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       # taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Unheimliche Stimmen
       
       > Das Brodeln des Jazz, gut gealterte Neue Musik und erweiterte
       > Spieltechniken stehen diese Woche auf dem Programm.
       
   IMG Bild: Die Vokalkünstlerin Maja S. K. Ratkje tritt am Wochenende im Kiezsalon in der MaHalla auf
       
       Unter der Revolution geht es heutzutage anscheinend nicht. Ob es die in der
       Musik in nennenswertem Maße derzeit überhaupt gibt oder nicht vielmehr das
       Drehmoment zu gering oder einfach zu viele Künstler in ihrem eigenen Ding
       kreisen, um eine kritische Masse zu bilden, ist eine andere Frage. Wenn das
       zweitägige Festival [1][Bitches Brew], das am Freitag (26. 8.) im Gretchen
       beginnt, seinem Publikum einige „Revoluzzer*innen der heutigen deutschen
       Jazzszene“ verspricht, kann man das in etwa übersetzen in „Musiker, die
       interessante Sachen machen oder ausprobieren“.
       
       So zum Beispiel die Perkussionistin Taiko Saito, die am Freitag mit ihrem
       Projekt Taiko Saito Dada Rhythmé in einer Besetzung ausschließlich mit
       Schlaginstrumenten antritt. Neben Saito an der Marimba sind Evi Filippou am
       Vibrafon und Moritz Baumgärtner am Schlagzeug zu erleben. Für einen ins
       elektronische Fach anschlussfähigen offenen Jazz steht andererseits das Duo
       Training des Saxofonisten Johannes Schleiermacher und des Schlagzeugers Max
       Andrzejewski, die ihre Übungseinheiten am Sonnabend (27. 8.) abhalten
       werden. Und das ist gerade mal ein Drittel des Festivalprogramms (26.-27.
       8., Obentrautstr. 19-21 Uhr, 21 Uhr, Einzelticket: VVK 15/18€, AK 20€,
       www.gretchen-club.de).
       
       Am Sonnabend (27. 8.) beginnt dann das [2][Musikfest Berlin], wobei die
       eigentliche Eröffnung mit großem Orchester, wie es sich für ein
       Orchesterfestival gehört, am Sonntag ist. Der Vorabend ist in der Regel
       kammermusikalischen Besetzungen vorbehalten, hier kann man sich langsam auf
       den großen Wumms einstimmen. Musikalisch wuchtig oder zumindest gewichtig
       ist aber auch das Programm des Konzerts mit dem Geiger Ilya Gringolts, dem
       Bratschisten Lawrence Power und dem Cellisten Nicolas Altstaedt.
       
       Von Wolfgang Rihm ist dessen „Musik für drei Streicher“ aus dem Jahr 1977
       zu hören, die seinerzeit als Affront verstanden wurde, erteilte Rihm doch
       den Avantgarde-Konventionen und dem vorherrschenden Fortschrittsdenken eine
       klare Absage, wurde gar als „Romantiker“ gescholten. Heute hört sich seine
       Musik anders an, Rihms subjektiver Ansatz hat sich gut gehalten. Ebenso die
       Zwölftonmusik von Arnold Schönberg, dessen Streichtrio erklingen wird.
       Schönberg komponierte das Werk 1946, nachdem er einen Herzanfall erlitten
       hatte und reanimiert worden war. Die Nähe des Todes übersetzte er in
       verdichtete Dringlichkeit. Von wegen reine Kopfmusik (Philharmonie,
       Herbert-von-Karajan-Str. 1, 19 Uhr, 15-45 €).
       
       ## Dynamische Klangschichten
       
       Um die Auswahl etwas zu erschweren: Am Sonnabend (27. 8.) gibt es obendrein
       einen Kiezsalon in der [3][MaHalla]. Auf der Bühne zu erwarten ist etwa die
       Sängerin Maja S. K. Ratkje, deren Künste sich sehr allgemein mit
       „erweiterter Vokaltechnik“ beschreiben lassen, was bei ihr schon mal
       unheimliche Dimensionen annehmen kann. Ebenfalls kein Verächter des
       Unheimlichen ist der Brite Alexander Tucker, der sein neues Projekt
       Microcorps vorstellt, in dem auch er die Möglichkeiten der Stimme, vor
       allem in elektronisch bearbeiteter Form, erkundet, kombiniert mit Cello und
       Elektronik.
       
       Ein Albumdebüt steht zudem mit Dylan Peirces „Pindrops“ an, der seine
       rhythmisch dynamischen Klangschichten vorstellen wird. Seine Platte
       erscheint auf dem Label [4][Digital in Berlin], mit dem der Veranstalter
       des Abends, Digital in Berlin, zugleich seinen Einstand im Tonträgerwesen
       begeht. LOUFR, das Soloprojekt des Musikers Piotr Bednarczyk, steuert mit
       Abstraktionen von Clubmusik die zweite Veröffentlichung im Labelkatalog bei
       (Wilhelminenhofstr. 76, 19 Uhr, 22,58€, Tickets:
       [5][https://www.eventbrite.de]).
       
       26 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://gretchen-club.tickets.de/de/event/1007193-bitches_brew_the_festival_day_1
   DIR [2] https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html?etcc_med=SEA&etcc_par=Google&etcc_cmp=BER_SEA_MFB22_brand&etcc_grp=138045609285&etcc_bky=musikfest%20berlin&etcc_mty=e&etcc_plc=&etcc_ctv=614142577174&etcc_bde=c&etcc_var=CjwKCAjwu5yYBhAjEiwAKXk_eEnlSYCxhMRQ-dXzwjOOPZMJpJXqNg_yuuXajy81sk5Ck3icpaUCsxoCb1YQAvD_BwE
   DIR [3] https://www.mahalla.berlin/
   DIR [4] https://www.digitalinberlin.de/label/
   DIR [5] https://www.eventbrite.de/e/kiezsalon-w-microcorps-maja-ratkje-dylan-peirce-and-loufr-tickets-295260340627?aff=ebdsoporgprofile
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tim Caspar Boehme
       
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