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       # taz.de -- Punk-Protest auf Sylt: Lieber Nachtschlaf als Demo
       
       > Das Protestcamp der Punks auf Sylt soll nicht weiter genehmigt werden.
       > Anwohner hatten sich über Lärm und In-die-Büsche-Kacken beschwert.
       
   IMG Bild: Wohlstandsverteilung infrage gestellt: Demo auf Sylt
       
       Vier Wochen lang haben Punks im Rathauspark von Westerland auf Sylt
       campiert. Vier Wochen lang haben sie gezeigt, dass nicht nur Reiche und
       Schöne ein Recht auf die Insel haben – eine Insel, die inzwischen so teuer
       ist, dass die Kellner und Zimmermädchen hier nicht wohnen können, sondern
       jeden Tag vom Festland herüberfahren müssen.
       
       Die Sehnsucht der Punks nach Westerland [1][war vom 9-Euro-Ticket befeuert
       worden] und von Schlagzeilen wie „[2][Sylt in Angst vor dem Ansturm]“.
       Zuvor hatten Inselvertreter die Befürchtung geäußert, Sylt könnte von
       Billigbahnreisenden überschwemmt werden.
       
       Das Camp wurde als Demonstration genehmigt, weil auch die Kreisverwaltung
       Nordfriesland es nachvollziehbar fand, dass man die Gentrifizierung der
       Insel problematisch finden kann. Doch nun soll Schluss sein: Ein Antrag auf
       Verlängerung wurde abgelehnt.
       
       Interessant ist die Begründung. „Wir mussten sorgsam abwägen zwischen dem
       Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und den Grundrechten der Anwohner, der
       Einwohner und der Urlaubsgäste, die durch das Protestcamp beeinträchtigt
       wurden“, sagte Kai Mintrop von der Kreisverwaltung. Anwohner und Gäste
       hätten sich beschwert. Damit hängt die Kreisverwaltung das Recht auf einen
       ungestörten Urlaub höher als das Demonstrationsrecht – ein starkes Stück,
       auch wenn sich die Leiden der Gäste bis zu einem gewissen Grad
       nachvollziehen lassen.
       
       ## „Grölen, singen, schreien, streiten“
       
       Ein Gast schilderte das so: „Meine Ferienwohnung befindet sich direkt neben
       dem Rathauspark, wo die Punks campieren. Im Alltag sieht das so aus, dass
       ich äußerst schlecht schlafe, weil es de facto überhaupt keine Nachtruhe
       gibt. Nie. Selbst bei geschlossenen Fenstern hört man jede Nacht die Punks
       grölen, singen, schreien, streiten.“ Der Schlafmangel sei zermürbend.
       
       Aus Sicht der Kreisverwaltung wird damit „das Recht auf Leben und
       körperliche Unversehrtheit“, Artikel 2 des Grundgesetzes, verletzt.
       Ebenfalls verletzt werde das Recht auf Eigentum (Artikel 14) durch Störung
       der Nachtruhe und indem die benachbarten Grundstücke als Klo benutzt worden
       seien. Beides habe die Auflagen verletzt, unter denen das Camp genehmigt
       worden sei.
       
       Wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, gebe es Grenzen dessen,
       was Anwohner an Beeinträchtigungen dulden müssten, sagte Mintrop. [3][Die
       Punks hätten „ihre Anliegen vier Wochen lang in der Öffentlichkeit
       vertreten]“, viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und damit ihr Grundrecht
       verwirklicht. Den Anwohnern und Urlaubern seien keine weiteren Eingriffe in
       ihre Grundrechte mehr zuzumuten.
       
       [4][FaulenzA, eine der Camp-Teilnehmerinnen vermutet etwas anderes]: „Sie
       haben hier nicht mehr ihren Reichen-Safe-Space, an dem sie die Armen nicht
       sehen müssen“, sagte sie der taz. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich
       mehr normale Leute hierher trauen, dass es bunter und gemischter wird.“
       
       Ob die Verwaltung damit durchkommt, den Nachtschlaf höher zu bewerten als
       die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, ist noch
       nicht ausgemacht. Denn die Punks haben Widerspruch eingelegt und damit den
       Rechtsweg beschritten – der steht jedem offen und ist auch ein Grundrecht.
       
       2 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Podcast-Bundestalk/!5869666
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       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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