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       # taz.de -- Gedenken an Olympia-Attentat in München: Zehn Millionen und eine Entschuldigung
       
       > Die Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Olympia-Attentats 1972 droht, ohne
       > Hinterbliebene stattzufinden. Die Regierung hofft, die Familien
       > umzustimmen.
       
   IMG Bild: Trauerfeier am 06. 09. 1972: Mitglieder der israelischen Mannschaft im Münchner Olympiastadion
       
       Berlin taz | Der Streit über eine Entschädigung zwischen den Angehörigen
       der Opfer des Olympia-Attentats 1972 in München und der Bundesregierung
       verhärtet sich.
       
       Am 5. September, dem 50. Jahrestag des Anschlags, ist in München eine große
       Gedenkfeier geplant. Die wichtigsten Gäste, so der aktuelle Stand, werden
       daran aber nicht teilnehmen – aus Protest. Die Hinterbliebenen der elf
       getöteten israelischen Sportler und Betreuer werfen der Bundesregierung
       mehrere Versäumnisse in der Aufarbeitung und eine unangemessene
       Entschädigung vor.
       
       Trotzdem hoffen Bayern und das Bundesinnenministerium, vor dem 5. September
       zu einer Einigung zu kommen. „Die Verhandlungen werden weiter fortgeführt
       mit dem Ziel, ein positives Ergebnis zu erreichen“, heißt es aus der
       Bayerischen Staatskanzlei. Auch ein Sprecher des Innenministeriums betonte
       gegenüber der taz ausdrücklich die Bereitschaft der Bundesregierung, „die
       laufenden Gespräche fortzuführen“. In der zweiten Augustwoche hatten die
       Opferfamilien ein neues Angebot, das unter anderem weitere Zahlungen und
       eine neue Analyse des Attentats von Historiker:innen umfasst,
       abgelehnt.
       
       ## Bislang zehn Millionen Euro „Anerkennungsleistungen“
       
       Ob es zu weiteren Gesprächen kommen wird und ob diese erfolgreich sein
       werden, ist mehr als fraglich. In einem Brief an Bayerns Ministerpräsident
       Markus Söder (CSU), der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt,
       schreiben Ankie Spitzer und Ilana Romano im Namen der Opferfamilien: „50
       Jahre Schmähung, Lügen, Erniedrigung und Abweisung durch die deutsche
       Regierung und insbesondere bayerische Behörden sind mehr als genug für
       uns.“ Bei der Geiselnahme wurden die Männer der beiden Frauen, Fechttrainer
       Andrei Spitzer und Gewichtheber Yossef Romano, von den
       [1][palästinensischen Terroristen getötet].
       
       Schon zum zweiten Mal lehnen die Angehörigen ein neues Angebot der
       Bundesregierung ab. Vor Kurzem wurden ihnen neue Zahlungen vonseiten der
       deutschen Behörden vorgeschlagen. Seit dem Anschlag vor 50 Jahren wurden in
       zwei Tranchen – 1972 und 2002 – insgesamt rund vier Millionen Euro an die
       Hinterbliebenen gezahlt.
       
       Zusammen mit dem Freistaat Bayern und der Stadt München habe sich die
       Bundesregierung nach einer „Neubewertung des Umgangs mit den Ereignissen“
       entschieden, weitere „Anerkennungsleistungen“ zu zahlen. Über die [2][Höhe
       der Zahlungen] machte das Bundesinnenministerium auf taz-Nachfrage keine
       Angaben. Laut dem Brief der Angehörigen an den bayerischen
       Ministerpräsidenten Söder ging es bei den zuletzt gescheiterten Gesprächen
       um zehn Millionen Euro, abzüglich der bereits gezahlten rund vier
       Millionen.
       
       Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte
       gegenüber dem RND, es handele sich um ein „faires Angebot“. Das sei an der
       „oberen Grenzen dessen, was man heute als Opfer einer terroristischen
       Straftat bekäme.“ Genau hier liegt ein Kritikpunkt der Hinterbliebenen: Sie
       wollen eine höhere Entschädigung nach internationalen Standards. Außerdem
       fordern sie eine Öffnung aller Dokumente in den Archiven der Regierung.
       
       Ankie Spitzer zeigt sich auf taz-Anfrage empört. Die Familien der Athleten
       verhandelten nicht über Wiedergutmachungszahlungen. „Das ist Sache unserer
       Anwälte.“ Über das Angebot einer Analyse des Archivmaterials, das nun
       offenbar endlich deutschen und israelischen Expert:innen verfügbar
       gemacht werden soll, sei man hingegen sehr froh. „Ich möchte den
       Untersuchungsbericht einsehen. Das ist alles. Ich möchte wissen, was meinem
       Mann passiert ist.“ Zudem ginge es den Familien um eine „Anerkennung der
       eigenen Verantwortung und eine Entschuldigung“, dafür, dass man 50 Jahre
       lang versucht habe, Tatsachen zu vertuschen und „die Angehörigen zu
       ignorieren“.
       
       Marlene Schönberger, zuständig für die Bekämpfung von Antisemitismus und
       die Förderung jüdischen Lebens in der Grünen-Bundestagsfraktion, versteht
       die Reaktion der Angehörigen: „Der Umgang Deutschlands bei der Aufarbeitung
       dieses Attentats ist skandalös.“ Als Beispiel nennt Schönberger, dass in
       München erst 2017 ein Ort der Erinnerung an die zwölf Opfer des Anschlags
       auf die israelische Mannschaft geschaffen wurde. Es sei deshalb „ein
       wichtiges Signal, dass die aktuelle Bundesregierung eine Kurskorrektur
       vornehmen will“, sagte die Grünen-Politikerin.
       
       ## Unklarheit über Einsehbarkeit der Akten
       
       Noch immer herrscht Unklarheit darüber, ob alle Akten zu dem Attentat
       einsehbar sind und in welchen Archiven unter Verschluss gehaltene Dokumente
       aufbewahrt werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte im
       Juni mitgeteilt, dass die Akten zu dem Anschlag im Münchner Staatsarchiv
       vollständig zugänglich sind. Das Auswärtige Amt antwortete auf taz-Anfrage,
       dass alle Dokumente zu dem Fall in ihrem Politischen Archiv öffentlich
       verfügbar seien. Und das Bundesinnenministerium? Das kann auf Anfrage
       keinen Überblick geben, wo welche Akten aus den verschiedenen Abteilungen
       lagern und wie viele Dokumente zu dem Fall noch unter Verschluss sind.
       
       Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München
       und Oberbayern, hofft, dass die Bundesregierung und die Familien der Opfer
       noch „eine gute Lösung“ finden. Vor allem in den Jahren nach dem Attentat
       ist die Geiselnahme nur nebensächlich aufgearbeitet worden. „In der
       Bevölkerung ist München 72 vor allem mit seinen heiteren Momenten im
       Gedächtnis geblieben: Mark Spitz’ Medaillen, Dackel Waldi, die Stimmung im
       Olympiastadion“, sagte Knobloch der taz. Erst später sei das Attentat in
       den Fokus gerückt.
       
       In den vergangenen Tagen spürten in München wieder viele Menschen die von
       Knobloch beschriebene Stimmung. Bis Sonntag fand in der Stadt und in den
       Sportstätten von damals [3][die Europameisterschaft in neun Sportarten]
       statt: die größte Sportveranstaltung seit den Olympischen Sommerspielen
       1972. Während die Hinterbliebenen des Attentats derzeit immer noch um
       Aufklärung kämpfen, werden in der Münchner Stadtpolitik erste Stimmen laut,
       sich wieder als Ausrichtungsort für die Olympischen Spiele zu bewerben.
       
       Mitarbeit: Susanne Knaul
       
       22 Aug 2022
       
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