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       # taz.de -- Rechter Anschlag auf CDU-Politiker: Urteil gegen Lübcke-Mörder bestätigt
       
       > Der Bundesgerichtshof verwarf alle Revisionen gegen das Urteil zum Mord
       > an Walter Lübcke. Auch der Teilfreispruch für Ernsts Kumpel Markus H.
       > bleibt.
       
   IMG Bild: Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main setzte es für den Rechtsextremisten Stephan Ernst eine Niederlage
       
       Karlsruhe taz | Es wird keinen neuen Prozess im Mordfall am Kasseler
       Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) geben. Der Bundesgerichtshof
       bestätigte am Donnerstag das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG)
       Frankfurt/Main in vollem Umfang und wies alle Revisionen ab.
       
       Es bleibt also bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe für den
       Rechtsextremisten Stephan Ernst. Er hat Lübcke im Juni 2019 abends [1][auf
       seiner Terrasse erschossen.] Das Tötungsdelikt gilt als Mord. Zum einen
       weil Ernst heimtückisch gehandelt hat, indem er die Arglosigkeit Lübckes
       ausnutzte. Zum anderen habe Ernst aus niederen Beweggründen gehandelt.
       „Immer wenn ein Mensch aus politischen Gründen getötet wird, liegen niedere
       Beweggründe vor“, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer. „Das Mittel
       der politischen Auseinandersetzung ist das Wort, nicht die Gewalt“, so
       Schäfer.
       
       Strafverschärfend wirkten die rassistischen Motive von Ernst, der Lübcke
       für seine Flüchtlingspolitik abstrafen wollte. Auch die Annahme einer
       besonderen Schwere der Schuld durch das OLG wurde vom BGH gebilligt. Es sei
       deshalb „nicht zu erwarten“, dass Ernst nach 15 Jahren vorzeitig entlassen
       wird, so Richter Schäfer.
       
       Als großer Sieger des Revisionsverfahrens kann sich [2][Ernsts ehemaliger
       Freund Markus H.] fühlen. Das OLG Frankfurt hatte ihn nur wegen eines
       Waffendelikts zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der
       Beihilfe zum Lübcke-Mord sprachen ihn die Frankfurter Richter jedoch frei.
       Und dabei blieb es auch beim BGH, die Revisionen der Bundesanwaltschaft und
       [3][der Familie Lübcke] als Nebenkläger blieben erfolglos.
       
       ## Ungewissheit und Trauer bleiben
       
       Ernst hatte seinen Ex-Kumpel zwar zeitweise belastet, seine Aussagen seien
       jedoch so wechselhaft gewesen, dass es keinen Rechtsfehler darstelle, wenn
       das Gericht darauf keine Verurteilung stützen wollte. Die
       Bundesanwaltschaft hatte zehn Jahre Freiheitsstrafe für H. gefordert.
       
       Richter Schäfer weiß, dass viele Markus H. für einen Gehilfen, wenn nicht
       sogar Mittäter oder Anstifter am Lübcke-Mord halten. In der Revision müsse
       jedoch grundsätzlich die Beweiswürdigung der Vorinstanz übernommen werden,
       soweit diese nicht unlogisch oder lückenhaft sei oder andere Rechtsfehler
       aufweise. Es sei „keine Schwäche des Rechtsstaats, sondern eine große
       Errungenschaft, dass ein Angeklagter nur verurteilt wird, wenn das Gericht
       so von seiner Schuld überzeugt ist, dass kein vernünftiger Zweifel mehr
       besteht“, betonte der Vorsitzende Richter.
       
       Keine Rechtsfehler sah der BGH auch beim Freispruch Ernsts vom Vorwurf, er
       habe im Januar 2016 einen irakischen Asyl-Antragsteller mit dem Messer von
       hinten angegriffen und fast getötet. Im Ergebnis hat dieser Freispruch aber
       keine große Bedeutung, weil Ernst ohnehin bereits zu lebenslanger
       Freiheitsstrafe verurteilt ist.
       
       Schäfer erinnerte daran, dass es neben der juristischen auch eine
       menschliche Dimension der Verbrechen gebe. Für die Familie von Walter
       Lübcke werde das Leben „nie wieder so sein, wie es war“. Und der irakische
       Flüchtling werde mit der Ungewissheit leben müssen, dass die Verantwortung
       für den Mordversuch ungeklärt bleibt.
       
       Anders als bei der mündlichen Verhandlung Ende Juli war die Familie Lübcke
       diesmal nicht nach Karlsruhe gekommen, sondern verfolgte die
       Urteilsverkündung über das Fernsehen von zu Hause. Ihr Sprecher Dirk Metz
       sagte nach der Urteilsverkündung, es sei „bitter“, dass so viele Fragen
       offen blieben. Aber weil Walter Lübcke immer für den Rechtsstaat
       eingetreten sei, werde die Familie das Urteil akzeptieren.
       
       25 Aug 2022
       
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