# taz.de -- Mitglied in rechter Burschenschaft: Otto Carstens mag rechte Folklore
> Der Kieler CDUler Otto Carstens gibt sich als wertkonservativer
> Politiker. Sein Faible für Burschenschaften passt nicht zum Amt des
> Staatssekretärs.
IMG Bild: Nochmal gut gegangen: Da hat sich der Burschi fast die letzte Locke absäbeln lassen
Hamburg taz | „Opferschutz vor Täterschutz. Mehr Polizei vor Ort. Eine
Justiz, die den Strafrahmen des Gesetzes ausreizt. Ein Strafvollzug, der
keinen,Urlaub' darstellt“ – mit diesen klaren Worten auf seiner Website
hatte Otto Carstens (CDU) im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf
sein wertkonservatives Image gepflegt. Inzwischen hat er sie wieder
gelöscht. Dennoch kommen derzeit Zweifel an seiner Eignung als
Justizstaatssekretär auf.
Da ist einerseits seine Dissertation, die die Uni Innsbruck wegen
Plagiatsvorwürfen überprüft. Und andererseits seine Sympathie für
schlagende Verbindungen.„Ich finde, schlagende Studentenverbindungen sind
eine sehr schöne Tradition“, sagte Carstens den Kieler Nachrichten.
Der 41-Jährige hat nach eigenen Angaben selbst Mensuren gefochten und trägt
einen „Schmiss“, also eine Narbe aus jenem rituellen Fechtkampf im Milieu
der Burschenschaften. Carstens ist Mitglied des Hamburger „Corps Irminsul“,
das sich gegen rechtsextreme Tendenzen nicht klar abgrenzt. Auf seiner
Website weist der Lebensbund auf seinen 1919 gegründeten Vorgänger
Cheruscia hin.
Die Mitglieder seien aus „angesehenen hanseatischen Familien sowie aus den
Studenten des Kolonialinstitutes“ rekrutiert worden. 1935 hätten sie sich
nicht mehr der „Gleichschaltung der Nationalsozialisten“ erwehren können
und „den aktiven Betrieb“ eingestellt.
## Zwischen Revisionismus und Rechtsextremismus
Eine beschönigende Geschichtsdarstellung nennt das Felix Krebs vom
Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ (HBgR), denn vor hundert Jahren hatte sich
das Corps dem völkischen Dachverband Deutsche Wehrschaft (DW)
angeschlossen, der lange vor dem Nationalsozialismus ein „Arier“-Prinzip
eingeführt hatte. Auf seiner Website verweist das Corps auf „namhafte
Redner“.
Das HBgR hat eine längere Liste. Auf ihr erscheinen Publizisten und
Offiziere a. D., die sich zwischen Revisionismus und Rechtsextremismus
bewegen. 2005 war zum CI-Festkommers anlässlich seines 125-jährigen
Bestehens Konrad Löw als Redner geladen. Ein Jahr zuvor hatte die
Bundeszentrale für politische Bildung Löws Schrift „Deutsche Identität in
Verfassung und Geschichte“ eingestampft, da der Text geeignet sei, die
„deutschen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur zu
verharmlosen“.
Im aktuellen Semesterprogramm weist das Corps Irminsul auf den Zweiten
ordentlichen Bestimmtag des Hamburger Waffenrings (HWR) hin. Im HWR sind
nicht alle schlagenden Verbindungen vereint, da dort [1][auch die
rechtsextremistische Hamburger Burschenschaft Germania (HBG)] ihre Mensuren
schlägt. „Das Corps Irminsul bewies einen guten Mensurstandpunkt und führte
erst ab, als Martins Gegenpaukant durch diesen ordentlich 'zerhackt’ worden
war“, hieß es Ende 2018 in einem Bericht der HBG von einer HWR-Mensur.
Die SPD fordert von der Landesregierung nun eine Stellungnahme. „Die
offensichtliche Verherrlichung von ritualisierter Gewaltanwendung bei
Mensuren, die Herr Dr. Carstens selbst in der Presse vorträgt, ist für uns
ein weiterer Grund, seine persönliche Eignung für das Amt eines
Justizstaatssekretärs zu hinterfragen“, sagt SPD-Innenpolitiker Marc
Timmer.
Auch die Neue Richtervereinigung äußert Zweifel an Carstens’ Eignung. Wie
sich seine Mitgliedschaft im „[2][offenbar reinen Männerbund]“ Irminsul mit
dem Auftrag, die Gleichstellung zu fördern, verbinden lasse, erschließe
sich „zumindest nicht ohne weiteres“. Mit seiner Wahlkampf-Forderung nach
einer „Justiz, die den Strafrahmen des Gesetzes ausreizt“ stelle Carstens
„einen Grundpfeiler der Gewaltenteilung und damit des Rechtsstaats, nämlich
die richterliche Unabhängigkeit infrage“.
27 Aug 2022
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## AUTOREN
DIR Andreas Speit
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