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       # taz.de -- Polen fordert Reparation: Von Moskau abgezockt
       
       > Der richtige Adressat für Polens Reparationsforderungen wäre Russland
       > gewesen. Doch Deutschland muss für den Wahlkampf der PiS herhalten.
       
   IMG Bild: Gedenktag zum 83. Jahrestag des Angriffs Nazi-Deutschland am 01. September in Warschau
       
       „Weltkriegsreparationen“ sind fest in der Feindpropaganda der
       Nationalpopulisten in Polen verankert. Doch bislang folgten den lautstarken
       Forderungen nach immer höheren Summen, die die Deutschen angeblich für die
       Besatzungsszeit in Polen zwischen 1939 und 1945 zu zahlen hätten, keinerlei
       offizielle Verhandlungen. Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit
       (PiS) schickte niemals auch nur eine einzige Rechnung nach Berlin.
       
       Zum einen gilt die Reparationsfrage seit 1953 als rechtlich abgeschlossen.
       Damals verzichtete die Volksrepublik Polen offiziell auf weitere
       [1][Reparationsleistungen]. Zudem ist der eigentliche Adressat für
       Reparations-Nachforderungen als Schuldausgleich zwischen Staaten nach einem
       Krieg Russland als Nachfolgerstaat der Sowjetunion, die die Reparationen
       aus Deutschland an Polen ausliefern sollte und das nicht in ausreichender
       Form getan hat.
       
       Natürlich erwähnen die PiS-Funktionäre das nie in ihren [2][antideutschen
       Hetz- und Wahlkampagnen]. Vielmehr werden Parteichef Jaroslaw Kaczynski und
       PiS-Premier Mateusz Morawiecki nicht müde zu behaupten, dass Polen – anders
       als alle anderen Kriegsopferstaaten – niemals Reparationen aus Deutschland
       bekommen hätten. Das ist zwar falsch, verfängt aber trotzdem bei vielen
       Pol:innen, da das Staatsfernsehen sie seit Jahren mit eben dieser
       PiS-Propaganda füttert.
       
       Wiedergutmachung eines Staates an [3][individuelle Kriegsopfer] steht
       hingegen auf einem anderen Blatt. In den letzten Jahrzehnten hat
       Deutschland mehrfach – wenngleich symbolische Entschädigungen – an
       Kriegsopfer in Polen gezahlt, zuletzt an ehemalige Zwangsarbeiter. Wenn der
       PiS-Regierung tatsächlich an den Kriegsopfern gelegen wäre, könnte sie
       problemlos eine Wiedergutmachung fordern – beispielsweise für
       zwangsgermanisierte polnische Kinder, die als Gruppe noch nie eine
       Entschädigung erhalten haben.
       
       Aber das tut die PiS nicht. Denn wahrscheinlich würde Deutschland auf diese
       Forderung eingehen und erneut eine symbolische Entschädigung auszahlen – so
       wie schon zuvor an andere Opfergruppen. Damit wäre der
       wahlpropagandistische Zweck dahin.
       
       Auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam im Frühjahr und Sommer 1945
       hatten die Alliierten eine für Polen extrem ungünstige Reparations-Lösung
       festgelegt. Der Wert der von Deutschland aufzubringenden
       Reparationsleistung wurde auf 20 Milliarden US-Dollar festgelegt – auf
       Basis der Preise von 1938 -, von denen zehn Milliarden an die Sowjetunion
       und Polen gehen sollten. Das Problem: Moskau ließ sich für die
       Weiterleitung der Baumaterialien aus Deutschland, der Schienen, Züge, Lkws
       usw. bezahlen.
       
       Warschau musste für die Reparationen, die die Sowjets aus Deutschland nach
       Polen brachten, mit Millionen Tonnen Kohle bezahlen. Zudem erfuhr Polen
       nie, ob es tatsächlich 15 Prozent der zugesicherten Reparationsleistungen
       erhielt, da Moskau nie bekannt gab, welchen Wert die 100 Prozent hatten,
       die es aus der sowjetischen Besatzungszone entnahm. Für Polen war das ein
       schlechtes Geschäft, sodass der Wunsch nach Reparations-Nachforderungen
       verständlich ist. Nur ist eben der Adressat nicht Berlin, sondern Moskau.
       
       2 Sep 2022
       
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