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       # taz.de -- Grenzregion als Paradies für Kriminelle: Chinas Triaden mögen Myanmar
       
       > Entlang des Flusses Moei an der Grenze zu Thailand betreiben chinesische
       > Mafiosi mit Duldung von Myanmars Militär ein illegales Geschäftsimperium.
       
   IMG Bild: Thailändische Grenzsoldaten blicken am Fluss Moei bei Mae Sot nach Myanmar
       
       Mae Sot taz | Wan Kuok-kui, in Chinas Unterwelt als „gebrochener Zahn“
       bekannt, hatte jeden Zweifel zerstreut, als er vor einigen Jahren bei einer
       Veranstaltung in Malaysia für sein Vorhaben in Myanmar warb. „Ich bestimme,
       was dort passiert“, verkündete er vollmundig. Seit am 1. Februar 2021
       Myanmars Generäle mit einem Putsch gegen die gewählte Regierung von Aung
       San Suu Kyi die Macht an sich rissen und seitdem brutal gegen jeden
       Widerstand vorgehen, boomt es in der neuen, von Wan gebauten
       Urwaldmetropole Saixigang nahe der Stadt Myawaddy an der Grenze zu
       Thailand.
       
       Der Einfluss von Wan Kuok-kui, der bis 2002 wegen seiner Zugehörigkeit zu
       Chinas Triaden (der chinesischen Mafia-Variante) in einem Gefängnis bei
       Peking saß, reichte gar, um in Sichtweite von Saixigang auf Thailands Seite
       des Grenzflusses Moei zwei harmlos scheinende Mobilfunktürme errichten zu
       lassen. Die Brücke der Straße zwischen der thailändischen Grenzstadt Mae
       Sot und Myawaddy mag wegen bewaffneter Kämpfe in Myanmar gesperrt sein.
       Doch Dank der Mobilfunktürme können die Gangster grenzübergreifend und
       ungestört ihr als „Schweineschlachten“ bezeichnetes lukratives Geschäft
       betreiben.
       
       Der Begriff steht für die skrupellosen Methoden, mit denen
       Mobiltelefonbesitzer und Internetnutzer ausgenommen werden, nachdem die
       Gangster an Bank- und Zugangsdaten kamen.
       
       Laut der Studie [1][„Myanmar's Casino Cities“] des United States Institute
       for Peace (USIP) haben sich Wan und andere chinesische Gangster entlang des
       Moei-Flusses auf 160 Quadratkilometern eine Art „Triaden-Republik“
       inklusive Landbesitz aus dem Urwald gestampft – sogenannte Spinatstädte.
       Diese verdanken ihren Namen dem Umstand, dass der chinesische Begriff für
       das Blattgemüse (Bo Cai) so klingt wie das chinesische Wort für
       Glücksspiel.
       
       ## In Myanmar besitzen Triaden sogar offiziell Land
       
       Per Webseiten werden neue Investoren und Glücksritter angelockt. Anders als
       in Kambodscha oder den Philippinen, wo die Triaden ebenfalls ihr Unwesen
       treiben, verfügen sie in Myanmar erstmals offiziell über Landbesitz.
       
       Seit dem Putsch hält Myanmars Armee mit ihrer Grenzkontrolltruppe ihre
       schützenden Hände über das Gangsterparadies am insgesamt 330 Kilometer
       langen Moei-Fluss. Chit Thu, der Kommandeur der Karen State Border Guard
       Force, gehört gar zu den wichtigsten Investoren der „Spinatstadt“ Yatai New
       City Project nahe dem Ort Shwe Kokko.
       
       „Nach Schätzungen, die auf Angaben aus China basieren, beläuft sich der
       illegale Umsatz von Onlineglücksspiel sowie Krypto- und Telefonbetrug in
       der Region jährlich auf bis zu 300 Milliarden US-Dollar“, sagt in Thailands
       Hauptstadt Bangkok Jason Tower, der USIP-Experte für Myanmar.
       
       Myanmars „Spinatstädte“, so schätzen Experten, kassieren mittlerweile gar
       mehr als die Produzenten und Lieferanten synthetischer Drogen, die von
       Myanmar illegal nach ganz Asien geliefert werden. Allein das in China
       verbotene, von Triaden aber im Ausland betriebene Onlineglücksspiel spült
       nach Schätzungen jährlich rund 180 Milliarden US-Dollar in die
       Gangsterkassen.
       
       ## Smartphonenutzer als größte Opfergruppe
       
       Dem kombinierten illegalen Geschäftsmodell von Glücksspiel, Kryptowährungen
       und Telefonbetrug fallen in Südostasien vor allem Smartphonebesitzer zum
       Opfer. Derzeit nutzen nur 37 Prozent der 500 Millionen Südostasiaten das
       Internet per Computer, aber 88 Prozent von ihnen greifen per Smartphone
       bedenkenlos auf Bezahlsysteme mit QR-Codes zurück. Laut dem National
       Economic and Social Development Council in Bangkok wurde bislang etwa die
       Hälfte der 66 Millionen Thailänder Opfer solcher Finanzbetrügereien.
       
       Für das Gangstergeschäft im großen Stil am Moei-Fluss werden Hunderte, wenn
       nicht gar Tausende Angestellten benötigt. Sie werden auf Facebook oder
       WeChat mit Monatslöhnen von 800 bis 1.000 US-Dollar in den Urwald von
       Myanmar gelockt. Häufig werden dabei Frauen in die Prostitution gezwungen
       und an der Rückkehr in die Heimat gehindert.“
       
       „Chinas Behörden, die in der Volksrepublik eine harte Haltung gegenüber
       Kriminalität einnehmen, haben in Südostasien bis vor Kurzem den Operationen
       der Triaden nur zugesehen. Die Sorge wächst, dass angesichts der
       Unfähigkeit, gegen die Probleme vorzugehen, Chinas Einfluss in Fragen von
       Sicherheit und Politik zunehmen wird“, vermutet USIP-Experte Tower.
       
       Das Paradebeispiel der vergangenen Jahre: das frühere Strandparadies
       Sihanoukville in Kambodscha. Chinas Behörden schauten jahrelang zu, bis
       Peking auf Drängen von Premierminister Hun Sen endlich eingriff. Im August
       2019 wurden dann dort 100 Chinesen verhaftet und postwendend ins Reich der
       Mitte abgeschoben.
       
       Im Myanmars neuem Triadenparadies herrscht vorerst nur eine Sorge: dass die
       Militärs den Widerstand der Bevölkerung gegen ihre brutale Herrschaft nicht
       brechen können. Manche Generäle sehen schon das Ende ihrer Herrschaft
       aufziehen. Bis dahin wollen sie sich aber noch die Taschen füllen.
       
       31 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.usip.org/publications/2020/07/myanmars-casino-cities-role-china-and-transnational-criminal-networks
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Willi Germund
       
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