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       # taz.de -- Museum für Hamburgische Geschichte: Bildungsbürgertum war gestern
       
       > Das Museum für Hamburgische Geschichte feiert sein 100-jähriges Jubiläum.
       > Seit den 1970er Jahren werden Haus und Ausstellungen stetig modernisiert.
       
   IMG Bild: Da war es erst 96 Jahre alt: Das Museum für Hamburgische Geschichte im April 2018
       
       Hamburg taz | Der Schädel von [1][Störtebeker] und der Hut von Udo
       Lindenberg, mindestens einer davon nicht ganz echt, sind zwei der etwa
       530.000 Objekte der Sammlung des [2][Museums für Hamburgische Geschichte].
       Das feiert dieses Jahr Jubiläum: Das Haus am Holstenwall wurde im August
       vor hundert Jahren eingeweiht.
       
       Der erklärte Lieblingsbau von Fritz Schumacher, 1909 bis 1933 oberster
       Baudirektor des Hochbauwesens der Freien und Hansestadt und prägender
       Meister der hiesigen backsteinbasierten Stadtentwicklung, ist selbst schon
       ein großes Exponat. Winkelhakenförmig aus der Achse des Wallrings
       herausgedreht, verweist es auf die zackenförmige ehemalige Festungsbastion
       „Henricus“, auf der der heutige Klinkerpalast steht. Und mit vielen
       eingefügten historischen Spolien und Formzitaten wird die Stadtgeschichte
       in bewusst rhythmischer Gliederung schon in der Außenarchitektur
       weitergetragen.
       
       Sammlungen von Hamburgensien gab es aber schon früher. Es begann mit dem
       1839 gegründeten „Verein für Hamburgische Geschichte“. Deren „Sammlung
       Hamburgischer Alterthümer“ wurde zwar 1849 von der Stadt übernommen,
       fristete aber, anders als die Sammlungen zu Kunst und Gewerbe, Völker- und
       Naturkunde, ein eher bescheidenes Leben im Schulsouterrain und einigen
       Räumen im Johanneum am Speersort. Erst 1907 bekam sie einen eigenen
       Direktor, 1909 wurde für die stetig gewachsene Sammlung der vierte
       Hamburger Museumsbau beschlossen und 1913 begonnen.
       
       Das älteste christliche Exponat ist ein Schmuckamulett, ein kleines Kreuz
       aus dem 10. Jahrhundert. Und das ungewöhnlichste und anders als die vielen
       Schiffsmodelle kaum zu erwartende Ausstellungsstück ist das Holzmodell des
       Salomonischen Tempels in Jerusalem. Um 1680 in Hamburg hergestellt, ist es
       mit über 12 Quadratmetern das größte historische Modell eines Gebäudes und
       zudem das einzig erhaltene des biblischen Heiligtums. Von einem
       kunstsinnigen Senator beauftragt, gelangte das von frühbarocken
       Vorstellungen geprägte Idealmodell später erst nach London und dann in die
       Sammlungen von August dem Starken. 1910 wurde es aus Dresden für das Museum
       zurückgekauft.
       
       Inzwischen ist das Museum im Verbund der [3][„Stiftung Historische Museen
       Hamburg“] nur einer der Geschichts-Bausteine im Zusammenspiel mit dem
       Museum der Arbeit, dem Altonaer Museum, dem Deutschen Hafenmuseum, dem
       Jenischhaus und dem Speicherstadtmuseum.
       
       In den 1950er- und 1960er-Jahren war das trotz der sechs Bombentreffer
       schon im September 1946 in Teilen wiedereröffnete Haus mal das
       besucherreichste Hamburger Museum – wohl auch wegen seiner großen
       Modelleisenbahnanlage. Unter dem von 1976 bis 2001 amtierenden Direktor
       Jörgen Bracker wurde das Haus stetig modernisiert, die Gegenwart samt
       Pop-Kultur und Erinnerungen an die Flutkatastrophe und politische Kämpfe
       der Siebziger zog ein, bedeutende Sonderausstellungen folgten; die 1989
       erfolgte Glasüberdachung des L-förmigen Innenhofs durch Volkwin Marg war
       eine damals ganz neuartige Konstruktion. Als Allerneustes gibt es bereits
       eine Objektsammlung zu Corona.
       
       Trotz der ansprechenden Kombination von Vitrinenobjekten, Dokumentationen
       und vielen nachinszenierten Räumen wie Kaufmannsdiele und Schiffsbrücke
       oder Hafenkneipe und Studentenzimmer will das Haus nach seinem jetzigen
       Jubiläum weitere neue Wege beschreiten. Dann wird auch das Erdgeschoss zum
       Park der Wallanlagen geöffnet und mit Bibliothek, Hörsaal und Restaurant
       dem Publikum zugänglicher gemacht.
       
       Denn die Selbstvergewisserung des Bildungsbürgertums ist längst nicht mehr
       die Hauptaufgabe des Hauses am Holzdamm. [4][Heute] trifft die Vermittlung
       von Kenntnissen über das gegenwärtige Funktionieren der Stadt und dessen
       Wurzeln in der Vergangenheit auf ein [5][ganz anders strukturiertes
       Publikum].
       
       29 Aug 2022
       
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