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       # taz.de -- Die Wahrheit: Vor dem Fest
       
       > Lebenslänglich Bayer: Die Vorbereitungen für die weltberühmteste Sause
       > der Welt sind in München an allen Ecken und Enden schwer im Gange.
       
   IMG Bild: Markus Lanz
       
       Die Frau neben mir auf der Parkbank im Englischen Garten muss sich noch ein
       Dirndl besorgen. Das bespricht sie mit ihrem Mann bei einer Zigarette. Sie
       hat zwar noch eins, aber das ist ihr zu grün und gefällt ihr gerade nicht.
       Die es im vergangenen Jahr bei Trachten Angermayr gegeben hat, die hätten
       ihr gefallen. Weil da aber kein Oktoberfest war, hat sie es nicht gekauft.
       Sie ruft eine Freundin an, von der sie vermutet, dass sie weiß, ob es die
       Dirndl aus der Vorjahreskollektion im Outlet-Shop des Landhausmodegiganten
       gibt. Die Freundin weiß es nicht. Es bleibt also schwierig.
       
       Eine Apotheke in der Türkenstraße ist dagegen schon fertig mit den
       Vorbereitungen auf das Oktoberfest. Neben Werbetafeln für ein Produkt, das
       „Dermo-Kosmetik für alle Hautzustände“ verspricht, sitzt ein bayerischer
       Stofftierlöwe in Lederhose und streckt seine weiß-blau rautierten Tatzen
       von sich. Ein Steinbierkrug, der mit Watteschaum gefüllt ist, steht auch
       noch da. Dass man mit dem von Dermatologen empfohlenen Produkt seinen Kater
       wegschminken kann, glaube ich trotzdem nicht.
       
       In den Boulevardzeitungen werden Getränkemarken verschiedener Bierzelte
       verlost. In der seriösen Presse verkünden Sommeliers das Ergebnis ihrer
       Verkostung der Festbiere, für das in den Bierzelten Preise zwischen 12,60
       und 13,80 Euro pro Liter verlangt werden.
       
       Auf einer Videotafel in der U-Bahn lerne ich, dass es reicht, die
       elektrische Zahnbürste einmal in der Woche zu laden und dass man so Energie
       sparen kann. Im Bayerischen Rundfunk sagt ein CSU-Lokalpolitiker namens
       Clemens Baumgärtner, der überall als Wiesnchef bezeichnet wird, zum Thema
       Energiekrise, dass man auch mal darüber nachdenken soll, ob beim Zubereiten
       eines Hendls im eigenen Herd nicht eigentlich mehr Energie verbraucht werde
       als beim gleichen Vorgang im Bierzelt. Dass man mit einem Besuch auf dem
       Oktoberfest Energie sparen kann, war mir bis dahin neu. Dieser Baumgärtner
       wird es schon wissen. Er ist Wirtschaftsreferent der Stadt und als solcher
       für das Oktoberfest zuständig. Selbstverständlich kennt der sich aus.
       
       Auch wegen Corona solle man sich keine allzu großen Sorgen machen. Bayerns
       Gesundheitsminister Klaus Holetschek, auch ein CSUler, meint, wem es
       möglich sei, der könne ja nach einem Oktoberfestbesuch zwei oder drei Tage
       vom Homeoffice aus arbeiten. Eine Maskenpflicht gibt es jedenfalls nicht
       auf der Wiesn. Eine Boulevardzeitung titelt dennoch, Ministerpräsident
       Markus Söder befinde sich im „Masken-Streik“, weil er ohne
       Mund-Nasen-Lappen zum Anstich am Samstag gehen will. Demnach befinde ich
       mich beim Verfassen dieses Textes ebenfalls gerade im Masken-Streik.
       
       Billige Dirndl gibt es übrigens im Second-Hand-Shop von Oxfam am
       Orleansplatz. Ein kaum getragenes, schmuckes Stück aus reiner Seide wird da
       gerade für 35 Euro feilgeboten. Der Frau von der Parkbank im Englischen
       Garten wird das nicht weiterhelfen. Es ist grün.
       
       16 Sep 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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