine
       Mannschaft in der Ligahistorie so spät in einer Partie noch drei Treffer,
       und der BVB hatte seit 1982 kein Heimspiel mehr nach einer 2:0-Führung
       verloren. Das Dortmunder Selbstbild vom Spitzenteam ist mächtig zerbeult.
       
       ## Trotz Investitionen kein Spitzenteam
       
       Zu sehen waren nicht nur spielerische Mängel, sondern auch Schwächen in der
       Tiefe des Kaders. Keine von Terzics Einwechslungen stabilisierte die
       Mannschaft. Emre Can, der schon nach 18 Minuten für den an der rechten
       Schulter verletzten Mahmoud Dahoud ins Spiel kam, spielte schlecht. Der
       ebenfalls eingewechselte Thorgan Hazard hätte in der 89. Minute den Bremer
       Anschlusstreffer verhindern können, traf aber eine falsche Entscheidung,
       auch Niklas Süle (für Hummels), Youssoufa Moukoko (für den völlig
       wirkungslosen Modeste) und Giovanni Reyna (für Bynoe-Gittens) machten den
       BVB nicht besser. „Wir haben die Bälle zu leichtfertig hergegeben. Das ist
       nicht unser Spiel“, sagte Reus. Es war ein Erlebnis, vor dessen Hintergrund
       auch die beiden Siege zum Saisonauftakt neu bewertet werden müssen.
       
       Gegen die in dieser Saison neben sich stehenden Leverkusener benötigte der
       BVB viel Glück für den 1:0-Sieg. Beim 3:1 in Freiburg lagen sie lange mit
       0:1 zurück, waren offensiv harmlos, bis ein Torwartfehler die Partie
       wendete; klar ist nach drei Partien: Der BVB spielt auch nach dem Umbruch
       mit Trainerwechsel und [2][Investitionen] von fast 100 Millionen Euro in
       den Kader nicht wie ein Spitzenteam. Aber es war eben bis zu jener 89.
       Minute, in der Buchanan mit seinem Anschlusstor eine verrückte Bremer
       Sieben-Minuten-Show einleitete, sehr leicht für alle Dortmunder, die
       eigenen Probleme zu übersehen. An der Oberfläche sah alles wunderbar aus:
       „Du führst bis zur 89. Minute zwei null, hast neun Punkte, bist
       Tabellenführer“, gab Sportdirektor Sebastian Kehl die Gedanken vieler
       Dortmunder nach den Treffern von Julian Brandt (45.) und Raphael Guerreiro
       (77.) wider.
       
       Nach dem Schock müssen sie sich der Realität stellen. „Wir konnten nicht
       die gleiche Energie auf den Platz bringen, wie es Werder getan hat, und
       dafür haben wir die Quittung bekommen“, sagte Gregor Kobel. Mit dem Begriff
       „Energie“ spielte er nicht auf den körperlichen Zustand der Dortmunder an,
       die in der Sommervorbereitung intensiv gearbeitet haben. Gefehlt habe
       vielmehr die Fähigkeit, „das Tor konsequent verteidigen zu wollen“. Ein
       Schwerpunkt der teuren Transferaktivitäten lag darin, genau diese Art der
       Konsequenz in den Kader zu implantieren.
       
       In diesen wilden Fußballmomenten, an denen die Bremer sich noch lange laben
       werden, fehlte den Dortmunder neben der Konsequenz auch der klare Kopf. Das
       war umso erstaunlicher, weil mit Reus, Can, Guerreiro oder Süle Spieler auf
       dem Rasen standen, die während ihrer Karrieren schon viele
       Extremsituationen erlebt haben. Reifer spielte trotzdem der Aufsteiger aus
       Bremen.
       
       21 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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