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       # taz.de -- Schwimmer Caeleb Dressel: Traktor entschleunigt das Schwimmen
       
       > Caeleb Dressel war bei Olympia in Tokio der Superstar. Doch während der
       > folgenden WM zog er sich zurück. Nun hat er sich zu Wort gemeldet.
       
   IMG Bild: Ist das Leid all das wert? Caeleb Dressel in Budapest
       
       Die [1][Schwimm-Weltmeisterschaften von Budapest] im vergangenen Juni
       hatten für den Superstar der Olympischen Spiele von Tokio, den US-Sprinter
       [2][Caeleb Dressel], anscheinend routinemäßig begonnen. Dressel gewann
       erwartungsgemäß die 50 Meter Schmetterling und gemeinsam mit seinen
       Mannschaftskameraden die Sprintstaffel. Über die 100 Meter Freistil
       qualifizierte er sich als Zweitschnellster für das Halbfinale. Alles schien
       gerichtet für eine Wiederholung seiner dominanten Vorstellung von Tokio, wo
       er fünf Goldmedaillen gewann.
       
       Doch dann kam, vollkommen überraschend, nur wenige Stunden vor dem
       WM-Semifinale, Dressels Absage. Dressel werde, teilte sein Trainer mit, aus
       nicht näher benannten medizinischen Gründen keine weiteren Starts bei der
       WM absolvieren.
       
       Bis zur vergangenen Woche war nichts Genaueres über die Gründe des
       plötzlichen Rückzugs während der WM zu erfahren. Doch dann meldete sich
       Dressel [3][auf seinem Instagram-Konto zu Wort]. Er sei seit Budapest in
       keinem Swimmingpool gewesen, ließ er wissen, stattdessen habe er
       Flitterwochen in Island gemacht, sei in den Appalachen gewandert und habe
       sich einen Traktor gekauft. Es habe einmal eine Zeit in seinem Leben
       gegeben, fügte er an, in der er schwimmen und zugleich glücklich habe sein
       können. Und irgendwann, so hoffe er, werde er diese beiden Dinge wieder
       vereinen können.
       
       Wer Dressel seit Tokio verfolgt hat, der war nicht gänzlich überrascht von
       dieser Entwicklung. Erst in diesem Frühjahr erzählte er in einem
       ausführlichen Interview dem Journalisten Graham Bensinger, wie sehr ihm der
       postolympische Rummel zugesetzt habe. An manche Fernsehinterviews könne er
       sich gar nicht erinnern. „Mein Körper war da, mein Geist nicht.“ Und
       irgendwann habe er mit seiner Lebensgefährtin auf dem Balkon eines New
       Yorker Hotels gestanden und habe vor Erschöpfung geheult. „Wir haben uns da
       zusammen vorgenommen, aufzuhören, für andere Leute zu leben und nur fremde
       Erwartungen zu erfüllen.“
       
       ## Gefühl, nur noch für andere zu leben
       
       Mit dem elenden Gefühl, nur noch für andere zu leben, kämpft der 26-Jährige
       schon seit Beginn seiner Laufbahn. Als er es mit 16 Jahren versäumte,
       seinen eigenen Highschool-Rekord zu brechen und ihm die Enttäuschung der
       Fans von den Rängen entgegenschlug, erzählte er Bensinger, habe ihn ein
       unglaublicher Zorn übermannt. „Ich war nur noch ein Entertainer für die
       Leute, der Rekorde produzieren soll.“ Schon damals hörte Dressel für sechs
       Monate mit dem Schwimmen auf und verfiel in eine tiefe Depression.
       
       Dem [4][Druck der Olympischen Spiele] von Tokio hielt Dressel trotzdem
       stand und lieferte wie gefordert seine Goldmedaillen und Rekorde ab.
       Bekommen ist es ihm nicht: „Das war die schlimmste Woche meines Lebens“,
       sagte er über die olympische Wettkampfwoche. „Ich konnte nicht essen, ich
       konnte nicht schlafen, ich konnte nicht aufs Klo gehen.“
       
       Nun ist Dressel nach Simone Biles der zweite US-amerikanische Olympia-Star,
       [5][der offen zugibt, dass er so nicht mehr leben mag]. Beide haben noch
       nicht ihren Rücktritt bekannt gegeben, Biles lässt sich eine Hintertür für
       einen Start in Paris 2024 offen, Dressel gibt zu, dass er das Schwimmen
       vermisst. Aber ob sie sich all das noch einmal antun wollen, was notwendig
       ist, um wenigstens in die Nähe eines Siegerpodest zu kommen, müssen sie
       sich überlegen.
       
       14 Sep 2022
       
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