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       # taz.de -- Empfehlung von Ökonom*innen: Ampel soll Mittelschicht entlasten
       
       > Um steigende Energiepreise abzufedern, müsse die Regierung handeln, sagen
       > Expert*innen. Sie schlagen vor, allen Bürger*innen pro Monat 100 Euro
       > auszuzahlen.
       
   IMG Bild: Wie düster wird der Winter? Ökonom*innen fordern Entlastungen, um steigende Energiepreise abzufedern
       
       Berlin dpa | Die Bundesregierung muss aus Sicht von Ökonom*innen wegen
       der [1][stark steigenden Energiepreise] dringend ein Entlastungspaket vor
       allem für Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen auf den Weg
       bringen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung,
       Marcel Fratzscher, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das beste
       Instrument sind direkte Transferzahlungen wie ein Energiegeld von 100 Euro
       pro Person und pro Monat für die kommenden 18 Monate.“
       
       Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für
       Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, sagte,
       [2][denkbar und sinnvoll wäre eine Neuauflage der Energiepauschale], die im
       September an alle Beschäftigten ausgezahlt wird. Dabei sollten auch
       Haushalte berücksichtigt werden, die bislang weitgehend leer ausgingen,
       etwa Rentner mit niedrigen Einkommen, aber ohne Wohngeldbezug.
       
       Ab Oktober gilt [3][eine staatliche Gasumlage], die zu deutlichen
       Preissteigerungen führt. Sie soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen
       Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen
       müssen. Dazu kommt, dass höhere Beschaffungskosten ohnehin schrittweise bei
       den Kunden ankommen.
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Bürgern zugesichert, es werde
       niemand alleine gelassen. Er hatte etwa eine Reform mit einer starken
       Ausweitung des Wohngelds zum Beginn des kommenden Jahres angekündigt.
       Scholz sagte in der vergangenen Woche, die Regierung wolle auch etwas für
       diejenigen machen, die zwar ein Arbeitseinkommen hätten, aber auch rechnen
       müssten, die keine Ersparnisse hätten und mit den gestiegenen Energiekosten
       nicht ohne weiteres umgehen könnten.
       
       „Das gilt für ganz viele Bürgerinnen und Bürger“, sagte der SPD-Politiker.
       „Es geht mir um diejenigen, die 2.800, 3.200 oder 4.000 Euro brutto im
       Monat verdienen, für die das alles große Herausforderungen sind.“ Es gehe
       um ein Gesamtpaket.
       
       Fratzscher sagte, die vom Bundeskanzler genannte Gruppe umfasse mehr als
       jede und jeden Fünften in Deutschland. „Dies sind vor allem Menschen in dem
       in Deutschland ungewöhnlich großen Niedriglohnbereich und auch zahlreiche
       Rentnerinnen und Rentner.“ Diese Gruppe habe kaum Ersparnisse, um
       zusätzliche Kosten abzudecken, und sie erhalte kaum direkte Unterstützung
       vom Staat.
       
       Daher könnten diese Menschen aus eigener Kraft die Kosten der höheren
       Inflation nicht selbst stemmen und benötigten dringend Unterstützung vom
       Staat. „Schon jetzt haben wir eine starke soziale Schieflage auch bei
       dieser Gruppe. Dies zeigt sich beispielsweise im Anstieg der Zahl der
       Menschen, die sich überschuldet“, so Fratzscher.
       
       „Die Politik muss nun dringend ein drittes Entlastungspaket umsetzen,
       welches mit oberster Priorität diese Gruppe entlastet.“ Fratzscher sagte,
       ein Energiegeld von 100 Euro pro Person und pro Monat für die kommenden 18
       Monate sollte nur an Menschen mit mittleren und geringen Einkommen gehen
       und nicht an Menschen mit hohen Einkommen.
       
       Dullien sagte, die von Scholz genannten Einkommensgruppen entsprächen der
       unteren Mittelschicht in Deutschland. „2021 etwa lag der durchschnittliche
       Bruttoverdienst eines Vollzeitbeschäftigten bei etwas mehr als 4000 Euro
       pro Monat.“ Scholz wolle also bis in die Mitte der Gesellschaft entlasten.
       „Das ist richtig. Der Energiepreisanstieg trifft Menschen bis in die Mitte
       der Gesellschaft hart.“ Wegen der steigenden Gaskosten würden die
       Heizrechnungen sprunghaft in die Höhe schnellen.
       
       „Menschen, die bisher 100 Euro im Monat für ihre Gasheizung bezahlt haben,
       werden bald 300 Euro oder mehr bezahlen. Für Familien, die 2000 bis 3000
       Euro netto pro Monat zur Verfügung haben, ist das eine massive Belastung,
       die zu Zahlungsausfällen und sozialen Verwerfungen führen kann“, so
       Dullien. „Für den sozialen Frieden im Land ist es wichtig, diese Belastung
       abzufedern.“
       
       Diese Gruppe könne man nicht über die normalen Transfersysteme entlasten.
       Man könnte eine neue Energiepauschale im Dezember auszahlen, um den
       Menschen zu helfen, ihre Rechnung nach dem Winter zu begleichen. „Eine
       andere, gute Möglichkeit wäre, einen Gaspreisdeckel für einen
       Grundverbrauch pro Haushalt einzuführen“, so Dullien.
       
       Die von der Bundesregierung beschlossene Energiepauschale von einmalig 300
       Euro kommt im September. Das Geld wird mit dem Gehalt ausgezahlt,
       dementsprechend zahlt man darauf auch Steuern.
       
       Sozialverbände machen Druck, die in Aussicht gestellten Entlastungen noch
       vor Start der Gasumlage zu klären. „Die Ampel-Regierung hat keine Zeit
       mehr, noch lange zu streiten. Bis September brauchen wir eine Lösung“,
       sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der „Rhein-Neckar-Zeitung“. Die
       Vizepräsidentin des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Ursula
       Engelen-Kefer, sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wir können nicht der
       großen Mehrheit der Gesellschaft immer mehr Belastungen aufhalsen und sie
       gleichzeitig im Unklaren lassen, wie sie unterstützt werden.“ Damit es im
       Herbst nicht zu sozialen Unruhen kommt, sei es „von entscheidender
       Bedeutung, dass die Bundesregierung zügig Entlastungen beschließt, die
       unmittelbar bei den Menschen ankommen“.
       
       17 Aug 2022
       
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