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       # taz.de -- Chef-Wechsel bei RTL: Unruhige Zeiten
       
       > Stephan Schäfer verlässt RTL Deutschland, den Vorsitz übernimmt nun
       > Bertelsmann- und RTL-Group-CEO Thomas Rabe. Was steckt hinter dem
       > Wechsel?
       
   IMG Bild: Stephan Schäfer bleibt dem sender offiziell als Berater erhalten
       
       Wenn es beim Abschied von Management-Menschen heißt, da scheide wer in
       bestem Einvernehmen aus, ist meist das Gegenteil der Fall und das
       Einvernehmen teuer bezahlt. Aber von vorne: Als vor einem runden Jahr der
       Bertelsmann-Konzern die Sendergruppe [1][RTL mit seinem Hamburger
       Verlagshaus Gruner + Jahr (G+J)] in einen Topf schmiss, sollte da etwas
       ganz Großes bei herauskommen.
       
       Bertelsmann wollte hier endlich der Konkurrenz der Streamingdienste etwas
       entgegensetzen. RTL-Produktionen zusammen mit den Inhalten von G+J-Titeln
       wie Stern, Brigitte, Geo und Chefkoch werden unsere multimediale
       Wundertüte, lautete die Vision. Und mehr noch, alle Serien, Filme und
       Sport, Dokumentationen und News, Musik, Podcasts und Hörbücher aus dem
       Bertelsmann-Reich sollten auf der neuen Bezahl-Plattform RTL+ gebündelt
       werden. Den Startschuss gab der Konzern bei einer Pressekonferenz im
       November 2021. „Das Paradies ist nah“, spottete damals der Tagesspiegel.
       
       Doch irgendwas scheint da so gar nicht rundzulaufen. Denn letzte Woche
       wurde RTL-Chef Stephan Schäfer Knall auf Fall in die Medienwüste geschickt.
       Wie ernst die Lage sein dürfte, zeigt sich an seinem Nachfolger. Ab sofort
       kommt Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Raabe aus Gütersloh höchstpersönlich
       an den Rhein und übernimmt auch den Nebenjob in Köln. Schließlich ist RTL
       weiter die Cashcow des Konzerns (Umsatz von 18,7 Mrd. Euro, davon 6,64 Mrd.
       RTL). Offiziell bleibt Schäfer RTL als Berater erhalten, doch das ist
       Formsache. Denn er ist auch seinen Sitz im einflussreichen Group Management
       Committee von Bertelsmann los, dass so eine Art erweiterten Vorstand
       darstellt.
       
       Mit an Bord bleiben darf dagegen Schäfers bisheriger Co-CEO Matthias Dang,
       der eher für den technischen Bereich zuständig ist. „Wir haben uns jetzt
       für die Führungsstruktur bei RTL Deutschland entschieden, weil RTL vor
       einigen großen Herausforderungen steht“, ließ Raabe vergangenen Mittwoch
       nichtssagend zu der Personalie verlauten.
       
       ## RTL+ mit langsamen Abo-Wachstum
       
       Das mit den Herausforderungen allerdings stimmt. Die Konjunktur lahmt wegen
       der Coronapandemie und des Ukrainekriegs, RTL+ laufen die
       zahlungswilligen Abonnent*innen nicht gerade in Scharen zu und die
       Werbeeinnahmen im klassischen Fernsehen bröckeln weiter. Zu allem Überfluss
       funktioniert die Verschmelzung von Kölschem Geist bei RTL mit der
       [2][hanseatischen Mentalität von G+J] auch weiterhin nicht ganz
       reibungslos.
       
       Für den 48-jährigen Schäfer, der bei G+J wie bei RTL nicht nur Freunde hat,
       geht damit zunächst mal eine Bilderbuchkarriere zu Ende. Er war 2009 als
       Chefredakteur von Schöner Wohnen zu G+J gekommen, galt schon da als
       knallhart und wurde 2013 in den Vorstand berufen.
       
       Schäfer sparte und sanierte den in die Jahre gekommenen Magazindampfer am
       Baumwall, führte neue Geschäftsfelder ein und verspielte es sich mit
       G+J-Vorstandschefin Julia Jäckel. Da hatte er bereits zarte Bande zu RTL
       geknüpft und firmierte seit 2019 parallel als „Chief Content Officer“, also
       oberster Inhalte-Max in Köln und trieb die Fusion voran. Jäckel war dagegen
       und durfte gehen. 2021 übernahm Schäfer ihren Job als G+J-Vorständ*in und
       stieg 2022 gemeinsam an die Spitze von RTL Deutschland auf.
       
       Das kostenpflichtige Universum aus allen Bertelsmann-Inhalten war zum guten
       Teil seine Vision und „eine Pioniertat, wie sie es weltweit bislang nicht
       gegeben hat“, wie Schäfer im November 2021 stolz verkündete. Dass sie hier
       volles Risiko fahren, gaben Dang und Schäfer damals auch offen zu. Einer
       hatte da schon vorgebaut.
       
       „Für ein solches Vorgehen gibt es noch kein Vorbild“, ließ sich
       Bertelsmann-Oberchef Rabe vorsichtshalber damals in der FAZ zitieren. Jetzt
       spricht er von Herausforderungen, „die eine andere Führung erfordern“, RTL
       wolle „weitere Schritte, die Geschäftsführung zu stärken, in den nächsten
       Monaten bekannt geben“.
       
       Letzten Donnerstag gab sich Rabe dann jovial. „Mein zweiter Tag bei RTL
       Deutschland – genau pünktlich, um mit Matthias Dang die Sommerparty zu
       eröffnen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unseren Kolleg*innen
       bei RTL Deutschland“, so Rabe auf Twitter und natürlich in Englisch.
       Schließlich ist Bertelsmann immer noch ein Weltkonzern und der größte, der
       in Deutschland was mit Medien macht. In den frühen neunziger Jahren war er
       sogar mal das drittgrößte Medienunternehmen der Welt. 2020 rangierte
       Bertelsmann auf Rang 16 – immerhin noch knapp vor Netflix. Mit dem
       sparsamen Rabe, der seine Karriere als Finanzchef in Gütersloh begann,
       kommen nun unruhige Zeiten auf RTL zu.
       
       22 Aug 2022
       
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