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       # taz.de -- Lehrermangel und Inklusion: Hart ausgebremst
       
       > Der Lehrer*innenmangel treffe insbesondere die Inklusion, warnt die
       > Gewerkschaft GEW. Behindertenvertretung prüft Klage.
       
   IMG Bild: Leider nicht selbstverständlich: Rollstuhl im Klassenzimmer einer Schule
       
       Berlin taz | Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung prüft wegen der
       drohenden Einsparungen bei der schulischen Inklusion eine Klage gegen die
       Senatsbildungsverwaltung. „Wir ziehen eine Verbandsklage nach dem
       Landesantidiskriminierungsgesetz in Erwägung“, sagte Gerlinde Bendzuck,
       stellvertretende Vorsitzende des Landesbeirats, am Dienstag im Rahmen einer
       Pressekonferenz der Gewerkschaft GEW.
       
       Deren Vorsitzender Tom Erdmann hatte zuvor verkündet, dass die
       Bildungsverwaltung per neu gefasster Verwaltungsrichtlinie den Schulen
       künftig erlaubt, statt ausgebildeter Sonderpädagog*innen auch
       Unterrichtshilfen ohne spezielle Ausbildung einzustellen. Laut Bendzuck und
       GEW betrifft das insbesondere Kinder in der sogenannten Fördergruppe 3:
       Kinder mit Autismus und einer schweren geistigen oder körperlichen
       Behinderung, Gehörlose, sehbehinderte Kinder. Für sie bekommen die Schulen
       die höchste Zumessung an sonderpädagogischen Stunden, nämlich 8 Stunden pro
       Woche und Kind. Laut Bildungsverwaltung lernen 3.000 dieser Kinder in der
       Inklusion, also an Regelschulen.
       
       Doch Lehrkräfte, vor allem auch Sonderpädagog*innen, sind absolute
       Mangelware: [1][875 Lehrer*innen fehlten Bildungssenatorin Astrid-Sabine
       Busse (SPD)] zum gerade neu gestarteten Schuljahr. Busse hatte bereits im
       Mai angekündigt, dass in keinem Fall beim Fachunterricht gespart werde.
       Bleiben also unter anderem die Förderstunden – und gerade die Inklusion von
       schwerer behinderten Kindern ist in der Hinsicht „teuer“.
       
       Ein Sprecher von Senatorin Busse wies die Kritik von Gewerkschaft und
       Behindertenvertretungen am Dienstag zurück: „Die Vorwürfe der GEW sind
       falsch.“ Dass die Schulen statt Sonderpädagog*innen auch Hilfskräfte
       einstellen können, sei erstens nicht neu, und zweitens habe es auch bisher
       keinerlei Vorgabe gegeben, wie viele Lehrer*innen-Stunden die Schulen
       umwandeln können. Zudem stünden sogar rund 40 Vollzeitstellen mehr für die
       Inklusion zur Verfügung als im vergangenen Schuljahr.
       
       ## Kürzungen beim Fachunterricht
       
       GEW-Landeschef Erdmann betonte am Dienstag indes, auch Kürzungen beim
       Fachunterricht dürften kein Tabu sein. Diese Forderung kommt auch von
       Bildungspolitiker*innen aus der rot-grün-roten Koalition: Die
       Schulen müssten eigenverantwortlicher entscheiden können, wo sie angesichts
       des Personalmangels Schwerpunkte setzen wollen, hatte etwa
       [2][SPD-Bildungsexperte Marcel Hopp gesagt]. Wenn dagegen pauschal bei der
       Inklusion gespart werde, sei das „eine Ungleichbehandlung einer ganzen
       Gruppe“, betonte Behindertenvertreterin Bendzuck.
       
       Wo man kürzen könnte, um das wenige Personal nicht nur vom Förderunterricht
       abzuziehen, ist allerdings eine heikle Frage, bei der man sich auch in der
       GEW nicht so recht festlegen mag: „Ich möchte auf keine einzelne Stunde
       verzichten“, sagte Nuri Kiefer, Grundstufenleiter an der Charlottenburger
       Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule und Vorsitzender der Berliner
       Schulleiter*innen in der GEW. Auch „die dritte Stunde Sport“ pro Woche
       sei wichtig.
       
       Kiefer betonte, gerade auch die Kinder mit leichteren Förderbedarfen fielen
       angesichts des Personalmangels „hinten runter“: So etwas wie zwei
       Lehrkräfte pro Klasse, zum Beispiel für Sprachförderung, lasse sich kaum
       noch realisieren.
       
       Der GEW-Vorsitzende Erdmann erneuerte die Forderung nach einer
       „Ausbildungsoffensive“: Es seien zwar mehr Studienplätze für Lehramt
       geschaffen worden, aber die Zahl der Absolvent*innen sei viel zu
       gering. Anne Lautsch vom Bündnis für schulische Inklusion kritisierte in
       dem Zusammenhang, dass die Bildungsverwaltung vor den Sommerferien noch
       keine genauen Zielzahlen für den Ausbau von Sonderpädagogik-Studienplätzen
       nennen konnte. Dabei dränge die Zeit: Die neuen Hochschulverträge mit den
       Unis werden ab Herbst verhandelt.
       
       23 Aug 2022
       
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