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       # taz.de -- Erste TV-Debatte vor Wahlen in Brasilien: Bolsonaro schimpft, Lula bleibt vage
       
       > Präsident Bolsonaro und Herausforderer Lula trafen in der ersten
       > TV-Debatte aufeinander. Unter den sechs Kandidat*innen sahen beide
       > nicht gut aus.
       
   IMG Bild: Schnitt laut Umfragen am besten ab: Simone Tebet von der Mitte-rechts-Partei MDB
       
       Berlin taz | Offiziell hat [1][Brasiliens Wahlkampf] schon am 16. August
       begonnen – aber für viele ging er erst am Sonntag so richtig los. Denn in
       São Paulo fand die erste TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten statt.
       Die von vier Medien organisierte Diskussionsrunde wurde von Millionen
       Brasilianer*innen an den Fernsehgeräten verfolgt.
       
       Der ultrarechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro und Ex-Präsident Luiz Inácio
       Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei PT hatten eigentlich
       angedeutet, Fernsehdebatten fernzubleiben. Doch kurz vor der Aufzeichnung
       erklärten beide überraschend, doch teilzunehmen – und sich damit zum ersten
       Mal direkt gegenüberzutreten, gemeinsam mit vier weiteren Kandidat*innen.
       
       Erwartungsgemäß gingen viele Fragen an Präsident Bolsonaro. Der verteidigte
       seine Politik, attackierte Lula als „Lügner“ und „Ex-Häftling“, wirkte aber
       bisweilen nervös. Laut einer nicht repräsentativen Umfrage des
       Meinungsforschungsinstituts Datafolha schnitt er am schlechtesten ab. Für
       Empörung sorgte Bolsonaro, als er die Journalistin Vera Magalhães „eine
       Schande für den brasilianischen Journalismus“ nannte. Fast alle anderen
       Kandidat*innen solidarisierten sich daraufhin mit Magalhães.
       
       Lula sprach viel über seine beiden Amtszeiten, lieferte jedoch wenige
       Glanzmomente oder neue Ideen. Auch nutzte er nur wenige Möglichkeiten, über
       das zentrale Thema dieses Wahlkampfs zu sprechen: die wirtschaftliche
       Talfahrt und die Verarmung der Bevölkerung. Zum Unmut vieler Linker
       antwortet er auf die Frage, ob er Ministerien paritätisch mit Frauen und
       Männern besetzen würde: „Ich mache keine Versprechen.“
       
       ## Lula hat Vorsprung, aber Bolsonaro holt auf
       
       Laut Umfragen schnitt Simone Tebet von der Mitte-rechts-Partei MDB am
       besten ab. Sie feuerte heftige Attacken in Richtung Bolsonaros – wohl
       wissend, dass sie nur eine Chance hat, in die zweite Runde einzuziehen,
       wenn sie irgendwie am Rechtsaußen-Präsidenten vorbeizieht. Wenn kein*e
       Kandidat*in am 2. Oktober auf über 50 Prozent der Stimmen kommt, gibt es
       am 30. Oktober eine Stichwahl.
       
       Aber trotz der Debatte zu sechst am Sonntagabend deutet alles auf ein Duell
       zwischen Lula und Bolsonaro hin. In Umfragen vereinen die beiden fast 80
       Prozent der Stimmen auf sich. Der drittplatzierte Mitte-links-Kandidat Ciro
       Gomes kommt gerade einmal auf 7 Prozent.
       
       Lula hat in den Umfragen immer noch einen deutlichen Vorsprung, aber in den
       letzten Wochen hat Bolsonaro aufgeholt. Das dürfte damit zusammenhängen,
       dass der Kongress auf Antrag der Regierung unlängst einen Notstand ausrief,
       der die verfassungsmäßige Obergrenze für Staatsausgaben außer Kraft setzt.
       Das ermöglicht mehr Ausgaben für Sozialhilfe. Obwohl sie auf drei Monate
       befristet sind und von der Opposition – die Maßnahme im Kongress
       mehrheitlich mittrug – als „reines Wahlkampfmanöver“ kritisiert werden,
       dürfte Bolsonaro wohl davon profitieren.
       
       In den letzten Tagen hatte Bolsonaro zudem etliche [2][Lügen über das
       elektronische Wahlsystem] verbreitet. Vielen macht der 7. September große
       Sorgen. An diesem Tag, dem Nationalfeiertag, sind Proteste im ganzen Land
       geplant. Bereits im vergangenen Jahr gingen Zehntausende Rechte für „ihren
       Präsidenten“ auf die Straße, einige forderten ganz ungeniert einen
       Militärputsch. Ähnliche Bilder sind auch in diesem Jahr zu erwarten. Auch
       Linke wollen in den nächsten Wochen auf die Straße gehen.
       
       Die aufgeheizte Stimmung zeigte sich auch am Sonntag hinter den Kulissen
       des Fernsehsenders. Bolsonaros Ex-Umweltminister Ricardo Salles und ein
       Lula-naher Politiker gerieten im Studio aneinander, beschimpften sich
       lautstark und mussten schließlich von Sicherheitsleuten getrennt werden.
       
       29 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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