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       # taz.de -- Attentat auf Cristina Kirchner: „Der Hass bleibt draußen“
       
       > In Argentiniens gehen regierungsnahe Menschen für Cristina Kirchner auf
       > die Straße. Oppositionelle sind kaum unter den Demonstrierenden zu
       > finden.
       
   IMG Bild: „Treue zu Cristina“: Fans der argentinischen Vizepräsidentin gehen auf die Straße
       
       Buenos Aires taz | In Argentiniens haben am Freitag landesweit tausende
       Menschen gegen das [1][Attentat auf Cristina Kirchner demonstriert.] Vor
       allem regierungsnahe Parteien, Gewerkschaften und soziale Organisationen
       mobilisierten ihre Mitglieder. In der Hauptstadt Buenos Aires waren sie in
       mehreren Kolonnen waren durch die Straßen auf die Plaza de Mayo vor den
       Präsidentenpalast gezogen.
       
       „Angesichts des Mordversuchs gegen die wichtigste Politikerin des Landes,
       kann niemand, der die Republik verteidigt, schweigen oder seine
       ideologischen Differenzen über die einmütige Ablehnung stellen“, heißt es
       in einer auf der Plaza verlesenen Erklärung. Sie endet mit einem Aufruf zur
       nationalen Einheit, „[2][aber nicht um jeden Preis: der Hass bleibt
       draußen.]“
       
       „Hass“ war das am meisten zu hörende Wort. „Hoffentlich ist das Attentat
       ein Wendepunkt, um die Kultur des Hasses zu überwinden“, sagt auch Gladys
       Mires, die aus der Provinz Buenos Aires in die Hauptstadt gekommen war.
       Immer wieder habe sie die Bilder vor Augen, [3][die im Fernsehen gezeigt
       wurden]. „Gestern war es Cristina, heute kann es jemanden von uns treffen“,
       so die 45-jährige Grundschullehrerin.
       
       Am Abend zuvor war die Vizepräsidentin und ehemalige Präsidentin Cristina
       Kirchner nur knapp einem Attentat entgangen, als eine Person mit einer
       geladenen Pistole aus unmittelbarer Nähe auf sie zielte und abdrückte. Da
       sich kein Schuss löste, blieb die 69-jährige Politikerin unverletzt. Die
       Tat hatte parteiübergreifend Entsetzen und Ablehnung ausgelöst.
       
       ## Für die einen Heilige, für die anderen korrupt
       
       Oppositionelle Parteien waren dennoch nicht auf den Straßen auszumachen und
       Einzelpersonen in der Minderheit. Wie etwa Madlén Grunski, die an der Ecke
       der beiden Avenidas Las Heras und Pueyrredón überlegt, zwischen welchen
       Blöcken sie mitmarschieren will. „Ich habe Cristina nie gewählt, werde es
       nie tun und hoffe, dass die Justiz sie wegen Korruption ins Gefängnis
       steckt“, sagt die 48-jährige Besitzerin eines Bioladens im Barrio Norte.
       „Das ist ein Anschlag auf unsere Demokratie. Deshalb gehe ich auf die
       Straße“, sagt sie und nützt den Abstand zwischen zwei Blöcken.
       
       Gegen Kirchner läuft gegenwärtig ein Korruptionsprozess. Erst vor wenigen
       Tagen hatte die [4][Staatsanwaltschaft zwölf Jahre Haft und eine
       lebenslange Sperre] für öffentliche Ämter gegen Kirchner gefordert.
       Kirchner – von 2007 bis 2015 Präsidentin – bestreitet die Vorwürfe.
       
       Das Attentat ereignete sich im Stadtteil Recoleta von Buenos Aires während
       Kirchner zu ihrer Wohnung zurückkehrte und von einer Menschenmenge begrüßt
       wurde. Der Angreifer war von Kirchner-Anhängern überwältigt und der Polizei
       übergeben worden. Bei dem mutmaßlichen Täter handele es sich um einen
       35-jährigen Straßenverkäufer aus Brasilien, der seit 1998 in Argentinien
       lebe, hieß es aus dem Sicherheitsministerium. Motiv und Hintergründe der
       Tat seien noch unklar. Ermittelt werde in alle Richtungen.
       
       Bereits die Forderung nach einer Haftstrafe für Kirchner hatte die ohnehin
       latente Polarisierung der Gesellschaft wieder belebt. Das Attentat hat sie
       über Nacht kräftig verstärkt. „Das politische Klima in Argentinien ist
       vergiftet, der Graben ist unüberwindbar tief“, sagt der aus Venezuela
       stammende Rubén Valarone, der als Lieferant jobbt. Mit der Warmhaltebox auf
       dem Fahrrad hält er Ausschau nach einer Lücke im Demozug.
       
       Für die einen sei Cristina eine Heilige, die unschuldig von der Justiz, den
       Rechten und den Medien verfolgt und ohne Wenn und Aber verteidigt werden
       muss. Für die anderen sei sie eine der korruptesten Politikerinnen, die
       längst eingesperrt gehöre. „Beide Seiten werfen sich vor, den Hass zu
       schüren. Verständigung? Unmöglich“, sagt Valarone noch schnell und sprintet
       mit Fahrrad und Lieferung auf die andere Straßenseite.
       
       3 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anschlag-auf-Argentiniens-Vizepraesidentin/!5878829
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=5u0xaegc3FU&t=15s
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=BjGk7ArfRZE
   DIR [4] /Korruptionsprozess-in-Argentinien/!5876024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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