URI: 
       # taz.de -- Sky-Serie „DMZ“: Zeit des Umbruchs
       
       > Die Comicverfilmung „DMZ“ erzählt von einer dystopischen Welt. Das
       > Endzeitszenario wird hier gespickt mit Familiendramen.
       
   IMG Bild: Alma (Rosario Dawson) kehrt nach einem Bürgerkrieg in ihre Heimat New York
       
       Als Ende 2005 der erste Band der Comic-Reihe „DMZ“ erschien, dürfte ihr
       dystopischer Entwurf der nahen Zukunft einigermaßen weit hergeholt gewirkt
       haben. Ein zweiter Bürgerkrieg hat, ausgehend von den Staaten des Mittleren
       Westens, die Vereinigten Staaten erst erschüttert und dann entzweit. Das
       Land ist zerbrochen in die von relativ strenger Hand geführten USA auf der
       einen sowie die Free States of America, eine Art lockeren Staatenbund, auf
       der anderen Seite. Eingeklemmt dazwischen liegt [1][die Insel Manhattan]
       als demilitarisierte Zone und entsprechend „DMZ“ genannt, die zu
       Kriegsausbruch kurzfristig evakuiert und anschließend abgeriegelt wurde.
       Ein paar Hunderttausend Menschen allerdings sind geblieben, teils
       freiwillig, teils notgedrungen, und arrangieren sich seither so gut es geht
       mit den Bedingungen.
       
       Acht Jahre später kehrt Alma (Rosario Dawson) in ihre Heimat New York
       zurück. Die Ärztin hat damals bei der Flucht ihren jugendlichen Sohn
       verloren, seither sucht sie überall nach ihm. Dass er – falls überhaupt
       noch am Leben – nach wie vor in der DMZ ist, ist ihre letzte Hoffnung,
       weswegen sie sich von Untergrundaktivisten trotz strengsten Verbots dorthin
       schmuggeln lässt. Es ist eine gefährliche Mission, Grenzüberquerer werden
       seitens der USA in der Regel verhaftet oder gar erschossen. Doch vor Ort
       entdeckt Alma eine Welt, mit der sie nicht gerechnet hat. Statt Barbarei
       und Brachland stößt sie auf eine nach wie vor bunte und vibrierende
       Großstadt, in der zwar die Ressourcen mehr als knapp sind, die Lebensfreude
       allerdings ist es nicht.
       
       Es ist eine Zeit des Umbruchs in der DMZ. Wahlen stehen an, man ringt um
       Freiheit und kämpft gegen die Unterdrückung von außen. Zwei Männer
       versuchen, die unterschiedlichsten Gangs und Gruppierungen der
       verschiedenen Stadtviertel hinter sich zu versammeln: Paco (Benjamin
       Bratt), der skrupellose Anführer der Spanish Harlem Kings, und Wilson (Hoon
       Lee), der mit seiner Armee weiblicher Bodyguards die Geschicke in Chinatown
       lenkt. Zünglein an der Waage könnte die friedliebend auftretende Oona (Nora
       Dunn) sein, die mit ihrer weiblichen Kommune die Wasservorräte der Region
       verwaltet. Und auch Alma, die nicht nur recht bald ihren inzwischen
       erwachsenen Sohn (Freddy Miyares) findet, sondern auch, wie es der
       Drehbuchzufall will, sowohl zu Paco als auch zu Wilson eine persönliche
       Bindung hat, spielt plötzlich eine entscheidende Rolle für die Zukunft der
       DMZ.
       
       Dass die Geschichte der Comic-Vorlage im Jahr 2022 angesichts der
       gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA (und nicht zuletzt mit Blick
       auf den Sturm auf das Kapitol im Januar 2021) relevanter ist denn je, macht
       die Serien-Adaption natürlich reizvoll. Auch die Veränderungen, die
       Showrunner Roberto Patino (der schon für „Westworld“ schrieb) vornimmt,
       tragen dazu bei, „DMZ“ besonders zeitgemäß wirken zu lassen, von der
       Latino-Ärztin statt des weißen Journalisten im Zentrum des Plots bis hin zu
       der nie ausbuchstabierten, aber unübersehbaren Erkenntnis, dass es vor
       allem People of Color sind, die in Manhattan ihrem Schicksal überlassen
       wurden.
       
       ## Fokus auf Familiendrama
       
       Umso erstaunlicher ist es, dass die Serie, die auf der Dystopie-Skala
       irgendwo in der Mitte zwischen dem lebensbejahenden Optimismus von „Station
       Eleven“ und der bitteren Aussichtslosigkeit von „Snowpiercer“ steht, ihre
       politische Dimension nicht tiefgehender auslotet. Über die Hintergründe des
       Bürgerkriegs oder die Realitäten jenseits der DMZ-Grenzen erfährt man
       wenig, auch weil der Fokus sich über weite Strecken auf die nicht immer
       bezwingenden Familiendramen aller Art rund um Alma und ihr Umfeld
       verlagert.
       
       Das überzeugende Ensemble und die vor allem in der ersten, von Ava DuVernay
       packend inszenierten Folge (danach übernimmt Spike Lees früherer Kameramann
       Ernest Dickerson die Regie) lassen über Plotschwächen hinwegsehen. Doch
       dass vier einstündige Episoden das falsche Format sind für einen Stoff, der
       entweder mehr Verdichtung oder mehr Raum zur Entfaltung gebraucht hätte,
       bleibt für „DMZ“ ein Problem.
       
       24 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hudson-Yards-in-New-York/!5651704
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Heidmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Serie
   DIR Sky
   DIR Dystopie
   DIR Serie
   DIR Autobiographischer Comic
   DIR Serien-Guide
   DIR Sky
   DIR Serien-Guide
   DIR Sky
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Sky-Serie „Die Wespe“: Die kleine Welt des Kneipensports
       
       In der Miniserie „Die Wespe“ dreht sich alles um Dart. Die zweite Staffel
       ist zwar ähnlich pointiert, aber leider weniger charmant als die erste.
       
   DIR Biographischer Comic über Stockhausen: Der egozentrische Messias
       
       „Stockhausen. Der Mann, der vom Sirius kam“ erzählt vom Leben des
       Avantgarde-Komponisten. Annäherungen an einen Außerirdischen.
       
   DIR Serie „Made For Love“ bei RTL+: Chip im Hirn
       
       Hazel hat einen übergriffigen Ehemann, der leider auch Tech-Papst ist. Die
       Trennung von ihm wird deswegen auch zu einer digitalen Flucht.
       
   DIR Sky-Serie „Blocco 181“: Mailand sehen und sterben
       
       Eine neue Sky-Serie zeigt drei junge Menschen, die zwei rivalisierenden
       Banden angehören. Außerdem spielt sie an einem ungewohnten Ort.
       
   DIR Miniserie „The Baby“ bei Sky: Es dreht sich alles nur ums Baby
       
       Ein Kind mit Superkräften wird zum Serienmörder. In der Horrorkomödie „The
       Baby“ geht es aber vor allem um Mutterschaft und ihre Folgen.
       
   DIR Sky-Serie „Tschugger“: Von Kiberern und Tschuggern
       
       Auf Sky startet eine Schweizer Krimiserie, die man unbedingt im Originalton
       sehen muss. Bullen werden dort etwa Tschugger genannt.