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       # taz.de -- Ströbele, Gorbatschow und der RBB: Lästiges Entwuchtungspaket
       
       > Eine Woche voller Abschiede. Rentner und Studierende bekommen, was
       > anderen längst versprochen ist. Und: der Verteidigungsmechanismus des
       > RBB.
       
   IMG Bild: Chuck Norris der Rechtschaffenheit: Hans-Christian Ströbele
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: [1][9-Euro-Ticket futsch].
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Wieder mehr Schwarzfahrer.
       
       Die taz trauert um [2][Mitbegründer Hans-Christian Ströbele]. [3][„Integer
       bis in die Haarspitzen“, schreiben die Kolleg*innen]. Möchten Sie etwas
       hinzufügen? 
       
       Hat das Leben schon: Er kam stets circa im bereits laufenden Vorspann ins
       TV-Studio, Maske brauche er nicht, und kein Auto hinterher, er sei ja mit
       dem Rad. Einmal erklärte er, dann doch verspätet: Fahrrad geklaut. Paar
       Tage drauf: Es sei als das Ströbele-Rad erkannt worden, man habe es ihm
       zurückgebracht. Das Aufregungsgewerbe TV wies er durch schiere Gegenwart in
       Schranken, und im tragbaren Dorf rings um ihn strahlte er so viel
       Zuversicht auf Anstand aus, dass der mitunter eintrat. Daran war nichts
       Pastorales, eher der Chuck Norris der Rechtschaffenheit.
       
       [4][Putin am Sarg von Michail Gorbatschow]. Was war Ihr erster Gedanke bei
       diesem Bild? 
       
       Vertane Chance: Da fehlen alle, die keinen besseren Vorwand bekommen
       könnten als diesen, Putin auf ein paar Sätze zur Seite zu nehmen. In Putins
       Erzählung über Putin ist das Bild schlüssig: Als anständiger Staatschef
       erweist man auch einem gescheiterten und in Misskredit gefallenen Vorgänger
       die Ehre. Mehr auch nicht, Beerdigung macht er blau, wäre unpopulär. Sollte
       Gorbatschow gehofft haben: „Friedensgespräche? Nur über meine Leiche!“, ist
       auch das schiefgegangen.
       
       Noch immer keine Nachfolge [5][beim RBB]. Gilt hier: „Was lange währt, wird
       endlich gut“? 
       
       Die Seegurke erwehrt sich ihrer Gegner, indem sie im Verteidigungsfall ihr
       Gedärm nach außen stülpt. Aber man kann’s auch übertreiben mit „Bloß nicht
       langweilen“. Der Gremieninfarkt lädt zu gründlicherer Aufarbeitung ein,
       eine neue Nase allein wird’s nicht richten. Im Rundfunkrat ist zwischen
       Bauernvertreter und Sorbin vom Dienst kein Stimmrecht für den Personalrat,
       der nur „beraten“ darf. Der RedakteurInnenausschuss, der den Journalismus
       gegen Übergriffe verteidigt – darf gar nicht rein. Diese Gremien sind so
       mitbestimmt wie sagenwirmal die katholische Kirche. Aber die darf ja rein.
       
       [6][Viele Lufthansa-Pilot*innen streiken]. Diesmal mit Erfolg? 
       
       Je höher die PilotInnen abschließen, desto dringlicher wird Lufthansa neben
       seiner Günstigtochter Eurowings eine zweite, bereits geplante „Cityline2“
       forcieren. Der Tarifkampf kann also aus Gutverdienern Besserverdiener
       machen und dafür drunter neue Holzklassen von Minderpiloten schaffen. Die
       knüppeln dann Kerosinhüpfer von Frankfurt nach Hamburg und Köln nach
       München. Klimapolitischer Grusel. In der Pandemie war Lufthansa zu 20
       Prozent beim Staat notgelandet. Der hat am Wiederverkauf solide verdient,
       schön. Doch mit noch knapp unter 10 Prozent hat er offenbar zu wenig Macht,
       faire Gehälter und vernünftige Routen durchzusetzen. Dieser böse Staat aber
       auch immer.
       
       [7][US-Präsident Joe Biden wirft dem Trump-Lager Extremismus vor.] Wünschen
       Sie sich ein bisschen mehr dieser Aggressivität auch von Kanzler Scholz? 
       
       Gegen Friedrich Merz? Eben fuhr ich durchs Sauerland, die junge Blüte der
       Region trug Schützenuniform und Ballkleid zum Kirchgang, das sah nicht nach
       Sturm auf den Reichstag aus. Merz wirkt noch stets wie der
       Interimsintendant der CDU, da ist jede Polemik vergeudet. Das rhetorische
       Naturschutzgebiet Habeck würde durch jeden Angriff gestärkt, und Christian
       Lindner sieht sich am Maximum seiner Karriere. Viele wählten Scholz, weil
       er das merkelste war, was im Regal lag – daran hält er mit einigem Recht
       fest.
       
       Wie „wuchtig“ ist das Entlastungspaket der Regierung? 
       
       Eigentlich ist es eher ein lästiges Entwuchtungspaket, weil die ersten
       beiden Rentner, Studierende, Grundsicherer und andere benachteiligt haben.
       Zudem schmeckt die Anhebung bei Kindergeld um 18 Euro und Hartz IV um gut
       50 Euro eher nach einem Inflationsausgleich und also dem, was überfällig
       war. Wuchtig sind die Schulden: Neben Corona- und Militärsondervermögen
       lastet sich der Bund weitere 60 Milliarden auf. Die bestehen derzeit aus
       Einsparungen, Schätzungen und dann doch einer Windfall Tax, einer
       „Zufallsgewinnsteuer“ auf Energieunternehmen. Überschuldung, eine gemogelte
       „schwarze Null“ und neue Steuern: Nachts hört man über dem
       Finanzministerium Christian Lindner wehmütige Melodien summen. Na,
       Hauptsache, Summen.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Hahaha. Freiburg Tabellenführer! Die Vorstellung, was Bayern darüber denkt,
       ist fast schöner als selbst Erster zu sein.
       
       Fragen: Larena Klöckner
       
       4 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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