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       # taz.de -- „Konzertierte Aktion“ der Regierung: Viele warme Worte, nichts Neues
       
       > Das zweite Treffen der Konzertierten Aktion bringt keine greifbaren
       > Ergebnisse. Gewerkschaften und Arbeitgeber fordern mehr.
       
   IMG Bild: Freuen sich auf's nächste Treffen: DGB-Chefin Fahimi, Kanzler Scholz und Arbeitgeberpräsident Dulger
       
       Berlin taz | Schon wieder: „You’ll never walk alone.“ Unzählige Male hat
       Olaf Scholz in den vergangenen Wochen diesen alten, einer Fußballhymne
       entliehenen Satz bemüht. Und auch bei der Pressekonferenz im Anschluss an
       das zweite Treffen der Konzertierten Aktion am Donnerstagnachmittag wollte
       er nicht auf ihn verzichten. Auch ansonsten fiel ihm nichts Neues ein.
       
       Das Gespräch mit Vertreter:innen von Gewerkschaften und Wirtschaft im
       Bundeskanzleramt endete ohne greifbare Ergebnisse. Scholz beschränkte sich
       vielmehr darauf, ihnen die einzelnen Punkte des bereits [1][Anfang
       September vorgestellten dritten Entlastungspakets] der Regierung zu
       erläutern.
       
       Ausdrücklich erwähnte er dabei eine Maßnahme, von der sich die
       Ampelkoalition verspricht, dass sie Einfluss auf die laufenden
       Tarifverhandlungen hat: „Ich habe den Tarifpartnern das Angebot
       unterbreitet, zusätzliche Zahlungen bis zu 3.000 Euro von Steuern und
       Abgaben zu befreien, wenn dadurch mit einer solchen Zahlung die
       Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser durch die Krise kommen können“,
       sagte Scholz.
       
       Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und der Arbeitgeberpräsident Rainer
       Dulger, die gemeinsam mit Scholz vor die Presse traten, reagierten
       freundlich, aber reserviert. „Dazu werden wir mit den Arbeitgebern ins
       Gespräch kommen und praxisgerechte Lösungen finden“, sagte Fahimi.
       Steuerfreie Einmalzahlungen an die Beschäftigten seien zwar positiv,
       könnten aber nur zusätzlich zu den Lohnerhöhungen sein, die bei den
       Tarifverhandlungen ausgehandelt werden.
       
       Dulger wies demgegenüber darauf hin, dass nicht alle Betriebe solche
       Einmalzahlungen leisten könnten. „Viele Betriebe stehen gerade am
       wirtschaftlichen Abgrund“, sagte er. Deswegen sei es gut, dass diese
       Zahlungen freiwillig und flexibel wären.
       
       ## Gewerkschaften und Arbeitgeber fordern mehr Entlastungen
       
       Beide forderten weitergehende Entlastungen. Fahimi forderte schnelle
       Entscheidungen, die auch noch in diesem Jahr wirken, um eine Pleitewelle,
       Strukturbrüche und Beschäftigungsverluste zu verhindern. „Die Dynamik der
       Probleme und Herausforderungen, sie überholt uns“, sagte die DGB-Chefin.
       Sie forderte eine Deckelung sowohl des Strom- als auch des Gaspreises. Auch
       Dulger sagte: „Die Energiekosten sind hier der zentrale Hebel.“
       
       Wie im 3. Entlastungspaket vereinbart, soll nun eine Expertenkommission im
       Oktober Vorschläge zu den Kosten für Wärme und zum Gaspreis machen.
       Geleitet werden soll sie von Industrie-Präsident Siegfried Russwurm, der
       Wirtschaftsweisen und Energieexpertin Veronika Grimm und Michael
       Vassiliadis, dem Chef der Gewerkschaft IG BCE. Als „schnell umsetzbar“
       stufte Scholz die von der Koalition geplante Strompreisbremse ein.
       
       Fahimi forderte darüber hinaus, es müsse es eine weitere
       Energiepreispauschale von 500 Euro für die Bürger:innen geben, plus 100
       Euro für jedes Kind. Olaf Scholz sagte dazu nichts. Nachfragen von
       Journalist:innen waren nicht möglich.
       
       ## Sozialverbände fordern Sozialgipfel
       
       Schon [2][das erste Treffen], zu dem Scholz nach dem [3][Vorbild der
       Konzertierten Aktion des früheren SPD-Wirtschaftsministers Karl Schiller
       1967] Anfang Juli eingeladen hatte, war ohne konkrete Vereinbarungen
       geblieben. Es sei zunächst darum gegangen, ein gemeinsames Verständnis für
       die aktuellen Inflationstreiber zu entwickeln, hieß es damals. In den
       nächsten Monaten werde man dann gemeinsame Instrumente entwickeln. Die
       fehlen bis heute. Aber er freue sich auf das nächste Treffen im November,
       sagte Scholz.
       
       Nicht mit am Tisch saßen am Donnerstag erneut die Sozialverbände. Was diese
       kritisch sehen. „Es ist zwar gut, dass der Kanzler Gewerkschaften und
       Arbeitgeber trifft“, sagte Michaela Engelmeier vom Sozialverband
       Deutschland (SoVD). „Im Kanzleramt müssen dringend aber auch die Menschen
       gehört werden, bei denen das Geld am knappsten ist.“ Für die Mehrheit der
       Geringverdienenden gelte eben kein Tarifvertrag.
       
       „Deshalb muss es neben der konzertierten Aktion auch einen Sozialgipfel
       geben“, forderte die SoVD-Vorstandsvorsitzende. Schon vor vier Wochen habe
       der SoVD zusammen mit dem Sozialverband VdK, dem Deutschen Mieterbund und
       der Tafel Deutschland Scholz angeschrieben und einen solchen Sozialgipfel
       gefordert. „Auf eine Antwort warten wir immer noch“, so Engelmeier.
       
       Auch die VdK-Präsidentin Verena Bentele bezeichnete es als enttäuschend,
       dass der Kanzler bislang die Notwendigkeit eines Austauschs mit den von der
       Energiekrise am stärksten betroffenen Menschen und ihren
       Vertreter:innen ignoriere. „Seine Tür für die Wirtschaft und Industrie
       ist immer offen, jetzt muss er seine Tür für die Menschen öffnen, denen er
       im Wahlkampf mehr Respekt versprochen hat“, sagte Bentele. Dabei müsse
       endlich darüber geredet werden, wie Bedürftige dauerhaft in die Lage
       versetzt werden, die Energiepreise zu stemmen.
       
       15 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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