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       # taz.de -- Mutmaßlicher Rushdie-Attentäter: Radikalisiert im Libanon
       
       > Der Rushdie-Attentäter hat sich laut seiner Mutter während einer
       > Libanon-Reise radikalisiert. Dass er den Schriftsteller töten wollte,
       > streitet er ab.
       
   IMG Bild: Hadi Matar, der 24 Jahre alte mutmaßliche Täter, am 13. August vor Gericht in Mayville
       
       BERLIN taz/dpa/epd/afp | Während einer Libanon-Reise hat sich der Angreifer
       von Salman Rushie laut seiner Mutter radikalisiert. Durch die Reise in ihr
       Geburtsland habe sich ihr Sohn Hadi Matar „sehr verändert“, wurde die in
       Fairview im US-Bundesstaat New Jersey lebende Silvana Fardos am Montag auf
       der Website der britischen Zeitung Daily Mail zitiert.
       
       „Ich hatte erwartet, dass er motiviert zurückkehrt, die Schule zu Ende zu
       machen, seinen Abschluss und einen Job zu bekommen“, sagte die Mutter mit
       Blick auf Matars Libanon-Reise 2018. Stattdessen habe er „sich im Keller
       eingesperrt“. Ihr Sohn habe sich isoliert und auch mit dem Rest der Familie
       monatelang kaum noch gesprochen. „Er schläft tagsüber und steht nachts auf
       und isst“, beschrieb Fardos ihren heute 24 Jahre alten Sohn.
       
       Der in den USA geborene Matar hatte am Freitag bei einer
       Literatur-Veranstaltung im Bundesstaat New York mit einem Messer immer
       wieder auf Rushdie eingestochen. Der britisch-indische Schriftsteller wurde
       schwer verletzt und musste notoperiert werden. Matar ließ in einer ersten
       Gerichtsanhörung zum Vorwurf des versuchten Mordes erklären, er sei nicht
       schuldig. Zu seinen Motiven äußerte er sich nicht.
       
       Das Internet-Portal Vice News berichtete am Sonntag unter Berufung auf
       Geheimdienstquellen aus Europa und dem Nahen Osten, Matar habe in sozialen
       Medien Kontakt zu den iranischen Revolutionsgarden gehabt. Es gebe aber
       keine Hinweise darauf, dass der Iran an der Organisation oder Durchführung
       des Angriffs beteiligt gewesen sei.
       
       ## Mutter „weder religiös noch politisch“
       
       Fardos, die als Hilfslehrerin und Übersetzerin arbeitet, sagte in dem
       Interview mit der Daily Mail, sie sei von Geburt an Muslimin, aber weder
       religiös noch politisch. Von Rushdie und dessen von vielen Muslimen
       verdammtem Buch „Die Satanischen Verse“ habe sie bis zu dem Anschlag noch
       nie gehört.
       
       Der britischen Zeitung sagte sie, ihr Sohn habe es ihr zum Vorwurf gemacht,
       dass sie ihn zu einer Ausbildung ermutigt habe, statt seine Religion in den
       Vordergrund zu stellen. Er sei „wütend gewesen, dass ich ihn nicht in
       jungen Jahren in den Islam eingeführt habe“. Ansonsten sei ihr Sohn „sehr
       ruhig“ und „introvertiert“ gewesen, „jeder hat ihn geliebt“. Matars Eltern
       hatten sich 2004 scheiden lassen, sein Vater ist danach in den Libanon
       zurückgekehrt.
       
       US-Außenminister Antony Blinken hat die Reaktionen aus dem Iran auf den
       Angriff auf Schriftsteller Salman Rushdie scharf kritisiert. Zwar vermied
       er es, Teheran in seiner Erklärung am Montag direkt für die Attacke
       verantwortlich zu machen, attestierte aber, staatliche Institutionen des
       Iran hätten seit langer Zeit zu Gewalt gegen Rushdie angestiftet und Medien
       des Landes hätten sich über den Anschlag auf sein Leben gefreut. „Das ist
       abscheulich.“
       
       In der Tat hatten iranische Zeitungen den Angriff bejubelt, [1][zudem die
       „mutige und pflichtbewusste Person, die den abtrünnigen und bösen Salman
       Rushdie in New York angegriffen hat“, gelobt.] Jegliche Verstrickungen in
       die Tat wies Teheran jedoch zurück. „Es gibt keine Verbindung zwischen dem
       Iran und dem Täter“, sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani am Montag, wie
       die iranische Nachrichtenagentur Isna berichtete. Rushdie habe mit seinem
       Werk nicht nur den Iran, sondern Muslime weltweit beleidigt, sagte Kanaani.
       „Rushdie selbst ist für den Anschlag verantwortlich.“
       
       ## Fatwa wurde nie zurückgenommen
       
       Der Schriftsteller [2][erhält seit mehr als 30 Jahren Todesdrohungen wegen
       seines Romans „Die satanischen Verse“.] Der 1989 verstorbene Oberste Führer
       des Irans, Ajatollah Chomeini, hatte eine Fatwa herausgegeben, mit der
       Rushdies Tod gefordert wurde. Zuvor hatte es Unruhen in der muslimischen
       Welt gegeben, weil der Roman nach Auffassung Einiger blasphemische
       Andeutungen über den islamischen Propheten Mohammed enthielt. Der aktuelle
       Oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamanei, hat die Fatwa Chomeinis
       nie aufgehoben. Noch 2017 gab er an, sie sei in ihrer damaligen Fassung
       gültig.
       
       Rushdie ist laut Angaben aus seinem Umfeld auf dem Weg der Besserung.
       „Trotz seiner schwerwiegenden und lebensverändernden Verletzungen bleibt
       sein üblicher kämpferischer und aufsässiger Sinn für Humor intakt“, schrieb
       sein Sohn Zafar Rushdie am Sonntag in einer Erklärung auf Twitter. Der
       75-Jährige sei nicht mehr an ein Beatmungsgerät und eine zusätzliche
       Sauerstoffversorgung angeschlossen. Zudem habe er einige Worte sprechen
       können. Bei dem Angriff wurden in seinem Arm Nervenstränge durchtrennt, die
       Leber beschädigt und er könnte ein Auge verlieren.
       
       Prominente und Politiker weltweit hatten den Angriff mit deutlichen Worten
       verurteilt und Rushdie eine schnelle Genesung gewünscht. US-Präsident Joe
       Biden lobte, Rushdie habe sich nicht einschüchtern lassen und stehe für
       „wesentliche, universelle Werte“ wie Wahrheit, Mut und
       Widerstandsfähigkeit.
       
       Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte mitgeteilt:
       „Wer diesen Mordanschlag nun auch noch rechtfertigt, verbreitet nichts
       anderes als Hass und Extremismus. Wer an ein friedliches Zusammenleben
       glaubt, muss sich dem klar und konsequent entgegenstellen.“ Kanzler Olaf
       Scholz (SPD) hatte die Tat bei Twitter als „abscheulich“ bezeichnet.
       
       16 Aug 2022
       
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