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       # taz.de -- Internationales Literaturfestival Berlin: Ausbeutung zwischen den Zeilen
       
       > Angestellte des Literaturfestivals beklagen schlechte Arbeitsbedingungen
       > und Machtmissbrauch durch den Leiter. Der verspricht Änderungen.
       
   IMG Bild: Sein Führungsstil soll aggressiv und respektlos sein: Festivalleiter Ulrich Schreiber
       
       Berlin taz | Es sind schwere Vorwürfe, die Mitarbeiter*innen des noch
       bis Samstag in Berlin stattfindenden [1][internationalen
       Literaturfestivals] gegen den Leiter Ulrich Schreiber erheben: Von
       „Machtmissbrauch“ ist die Rede, einem „toxischen Arbeitsklima“ und
       Drohungen gegenüber Untergebenen.
       
       In einer E-Mail an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne),
       Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und den Träger des renommierten
       Festivals, die Peter-Weiss-Stiftung, die der taz vorliegt, beklagen die
       Mitarbeiter*innen, dass der Führungsstil von Schreiber „in einem nicht
       akzeptablen Maß“ von „Aggressivität, Respektlosigkeit, Misstrauen und
       Unprofessionalität“ geprägt ist.
       
       Die Unterzeichner*innen sehen gar die „psychische und physische
       Gesundheit“ der Festival-Mitarbeitenden „in akuter Gefahr“: So sollen die
       Missstände bei Angestellten zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit,
       Herzrhythmusstörungen und Zusammenbrüchen geführt haben.
       
       Das internationale Literaturfestival Berlin (ilb), bei dem rund 200
       Autor*innen ihre Werke vorstellen – darunter prominente
       Schriftsteller*innen wie Margaret Atwood und Nobelpreisträger
       Abdulrazak Gurnah – findet seit dem 7. September in der Hauptstadt statt.
       Der Gründer und Direktor Ulrich Schreiber bezeichnete es zur Eröffnung als
       „das politischste“ aller großen Literaturfestivals. Dass er selbst zum
       Politikum wird, hatte er dabei wohl nicht im Sinn.
       
       ## Wutausbrüche an der Tagesordnung
       
       Zahlreiche langjährige Mitarbeiter*innen berichten der taz von
       „furchtbaren“ und „unhaltbaren“ Zuständen im Umgang Schreibers mit seinen
       Angestellten – und das bereits seit vielen Jahren. Wutausbrüche seien an
       der Tagesordnung, ebenso wie Kündigungsandrohungen. Bereits im April hätten
       sie diese in einem Dossier gesammelt und intern bekannt gemacht.
       
       Weil daraufhin nichts passierte, wendeten sie sich Ende August mit der
       Bitte um Unterstützung an die Politik. „Machtmissbrauch in Form von
       direktem Anschreien, lautem, aggressivem, drohendem Umgangston“, „Abwerten,
       Bloßstellen und Ignorieren von Mitarbeiter*innen“ sowie ein „dauerhaft
       deutlich zu hohes, meist bis zum äußersten ausgereiztes Arbeitspensum in
       viel zu wenigen Arbeitsstunden“, lauten unter anderem die Vorwürfe.
       
       Der 71-jährige Schreiber räumt gegenüber der taz ein, dass es mit Teilen
       des Teams Auseinandersetzungen über die Arbeitskultur gebe. So sei er in
       der Vergangenheit während des Festivals ab und an „etwas ungehalten
       gewesen“ und habe „hin und wieder mal die Stimme gegenüber Mitarbeitern
       erhoben“, wenn es zu Konflikten gekommen sei. Auch habe er dabei
       möglicherweise erwähnt, dass es ja auch noch andere Jobs gebe – als Drohung
       will er das aber nicht verstanden wissen. „Das Bild, das da von mir
       gezeichnet wird, trifft nicht zu“, sagt Schreiber.
       
       Hauptförderer des Festivals sind der Hauptstadtkulturfonds, das Auswärtige
       Amt und die Heinrich-Böll-Stiftung. Auf taz-Anfrage bestätigen die
       Senatskulturverwaltung und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
       und Medien (BKM), dass ihnen die Vorwürfe bekannt seien und man
       „unverzüglich Gespräche mit allen Beteiligten“ geführt habe.
       
       ## Strukturelle Veränderungen geplant
       
       Bund und Land wollen nach dem Festival Gespräche darüber führen, „wie die
       Strukturen und Abläufe“ neu organisiert werden können, dass diese „auch in
       Zeiten größter Betriebsamkeit nicht zu extremen Arbeitsbelastungen führen“,
       sagt ein Sprecher der Senatskulturverwaltung der taz. Man wolle auch den
       Vorwurf prekärer Arbeitsverhältnisse prüfen – bei dem Festival sollen mehr
       als 40 Personen nur ehrenamtlich arbeiten.
       
       Ob das den Mitarbeiter*innen reicht, ist fraglich. „Wir sind fest
       davon überzeugt, dass ein solcher Führungsstil der Vergangenheit angehören
       muss“, schreiben sie und fordern eine personelle Neuaufstellung. Die
       schließt Schreiber gegenüber der taz jedoch explizit aus. „Wir ziehen jetzt
       erst einmal das Festival durch, danach wird es strukturelle Veränderungen
       geben“, verspricht er. Damit meint er aber vor allem die Größe des
       Festivals. „Es wird verkleinert“, sagt Schreiber.
       
       16 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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