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       # taz.de -- Verbote von Pestiziden in der EU: Naturschützer gegen Grüne
       
       > Umweltverbände rügen das Bundesagrarministerium. Es will Bauern
       > entgegenkommen, die Verbote von Pestiziden in Landschaftsschutzgebieten
       > ablehnen.
       
   IMG Bild: Das soll in Naturschutzgebieten künftig verboten sein: Traktor besprüht Getreidefeld mit Pestiziden
       
       Berlin taz | UmweltschützerInnen kritisieren, dass das von den Grünen
       geführte Bundesagrarministerium weniger Verbote von [1][Pestiziden] als die
       EU-Kommission fordert. Die beamtete Staatssekretärin des Ressorts, Silvia
       Bender, hatte bei einer [2][Bauerndemo am 15. August] in Bonn erklärt,
       Landschaftsschutzgebiete zum Beispiel sollten nicht als „empfindliche“
       Zonen eingestuft werden, in denen die EU-Behörde laut einem
       Verordnungsentwurf Ackergifte untersagen will. [3][26 Prozent] der Fläche
       Deutschlands sind laut Bundesamt für Naturschutz Landschaftsschutzgebiete.
       
       „Das ist eine unglückliche Formulierung“, sagte Verena Riedl,
       Pestizidreferentin des Naturschutzbunds, der taz über Benders Äußerung.
       Einschränkungen für den Chemieeinsatz seien auch in den
       Landschaftsschutzgebieten „dringend“ nötig, auch wenn Verbote in noch
       stärker geschützten Zonen wie Naturschutzgebieten Priorität hätten.
       
       „Grundsätzlich ist es natürlich total ungünstig, wenn eine grüne Regierung
       gegenüber den Landwirten, wenn sie Druck ausüben, zugesteht, den Entwurf in
       Brüssel zu verwässern“, ergänzte Katrin Wenz, Agrarpolitikreferentin des
       Bunds für Umwelt und Naturschutz.
       
       Jährlich werden in der EU laut Behörden rund 350.000 Tonnen Wirkstoffe
       eingesetzt, die Kulturpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen
       sollen. Rückstände finden sich in Böden, Wasser und Lebensmitteln sowie im
       menschlichen Körper. Pestizide tragen auch dazu bei, dass immer mehr
       Pflanzen- und Tierarten aussterben.
       
       ## Pestizideinsatz in der EU verringern
       
       Deshalb will die EU-Kommission mit einer [4][Verordnung] die
       Mitgliedstaaten verpflichten, den Pestizideinsatz und die damit verbundenen
       Risiken bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis 2017
       grundsätzlich zu halbieren. Wenn ein Land schon davor den Einsatz stärker
       als der EU-Durchschnitt reduziert und zum Beispiel neue Schädlinge
       erwartet, sollen auch minus 35 Prozent reichen.
       
       Professionelle Anwender wie Landwirte müssen laut dem Entwurf künftig in
       einer amtlichen Datenbank jeden Pestizideinsatz eintragen und begründen.
       Die Mitgliedstaaten sollen für die wichtigsten Kulturpflanzen
       artspezifische Regeln festlegen, damit Pflanzenschutzmittel nur verwendet
       werden, wenn sich das nicht vermeiden lässt.
       
       In „empfindlichen Gebieten“ wie Naturschutzflächen oder städtischen
       Grünanlagen sollen keine Pestizide benutzt werden dürfen.
       Ausnahmegenehmigungen sollen möglich sein, wenn keine Alternative mit
       geringerem Risiko verfügbar ist.
       
       Besonders gegen das grundsätzliche Pestizidverbot richtet sich derzeit der
       Protest von Agrarverbänden. Denn die Kommission sieht dafür eine große
       Fläche vor, zu der auch die Landschaftsschutzgebiete gehören. Insgesamt 3,5
       Millionen Hektar Ackerflächen und intensive Kulturen liegen laut
       Bauernverband in den unterschiedlichen Schutzgebietskategorien, die die
       Kommission als „empfindlich“ deklarieren will. Das sind 21 Prozent der
       [5][deutschen Agrarfläche].
       
       Die vorgeschlagenen Regeln würden dem Bauernverband zufolge etwa bei
       Getreide „jährliche Ertragsverluste in der Größenordnung von 7 Millionen
       Tonnen zur Folge haben“. Das entspricht fast 17 Prozent der [6][Erntemenge
       von 2021]. Dabei stelle der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln „nach guter
       fachlicher Praxis“ keinen Widerspruch zum Naturschutz dar.
       
       „Auch der Ökolandbau ist von der geplanten Regelung in den Schutzgebieten
       nach derzeitigem Stand voll betroffen, da die meisten der im Ökolandbau
       zugelassenen Pflanzenschutzmittel von dem Verbot des Einsatzes in
       Schutzgebieten erfasst sind“, teilte der Verband weiter mit. Tatsächlich
       verbietet der Entwurf der Kommission dem Wortlaut nach den Einsatz „aller
       Pflanzenschutzmittel“ in den empfindlichen Gebieten. Das Agrarministerium
       betont denn auch, der Entwurf könne noch geändert werden. Er liegt derzeit
       dem Rat der Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament vor.
       
       22 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935
   DIR [2] https://www.facebook.com/watch/live/?ref=watch_permalink&v=1717857755213371
   DIR [3] https://www.bfn.de/daten-und-fakten/landschaftsschutzgebiete-deutschland
   DIR [4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2022%3A305%3AFIN&qid=1656362428549
   DIR [5] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Feldfruechte-Gruenland/Tabellen/flaechen-hauptnutzungsarten.html
   DIR [6] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Feldfruechte-Gruenland/Tabellen/liste-feldfruechte-zeitreihe.html;jsessionid=42149B6B902FE29B435673DF500ED81D.live712#fussnote-1-123344
       
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