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       # taz.de -- Britney Spears, Amber Heard und wir: Popkultursoziologie muss sein
       
       > Celebrity-Kultur und Gossip müssen ernst genommen werden. Denn sie zeigen
       > uns, wo wir gesellschaftlich stehen.
       
   IMG Bild: Die Story von Britney Spears ist außergewöhnlich, sie hilft gegen das Gefühl von Verlorensein
       
       Popkultur, gerade Celebrity-Kultur, hat bei vielen Menschen einen
       schlechten Ruf. Sie wird von oben herab betrachtet, nicht ernst genommen,
       in Klatschmagazine verfrachtet. Ich halte dagegen. Denn ich glaube, dass
       man daran sehr viele gesellschaftliche Entwicklungen feststellen kann, sei
       es nun, wie sich Stars zu gewissen Themen verhalten, oder aber wie wir als
       Gesellschaft darauf reagieren. Popkultursoziologie sozusagen, ein Wort, das
       bisher noch nicht existiert, das es aber unbedingt geben müsste.
       
       Ein sehr gutes Beispiel dafür ist [1][der Heard/Depp-Gerichtsprozess]. In
       den Jahren zuvor hatte eine Art gesellschaftliche Läuterung eingesetzt,
       viele hatten sich geschworen, Frauen in der Öffentlichkeit nicht mehr so zu
       behandeln wie unter anderem Britney Spears, Paris Hilton und Monica
       Lewinsky, die in den neunziger und nuller Jahren zur Zielscheibe weltweiter
       Häme wurden. Die kollektive Verspottung Amber Heards hat uns aber gezeigt:
       Wir sind gesellschaftlich noch lange nicht so progressiv und feministisch,
       wie viele geglaubt haben, zwanzig Jahre später wiederholen wir die gleichen
       Fehler. Als Fußnote sei angemerkt: Auch wenn sie Heards Aussagen über die
       physische und psychische Gewalt, die sie durch Johnny Depp erleiden musste,
       nicht glauben wollten, so haben dennoch all diejenigen, die sich auf TikTok
       und anderen Medien über Heard lustig machten, ignoriert, dass ihren Spott
       nichtberühmte Menschen hören würden, die sexualisierte und häusliche Gewalt
       erleben.
       
       In meiner Kolumne wird es aber noch sehr oft um toxische und gewalttätige
       Menschen, vor allem Männer, gehen, darunter Marilyn Manson, Shia LaBeouf,
       Ezra Miller und Brad Pitt (ja, auch er). Deswegen möchte ich diese erste
       Ausgabe von „Gossip Girl“ mit einer positiven Note beenden. Denn Stars und
       Popkultur lassen sich nicht nur soziologisch analysieren, sie können
       außerdem Trost spenden – eine für viele Leute nicht zu verachtende
       Funktion.
       
       Vor einer Woche veröffentlichte [2][Britney Spears] eine 22 Minuten lange
       Aufnahme, in der sie über den Schmerz und die Demütigung während der
       Vormundschaft ihres Vaters sprach. Sie schloss mit den Worten: „Wenn du so
       ein introvertierter komischer Vogel bist wie ich, der sich oft allein
       fühlt, und du heute eine Geschichte wie diese hören musstest, damit du
       nicht einsam bist, wisse dies: Mein Leben war alles andere als einfach, und
       du bist nicht allein.“ Und trotz Britneys außergewöhnlichen, nicht mit der
       von anderen Personen vergleichbaren Story – zu wissen, dass sich selbst die
       reichsten und berühmtesten Stars der Welt wie „normale“ Menschen einsam und
       verloren fühlen, kann helfen.
       
       Da aber Celebrity-Kultur mitunter messy ist, ist es mir leider nicht
       möglich, mit feierlichen Worten zu enden. Nur rund eine Stunde, nachdem sie
       ihre Rede hochgeladen hatte, löschte Britney Spears diese wieder,
       mutmaßlich, weil sie sich es anders überlegt hat. Auch Promis können
       unsicher sein – eben genau wie wir.
       
       6 Sep 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Isabella Caldart
       
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