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       # taz.de -- Marode Schulen in Berlin: Flicken und hoffen
       
       > Das Gymnasium am Europasportpark gleicht einer Ruine, doch vor 2026 wird
       > nicht saniert. Die Schulbauoffensive ist mitunter eine zähe
       > Angelegenheit.
       
   IMG Bild: Dicke Luft: Im Gymnasium am Europasportpark lassen sich die meisten Fenster nicht mehr öffnen
       
       Berlin taz | Wenn die knapp 800 Schüler*innen des Gymnasiums am
       Europasportpark morgens die letzten Meter ihres Schulwegs zurücklegen,
       laufen sie unter einer hölzernen Überdachung auf ihre Schule zu. Der Gang
       ist zu ihrem Schutz gezimmert worden: „Vor zwei Jahren sind hier
       Fensterscheiben aus der Fassade gefallen“, sagt Elternvertreter André Mors,
       und die Contenance, die er bei diesem Satz behält, lässt sich vielleicht am
       ehesten so erklären: An solche Dinge hat man sich hier an der
       Kniprodestraße in Prenzlauer Berg inzwischen gewöhnt.
       
       „Ich frage mich jeden Morgen“, sagt Schulleiterin Katrin Schäffer, „ob ich
       es aus Sicherheitsgründen noch vertreten kann, diese Schule
       aufzuschließen.“ Elternvertreter Mors berichtet von neuen Kolleg*innen, die
       von der Straße den Weg zur Eingangstür nicht gefunden haben – weil sie das
       Gebäude „für eine Abrissbaustelle“ hielten.
       
       Das Gymnasium zwischen Velodrom und Volkspark Friedrichshain ist ein
       krasser Sanierungsfall. Und wenn es schlecht läuft, könnte das auch auf
       absehbare Zeit so bleiben. Erst ab 2026 ist eine grundlegende Sanierung mit
       kompletter Entkernung des DDR-Plattenbaus aus den 70er Jahren geplant. Dann
       soll der Schulbetrieb in ein temporäres Ersatzgebäude auf der benachbarten
       Werneuchener Wiese verlegt werden, in das nacheinander verschiedene
       sanierungsbedürftige Schulen des Bezirks ziehen. Aber weil dem
       Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium kürzlich – salopp gesagt – das Dach
       wegflog, kommt es im Herbst 2023 zuerst auf die „Drehscheibe“, wie die
       Ersatzschule heißt. Das Gymnasium am Europasportpark muss warten.
       
       Die Schulruine hinterm Velodrom ist so auch ein Lehrstück darüber, warum
       man in Berlin [1][trotz einer seit Jahren laufenden „Schulbauoffensive“]
       immer noch entscheiden muss, ob man zuerst das Gymnasium ohne Dach saniert
       oder das, dem die Fensterrahmen aus der Fassade hängen.
       
       Erst 2016 wurde der Standort, zu DDR-Zeiten eine Sport-Eliteschule, als
       Gymnasium reaktiviert – auch weil der Bezirk dringend Schulplätze brauchte.
       „Der Plan war zunächst, die Schule bei laufendem Betrieb 2019 zu sanieren“,
       sagt Schulleiterin Schäffer. Doch die Schule musste schneller als geplant
       mehr Kinder aufnehmen – das warf die Pläne über den Haufen.
       
       Wie konzentriert der Bezirk danach an einer neuen Bauplanung arbeitete, ist
       nicht ganz klar. Die zuständige Senatsverwaltung habe anderthalb Jahre
       gebraucht, die vom Bezirk eingereichte Bedarfsplanung für eine Sanierung ab
       2022 zu überprüfen, sagt Pankows Schulstadträtin Dominique Krössin (Linke).
       Normal seien drei Monate.
       
       Die Schulleitung, heißt es wiederum aus Kreisen der Senatsverwaltung, habe
       es ausgeschlagen, das Gymnasium in mobile Unterrichtsräume an der
       Falkenberger Straße in Weißensee auszulagern. Begründung: Das sei zu weit.
       
       Ein Problem bei der Schulbauoffensive: Es gibt zwar viel Geld. Aber Geld
       ist selten alles. Man muss auch die richtigen Baustellen zur richtigen Zeit
       vorantreiben. Und vor allem müssen – was oft nicht klappt – Schule, Bezirk
       und Land an einem Strang ziehen.
       
       Die Senatsfinanzverwaltung sagt, den Bezirken stünden in 2024/25 725
       Millionen Euro für den Schulbau zur Verfügung. Viel Geld, aber die Bezirke
       hätten gerne noch 316 Millionen Euro mehr gehabt. Geht nicht, sagt die
       Finanzverwaltung, das sprenge den Investitionsrahmen des Landes. Auch sei
       es sinnvoll, die Mittel an das anzupassen, was die Bezirke
       realistischerweise verbauen können. Sonst werde die Investitionsplanung nur
       aufgebläht. In 2021 etwa riefen die Bezirke 160 Millionen Euro für Schulbau
       ab.
       
       Da sei nichts aufgebläht gewesen – weil man bei vielen Schul-Projekten
       jetzt erst „ins Bauen“ komme, sagen die Bezirke. Mittes grüne
       [2][Bildungsstadträtin Stefanie Remlinger] wies in der taz schon im Juni
       darauf hin, dass bei allen Vorhaben, die jetzt aus der Investitionsplanung
       bis 2026 fallen (am Dienstag will sie der Senat beschließen), erst einmal
       vier Jahre kompletter Stillstand herrscht. [3][Hunderte dringend benötigter
       Schulplätze in Mitte würden sich so verzögern], warnte Remlinger.
       
       In Pankow sind es beim Gymnasium am Europasportpark nicht nur Jahre zäher
       Bauplanung und Prüfvorgänge zwischen Bezirk und Land. Auch wichtige
       Schlüsselvorhaben, die Sanierungen beschleunigen würden, kommen nicht
       voran: Eine weitere „Drehscheibe“ an der Storkower Straße stand bereits in
       der Investitionsplanung bis 2024 – einen Spatenstich gab es bislang nicht.
       Die Finanzverwaltung müsse immer noch Planungsmittel freigeben, sagt
       Stadträtin Krössin, dann lege man „umgehend“ los. Die Schule am
       Europasportpark könnte dann parallel zum Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium
       saniert werden.
       
       Torsten Kühne (CDU), Krössins Vorgänger im Amt, Pionier des
       Drehscheiben-Konzepts in Berlin und jetzt Schulstadtrat in
       Marzahn-Hellersdorf, hat grundsätzliche Kritik an der Methodik, wie es
       manche Bauprojekte in die Investitionsplanung schaffen und andere nicht.
       Die Bildungsverwaltung binde die „baufachliche Expertise“ der Bezirke zu
       wenig ein und schaue allein nach schulfachlichen Kriterien, wenn sie ihre
       sogenannte Dringlichkeitsliste erstelle und an die Finanzverwaltung
       weiterreiche. „Aber wenn ich da ein Projekt nach oben schiebe, das nicht
       fertig wird, nützt das auch keinem“, sagt Kühne.
       
       ## Wenigstens die Fenster sanieren
       
       Am Europasportpark hat Schulleiterin Schäffer dem Bezirk vorgeschlagen,
       wenigstens einmal die Fenster grundlegend zu sanieren. Dafür könne man ja
       die Herbstferien nutzen. Krössin sagt, sie könne das „sehr gut verstehen“.
       Allerdings sei ein Vergabeverfahren bis zu den Herbstferien nicht zu
       machen. Und auch wenn man „nur“ die Fenster saniere, sei das bei laufendem
       Unterrichtsbetrieb unmöglich, „die Schule müsste ausgelagert werden“. Nur
       wohin?
       
       In dieser Woche will das Bezirksamt laut Krössin noch eine weitere
       Sicherheitsbegehung am Europasportpark vornehmen. Die Schäden an den
       Fenstern sollen so dokumentiert werden, „dass alle Beteiligten einen
       umfassenden Informationsstand haben“. Kleinere, notwendige Reparaturen möge
       die Schule fortlaufend melden.
       
       Solange Katrin Schäffer sich traut, morgens die Schule aufzuschließen,
       heißt die Strategie im fünften Jahr der Schulbauoffensive also: Flicken –
       und hoffen, dass es noch ein bisschen hält.
       
       13 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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