URI: 
       # taz.de -- Russische Anschluss-Szenarien: Das Recht auf unfreie Wahlen
       
       > Russische Politiker wollen die besetzten Gebiete in der Ukraine über
       > Referenden an Russland angliedern. Sie übertreffen sich zurzeit mit
       > Plänen.
       
   IMG Bild: Humanitäre Hilfe: Brotausgabe im ukrainischen Saporischschja
       
       Berlin taz | Bei einigen russischen Politiker*innen drängt sich die
       Frage auf, was sie geraucht oder genommen haben. So wartete der Abgeordnete
       Oleg Morosow, der für die Kremlpartei „Einiges Russland“ in der Duma sitzt,
       am Dienstag mit interessanten Einschätzungen auf. In der ukrainischen
       Hauptstadt Kiew gebe es viele Einwohner*innen, die wollten, dass sich die
       Ukraine Russland anschließe. „Vielleicht wird Kiew schon in einem Jahr von
       Russland aufgenommen. Wenn sie es wollen. Geben wir ihnen diese
       Möglichkeit“, zitiert das ukrainische Webportal focus.ua den
       Volksvertreter.
       
       Auch zu einer Annexion der Teile des südukrainischen Gebietes
       Saporischschja, die russische Truppen besetzt halten, äußerte sich Morosow.
       Da könne der Kreml schließlich auf die Erfahrung mit der Krim
       zurückgreifen, meinte er. Doch die Anpassung der Gesetzgebung werde einige
       Monate dauern.
       
       Die ukrainische Halbinsel [1][Krim hatten russische Truppen] nach einem
       zweifelhaften Referendum im März 2014 im Schnelldurchgang annektiert.
       Dieses völkerrechtswidrige Vorgehen ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen,
       international nicht anerkannt. Am Montag dieser Woche hatte der illegitime
       Chef des Gebietes [2][Saporischschja], Ewgeni Balitzki, beim Forum „Wir
       sind mit Russland zusammen“ in der Stadt Melitopol eine Anordnung
       unterschrieben, die eine Volksabstimmung über die Vereinigung der Region
       mit Russland vorsieht.
       
       Zuvor hatte ein Vertreter der von den Besatzern eingesetzten Verwaltung
       erklärt, dass die Erde von Saporischschja die Ukraine für immer verlassen
       werde. Das Gebiet nehme Kurs auf eine Vereinigung mit Russland. Einen Weg
       zurück gebe es nicht. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski
       quittierte die Ankündigungen mit der Bemerkung, dass sich Russland jede
       Chance auf Verhandlungen mit Kiew verbaue, sollte es mit der Durchführung
       sogenannter Referenden in den besetzten Gebieten beginnen.
       
       ## Angeblich werden schon Wahlkommissionen gebildet
       
       Entsprechende Szenarien geistern seit einigen Monaten herum, ein konkretes
       Datum wird bis jetzt nicht genannt. Cherson ist komplett unter Moskauer
       Besatzung, von dem Gebiet Saporischschja haben russische Truppen derzeit
       rund 60 Prozent erobert. Die gleichnamige Gebietshauptstadt hielt den
       Angriffen bisher stand und ist weiter unter ukrainischer Kontrolle.
       Angeblich soll die Bildung von Wahlkommissionen bereits in vollem Gange
       sein. Ihr sollen die „aktivsten und interessiertesten“ Leute angehören, wie
       dem russischsprachigen Nachrichtenportal Nastojasche vremja unter Berufung
       auf die russischen Besatzer zu entnehmen ist.
       
       Dennoch ist die Frage offen, wie das Referendum im Gebiet Saporischschja
       überhaupt durchgeführt werden soll. An einer Antwort versuchte sich am
       Montag der Vize-Vorsitzende des Ausschusses für internationale
       Angelegenheiten des russischen Föderationsrates, Wladimir Dschabarow.
       
       Dafür sei es notwendig, das gesamte Territorium des Gebiets Saporischschja
       von den „Neonazisten“ zu befreien. „Die Antwort der internationalen
       Staatengemeinschaft wird negativ sein. Das war auch im Fall der Krim so.
       Aber wir führen die russische Welt zu ihren ursprünglichen Grenzen zurück.
       Die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft sind zweitrangig“,
       sagte Dschabarow.
       
       Die der Bewohner*innen der besetzten Gebiete offensichtlich auch. So
       will das russische oppositionelle Webportal Meduza aus gut informierten und
       der Putin-Administration nahe stehenden Quellen erfahren haben, dass Mitte
       Juli in den Gebieten Cherson und Saporischschja eine Umfrage durchgeführt
       worden sei. Nur rund 30 Prozent der Befragten hätten dabei für eine
       Vereinigung mit Russland gestimmt.
       
       10 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Annexion_der_Krim_2014
   DIR [2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5872748
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Referendum
   DIR Annexion
   DIR Russland
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Atomkraft
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Scheinreferenden vor Abschluss: Moskau droht wieder mit Atomwaffen
       
       Der Kreml meldet erste Ergebnisse der Scheinreferenden in den Regionen
       Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Putin könnte schon am Freitag
       Anschluss der besetzten Gebiete an Russland verkünden.
       
   DIR Russische Scheinreferenden in Ukraine: Abstimmen unter vorgehaltener Waffe
       
       In vier Regionen laufen die Scheinreferenden. Viele Anwohner berichten von
       Zwang und Einschüchterung, andere versuchen zu fliehen.
       
   DIR Krieg in der Ukraine: Anschlag auf Kreml-Vertreter
       
       Im russisch besetzten Melitopol wird ein Kreml-Vertreter bei einem Anschlag
       verletzt. Unterdessen geht der Konflikt um das AKW Saporischschja weiter.
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Atombehörde fordert rasche Inspektion
       
       Die UN-Atomenergiebehörde warnt vor gewaltigen Konsequenzen, sollte das AKW
       in Saporischschja beschädigt werden. Selenski deutet per Video neue
       Waffenlieferungen an.
       
   DIR Ukrainische AKWs als Kriegswaffe: Was Robert Jungk schon wusste
       
       Im Krieg gelten keine Regeln mehr. Zivile Atomkraft kann durch einen
       Angriff zur katastrophalen Gefahr werden.
       
   DIR Provokationen aus Moskau: Gedankenspiele eines Ex-Kremlchefs
       
       Russlands früherer Präsident Medwedew spricht sich für eine Annexion von
       Georgien aus. Seine Drohgebärden richten sich auch an andere Länder.