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       # taz.de -- Queere Jugendberatung in Köln: Trotz Bedarf vor dem Aus
       
       > Seit 2020 bietet anyway eine queere Jugendberatung in Köln an. Nun fehlen
       > der Stadt Gelder für die Finanzierung des Vereins. Ein Ortsbesuch.
       
   IMG Bild: Ungefähr 400 Menschen haben für den Erhalt des Jugendzentrums protestiert
       
       Köln taz | Vor dem Rathaus in Köln ist Protest. Verzerrt knattert die Frage
       aus den Lautsprecherboxen, die alle hier umtreibt: „Versprecht ihr uns,
       dass ihr die Jugendberatungsstelle des anyway nicht streichen werdet?“
       Gestellt hat sie ein ehrenamtlicher Mitarbeiter von Europas erstem queeren
       Jugendzentrum, dem anyway e. V. Seit 2020 bietet es eine queere
       Jugendberatung an. Doch im Haushaltsentwurf der Stadt Köln fehlen die
       Gelder, die diese Stelle finanzieren, und damit steht sie vor dem Aus.
       Ungefähr 400 Menschen sind an diesem warmen Dienstagabend da. Auf der Bühne
       stehen drei Abgeordnete aus dem Kölner Ratsbündnis (Grüne/CDU/Volt), um
       Antworten zu geben.
       
       Doch sie tun sich schwer. „Wir können versprechen, dass wir alles Mögliche
       tun“, sagt Florian Weber (CDU) und erntet vereinzelte Buhrufe. Zu wenig für
       die Protestierenden. Man hoffe, das sei ein Missverständnis, das man
       „ausbügeln“ könne, und sei selber „entsetzt“ gewesen. Verhaltener Applaus,
       die Protestierenden bleiben skeptisch. Denn obwohl die Beratungsmöglichkeit
       für Jugendliche erst seit 2020 existiert, hat sie hier einen hohen
       Stellenwert. Max-Liam (20) aus Köln erzählt, dass die Beratung im anyway
       für seinen [1][Prozess bis zum Outing als trans] eine zentrale Rolle
       gespielt hat.
       
       „Es gibt so viele trans Jugendliche, die keinen Therapieplatz haben und von
       den Eltern keinen Support erwarten können“, sagt er, „die aber mit jemandem
       reden müssen. Wenn diese Stelle gestrichen wird, sind sie komplett auf sich
       alleine gestellt“. Der Bedarf scheint da: Bis einschließlich August hat das
       anyway mit der Beratungsstelle laut eigenen Angaben in diesem Jahr 600
       Beratungskontakte gehabt, insgesamt mit offenen Angeboten und anderem etwa
       4.000 Jugendliche erreicht.
       
       Die Nachricht von der fehlenden Förderung fiel ungefähr zusammen mit der
       [2][vom Tod des trans Manns Malte], der am Rande des CSD in Münster
       zusammengeschlagen worden war. Die Demo für das anyway in Köln ist für
       viele bereits die zweite Veranstaltung an diesem Tag – nach der Mahnwache
       für Malte auf der Domplatte zwei Stunden früher. Viele dort sind
       fassungslos über die fehlende Förderung, wie zum Beispiel der trans Mann
       Yohan (23): „Dass direkt nach so einer Tat und [3][immer offener werdender
       Transfeindlichkeit] jungen Leuten die Möglichkeit genommen wird, sichere
       Räume zu haben und für andere zu schaffen, finde ich eine absolute
       Schande.“
       
       ## Überraschende Entscheidung
       
       Die Entscheidung kommt überraschend. Die Kölner Stadtregierung aus Grünen,
       CDU und Volt hatte eigentlich kürzlich noch versprochen, die Arbeit des
       anyway zu stärken. Eigentlich ist das anyway chronisch unterfinanziert,
       143.000 Euro im Jahr fehlen, für Buchhaltung, Geschäftsführung, all das
       wird ehrenamtlich aufgefangen. Die Verhandlungen über mehr Geld von der
       Stadt sahen eigentlich vielversprechend aus, heißt es aus dem Umfeld des
       Jugendzentrums. Dass es jetzt nicht mehr, sondern weniger Geld geben soll,
       ist auch für das Ratsbündnis eine Überraschung.
       
       Das liegt daran, dass der Haushaltsentwurf in der Kölner Verwaltung
       erstellt wird, bevor der Rat darüber entscheidet. Betroffen von massiven
       Kürzungen ist aktuell nicht allein das anyway: Im gesamten Jugendbereich
       fehlen über 900.000 Euro. Bis der Haushalt im November verabschiedet werden
       kann, werden noch viele politische Kämpfchen ausgetragen werden.
       Oberbürgermeisterin Henriette Reker schreibt auf Anfrage der taz: „Ich bin
       allen, die sich im anyway e. V. für die Hilfe und Beratung von queeren
       jungen Menschen einsetzen, dankbar für ihr Engagement. Der anyway e. V.
       leistet damit wertvolle Arbeit in der queeren Community in Köln.“
       
       ## Verhalten-positive Stimmung
       
       Doch sie äußert sich nicht konkret zur Zukunft der Beratungsstelle. „Ich
       bin sicher, dass im Rahmen der politischen Beratung des Haushalts eine
       zufriedenstellende Lösung für das anyway gefunden wird“, schreibt dagegen
       Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung.
       
       Auch die drei Abgeordneten, die sich dem Protest stellen, versuchen, diese
       verhalten-positive Stimmung zu transportieren. „Wir können euch nichts
       versprechen, aber ihr könnt uns an unserem Bündnisvertrag messen“, sagt
       Manuel Jeschka (Volt). Und im Bündnisvertrag steht, man werde das queere
       Jugendzentrum anyway stärken. Der Applaus der Protestierenden ist höflich,
       doch so richtig überzeugt ist man hier noch nicht.
       
       9 Sep 2022
       
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