URI: 
       # taz.de -- Polizeiproblem in Berlin: Video zeigt rassistischen Übergriff
       
       > Im Netz kursieren verstörende Szenen eines Polizeieinsatzes in einer
       > Wohnung. Einer der beteiligten Beamten äußert sich klar rassistisch.
       
   IMG Bild: Polizisten drücken Mann zu Boden
       
       Berlin taz | Wieder einmal sind Beamte der Berliner Polizei rassistisch
       übergriffig geworden. In einem am Dienstagabend vom Linken-Abgeordneten
       Ferat Koçak auf Twitter veröffentlichten Video sind verstörende Szenen zu
       sehen, die sich während der Festnahme eines Mannes mit Migrationsgeschichte
       ereignet haben. Die Polizei bestätigte den Vorfall in den „frühen
       Morgenstunden“ vom 9. September in einer Polizeimeldung. Dort heißt es, der
       Staatsschutz ermittle infolge einer „fremdenfeindliche Beleidigung durch
       einen Polizisten“.
       
       Dem Mann wird demnach lediglich „Erschleichung von Leistungen“ zur Last
       gelegt. Ob es sich um Schwarzfahrdelikte handelt, geht auch aus dem der taz
       vorliegenden Haftbefehl nicht klar hervor. Die Polizei spricht in ihrer
       Mitteilung zudem von einer Gefährderansprache, die seiner Ehefrau gehalten
       werden sollte.
       
       Kein Vorwurf kann aber rechtfertigen, was während des Einsatzes geschah.
       Dokumentiert ist dieser zu großen Teilen in einem der taz vorliegenden
       Video, welches wesentlich länger als der im Netz kursierende Ausschnitt
       ist.
       
       Mehrfach beleidigt ein glatzköpfiger Polizist den Mann und die Frau
       rassistisch. „Das ist mein Land und du bist hier Gast!“, schreit er die
       Frau an, weil sie sagt, dass dies ihr Haus sei. „Halt die Fresse“, ruft er
       auch. Der Mann will nicht, dass der Polizist so mit seiner Frau spricht.
       „Du bist hier in unserem Land. Ihr habt euch nach unseren Gesetzen zu
       verhalten“, schleudert ihm der Glatzkopf entgegen. „Ich bringe dich ins
       Gefängnis“, schreit er die Frau an, mit ausgestreckten Zeigefinger auf sie
       zeigend.
       
       Der Mann war von den Beamten festgenommen worden, weil er die offene
       Geldstrafe von 750 Euro nicht sofort in bar bezahlte. In einer Szene wirkt
       es, als würde die Ehefrau den Polizisten an der Schulter berühren.
       Hektische Szenen folgen, es ist nicht klar, was passiert. „Fass mich nicht
       an!“, ruft der Polizist, Kinder schreien, der Mann beteuert, bezahlen zu
       wollen.
       
       Nach dem Polizeieinsatz seien die Eheleute zur Polizeiwache gegangen und
       hätten Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet, heißt es in der
       Polizeimeldung. Schon zuvor hätten die Polizisten aber selbst Anzeige
       erstattet: wegen Widerstands, tätlichen Angriffs und versuchter
       Gefangenenbefreiung. Zum genauen Hergang äußerte die Polizei sich auch auf
       Nachfrage nicht. [1][Auf Twitter teilte die Polizei aber mit], der Beamte
       sei in den Innendienst versetzt worden. Man stehe gegen „gegen jegliche
       Form diskriminierenden und menschenverachtenden Verhaltens“.
       
       Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagte der taz, das
       Video zeige zwar nicht das komplette Einsatzgeschehen, der Vorwurf der
       Gefangenenbefreiung sei aber augenscheinlich unbegründet. Anders sehe es
       beim Vorwurf des Widerstands aus. Seit der Verschärfung des Paragrafs 113
       Strafgesetzbuch im Jahr 2017 reiche dafür schon die Berührung eines
       Polizisten während einer Maßnahme.
       
       ## Übliche Taktik
       
       Zumindest der ausfällig gewordene Polizist würde selbst Recht brechen, sagt
       Franco. Juristisch relevant sei neben der rassistischen Beleidigung, ob die
       Vollstreckung des Haftbefehls im Einklang mit dem
       Landesantidiskriminierungsgesetz stehe. Sollten die Polizisten den Mann
       festgenommen haben, weil es sich bei ihm um einen Menschen mit
       Migrationshintergrund handelt, wäre das diskriminierendes Verhalten – dann
       würde der Familie Schadenersatz zustehen. Auch der Satz, dass der Polizist
       die Frau ins Gefängnis stecken würde, könne als Drohung verstanden werden.
       
       Franco sagt auch: „Es ist durchaus üblich, dass Polizeibeamte in solchen
       Situationen martialische Vorwürfe erheben, um von den eigenen Fehlern
       abzulenken. So werden Opfer zu Tätern gemacht.“ Dem pflichtet auch der
       Linken-Abgeordnete Ferat Koçak bei. „Die Polizei zieht einfach ihr Ding
       durch“, sagte er der taz. „Die Aussagen des Polizisten zeigen klar seine
       nationalistische und rechte Gesinnung.“ Der Vorfall sei ein weiterer Beleg
       für das [2][Problem der Polizei mit Nazis und Rassisten].
       
       Koçak ist wichtig, dass auch der Polizist, der nicht rassistisch ausfällig
       wurde, disziplinarrechtlich bestraft wird – schließlich habe er seinen
       Kollegen von keinen seiner Taten abgehalten und hätte den Vorfall auch
       eigenständig melden müssen. Aus seiner Erfahrung gesprochen muss Kocak aber
       resigniert eingestehen: „Ich glaube nicht, dass etwas passieren wird.
       Wieder werden die bestraft werden, die rassistisch beleidigt wurden.“
       
       14 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/polizeiberlin/status/1569708060297371650
   DIR [2] /Polizeigewalt-in-Deutschland/!5871525
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
   DIR Polizei Berlin
   DIR Polizei
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Polizeigewalt
   DIR Polizei Berlin
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Polizei Berlin
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Wochenkommentar
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Polizei
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Polizeigewalt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Rassistischer Polizeieinsatz: Gericht gastlich mit Rassismus
       
       Ein Gericht will einen Polizisten für rassistische Aussagen bei einer
       Razzia nicht belangen. „Du bist hier Gast“ sei ja auch Tenor in der
       Politik.
       
   DIR Bewegungstermine in Berlin: Polizeigewalt und ihre Fans
       
       Übergriffige Beamt:innen sind in der Hauptstadt bereits ein riesiges
       Problem. Nun will die Schwarz-Rote Koalition auf noch mehr Repression
       setzen.
       
   DIR Übergriff der Berliner Polizei: Faeser sieht keinen Rassismus
       
       Die Innenministerin verteidigt die Aussagen eines Beamten. Berlins
       Justizsenatorin hofft, dass solche Einsätze wegen Schwarzfahrens obsolet
       werden.
       
   DIR Rassismus bei der Berliner Polizei: Familie fordert Gerechtigkeit
       
       Nach einem rassistischen Polizeieinsatz: Die betroffene syrische Familie
       wagt bei einer Pressekonferenz den Schritt in die Öffentlichkeit.
       
   DIR Rassismus bei der Berliner Polizei: Filmen aus Selbstschutz
       
       Wieder ein rassistischer Übergriff: Hätte die Ehefrau den Polizeieinsatz in
       ihrer Wohnung nicht gefilmt, wäre ihrer Darstellung kaum geglaubt worden.
       
   DIR Polizei empört sich über Ausstellung: Kein Rassismus bei der GdP
       
       Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Grüne Jugend Braunschweig wegen
       einer Ausstellung über rassistische Polizeigewalt.
       
   DIR Von Polizei erschossener Jugendlicher: Unabhängige Untersuchung gefordert
       
       Über 60 Forschende verlangen die unabhängige Aufarbeitung des Todes von
       Mouhamed D. Ein Polizist erschoss den Jugendlichen in Dortmund.
       
   DIR Polizeigewalt in Deutschland: Fehler im System
       
       Vier Tote durch Polizeigewalt in einer Woche. Solange es keine neutralen
       Ermittlungen gibt, kann man sich nicht sicher fühlen, findet unsere
       Autorin.
       
   DIR Beschwerdestelle der Polizei in Hamburg: Nur fünf Ermittlungen
       
       Mehr als tausend Beschwerden sind bei der Hamburger Polizei seit März 2021
       eingegangen. Nur den wenigsten Beamt:innen drohen Konsequenzen.