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       # taz.de -- 9-Euro-Nachfolgeticket: Freie Fahrt für 29 Euro
       
       > Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg nickt die Pläne des rot-grün-roten
       > Senats ab. Das Ticket soll nur im Abo möglich sein und im Oktober
       > starten.
       
   IMG Bild: Regierungschefin Giffey (links) und Senatorin Jarasch zeigten sich zufrieden mit der VBB-Sitzung
       
       Berlin taz | Das 9-Euro-Nachfolgeticket kommt – für 29 Euro monatlich im
       Abonnement bis Dezember und nur fürs Berliner Stadtgebiet. Nach Klärung im
       rot-grün-roten Senat am Dienstag und grünem Licht im Abgeordnetenhaus einen
       Tag später hat am Donnerstagmittag der Aufsichtsrat des
       [1][Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB)] den Ticket-Plan abgenickt,
       auch wenn ein formaler Beschluss noch aussteht. 105 Millionen Euro aus dem
       Berliner Landeshaushalt kostet es, um den sogenannten Erlösschaden der
       beteiligten Verkehrsunternehmen auszugleichen. Verkehrssenatorin Bettina
       Jarasch (Grüne) erwartet 900.000 Nutzer.
       
       Die Sitzung des VBB-Aufsichtsgremiums, in dem die Landesregierungen,
       Landkreise und Kommunen vertreten sind, war mit Spannung erwartet worden.
       Denn ohne dessen Zustimmung wäre nichts geworden aus den Plänen der
       rot-grün-roten Koalition – das Gremium hat auch bei rein Berliner
       Ticketfragen das letzte Wort. Führende Vertreter der Brandenburger
       Regierungsparteien SPD und CDU, aber auch Vertreter der Landkreise hatten
       sich brüskiert gegenüber dem gezeigt, was sie als Berliner Alleingang
       empfanden.
       
       Bei ihnen galt es als voreilig und überstürzt, ein eigenes Ticket
       anzubieten, bevor ein bundesweit einheitlicher Fahrschein auf den Markt
       kommt. Den hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) [2][für Anfang
       2023 in Aussicht gestellt].
       
       Am Ende war alles viel nüchterner als erwartet. Die Mitglieder des
       Aufsichtsrats gingen nicht etwa wortwörtlich in der VBB-Zentrale gegenüber
       vom Ostbahnhof in Klausur, um nach stundenlangen heftigen Beratungen –
       bildlich gesprochen – weißen Rauch als Zeichen einer Einigung aufsteigen zu
       lassen. Funktional per Videokonferenz winkte das Gremium durch, worauf sich
       der rot-grün-rote Senat zuvor geeinigt hatte.
       
       Weil Berlin laut Senat ohne eine Abo-Gestaltung aus einem Rettungsschirm
       des Bundes für den Nahverkehr gefallen wäre, gibt es das neue Ticket weder
       einzeln monatsweise noch am Automaten zu kaufen. Wer es haben will, muss
       ein dauerhaftes Abonnement abschließen. Das soll sich nach Ablauf der drei
       Monate Ende Dezember kündigen lassen. Wer nicht kündigt, bleibt Abonnent
       und muss sich entscheiden zwischen dem bisher geltenden Umweltticket, das
       bei jährlicher Zahlweise 63,42 Euro kostet, und dem angestrebten bundesweit
       gültigen Ticket.
       
       ## Landrat wollte erst Sitzung verhindern
       
       So sah es eine Vorlage der Verwaltung von Senatorin Jarasch für den
       Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses vor. Der hatte am Mittwoch,
       vorbehaltlich der VBB-Zustimmung, jene 105 Millionen freigegeben, die
       Einnahmeausfälle durch das Günstigticket wettmachen sollen.
       
       Am frühen Mittwochmorgen hatte es so ausgesehen, als würde die
       Sondersitzung des Aufsichtsgremiums ausfallen. Denn der Landrat von
       Märkisch-Oderland, ein SPD-Mann, hatte Einspruch gegen eine Sitzung
       eingelegt. Regierungschefin Franziska Giffey hängte sich dem Vernehmen nach
       daraufhin ans Telefon und überzeugte ihren Parteifreund, sein Veto
       zurückzuziehen.
       
       Entscheidend für die Zustimmung der Brandenburger war offenbar, dass sie
       sich an den entstehenden Kosten nicht beteiligen müssen – und nur der
       Brüskierung wegen das 29-Euro-Ticket aufzuhalten, war dann doch nicht
       angesagt. Das bedeutete jedoch nicht, dass die Brandenburger Politik sich
       nun für das Ticket begeistern würde.
       
       Der CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, Jan Redmann, machte
       deutlich, dass man die Sache weiter kritisch sehe. „Wir halten das
       29-Euro-Ticket für falsch“, sagt er im RBB-Inforadio. „Wir halten auch das
       Vorgehen Berlins zu diesem Zeitpunkt für falsch, weil sich ja gerade alle
       Bundesländer mit dem Bund darüber unterhalten, wie eine Nachfolgeregelung
       aussehen könnte.“ Erstmal müsse man den Menschen auf dem Land ein Angebot
       machen, sagte der CDU-Politiker. Aber wenn Berlin gerade zur Verfügung
       stehendes Geld „sofort als Wahlkampfgeschenk verfrühstücken möchte, dann
       wird am Ende Brandenburg das auch nicht verhindern“.
       
       ## Giffey: 365-Euro-Ticket „langfristiges Ziel“
       
       Giffey und Jarasch kommentierten die Zustimmung des VBB-Aufsichtrat in
       einer kurzen Stellungnahme vor dem Roten Rathaus. Giffey sieht durch das
       Ticket eine konkrete Entlastung von Hunderttausenden in Berlin. Sie deutete
       an, dass das jetzt beschlossene Ticket in ein seit Längerem von der SPD
       gefordertes 365-Euro-Ticket münden könnte: „Unser langfristiges Ziel bleibt
       ein dauerhaftes, gutes Angebot, mit dem Berlinerinnen und Berliner für
       nicht mehr als einen Euro am Tag unterwegs sein können.“
       
       Jarasch räumte zwischenzeitliche Schwierigkeiten ein – „Das war keine
       einfache Geburt“. Aus ihrer Sicht hat das Ticket sowohl soziale wie
       verkehrspolitische Bedeutung, weil der Senat Mobilität ermögliche. Am
       Mittwoch im Hauptausschuss des Parlaments hatte Jarasch sinngemäß gesagt,
       dass das Ticket sich nur dann auf den Verkehr auswirke, wenn man es
       dauerhaft anbiete, akut aber für Entlastung im Portemonnaie sorge.
       
       Die Linkspartei wiederholte nach der VBB-Sitzung ihre schon im Ausschuss
       erhobene Forderung, schnellstmöglich [3][den Preis für das Sozialticket]
       für Menschen mit sehr wenig Geld abzusenken. Das liegt mit 27,50 Euro jetzt
       nur noch knapp unter dem für alle zugänglichen 29-Euro-Ticket. Auch die FDP
       hatte vor diesem Hintergrund in Frage gestellt, dass es sich um eine
       zielgenaue Entlastung handelt.
       
       15 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.vbb.de/der-vbb/ueber-uns/
   DIR [2] /Verkehrsminister-ueber-9-Euro-Ticket/!5878935
   DIR [3] https://www.bvg.de/de/tickets-und-tarife/alle-tickets/zeitkarten/berlin-ticket-s
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
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