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       # taz.de -- Urwahl der britischen Konservativen: Truss setzt sich knapp durch
       
       > Die Favoritin für die Nachfolge Boris Johnsons hat die Urwahl an der
       > konservativen Parteibasis gewonnen. Allerdings erzielte sie nur 57
       > Prozent.
       
   IMG Bild: Die neue Premierministerin von Großbritannien: Liz Truss bei der Verkündung des Wahlergebnisses
       
       London taz | Liz Truss wird neue Premierministerin des Vereinigten
       Königreichs. Truss, die zuletzt als Außenministerin unter Premierminister
       Boris Johnson amtierte, gewann die [1][Urwahl an der Basis der regierenden
       Konservativen] für die Nachfolge des zurückgetretenen Johnson mit 57,4
       Prozent der Stimmen gegen den ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak. Das
       ist nicht genug, um von einem eindeutigen Sieg zu sprechen, und es ist das
       niedrigste Ergebnis bei einer Wahl für die konservative Parteiführung seit
       Einführung des aktuellen parteiinternen Wahlsystems.
       
       172.437 eingeschriebene Mitglieder der Konservativen waren wahlberechtigt,
       verkündete am Montag mittag in einem Veranstaltungsraum unweit des
       Parlamentsgebäudes in London Sir Graham Brady, Vorsitzender des
       parlamentarischen Hintebänkler:innenkomitees „1922 Committee“.
       [2][Liz Truss] gewann 81.326 Stimmen, [3][Rishi Sunak] 60.399.
       
       Nach zwei Monaten hartem und ermüdendem Wahlkampf mit einem Dutzend
       Wahlveranstaltungen und fünf öffentlich ausgetragenen Fernsehdebatten hatte
       sich Truss' Sieg in Umfragen schon lange abgezeichnet. Ausschlaggebend
       scheinen ihre Versprechen der Steuersenkungen und des Wirtschaftswachstums
       gewesen zu sein. Sie versprach eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des
       Landes, den Abbau bürokratischer Hürden und mehr Investitionen in das
       Militär. Bei den Mitgliedern zählte aber auch, dass Fans von Boris Johnson
       Sunak als Verräter ansahen und ablehnten. Er war im Juli als Finanzminister
       zurückgetreten, Truss war hingegen im Amt geblieben und blieb gegenüber
       Johnson auch im Wahlkampf loyal.
       
       Die 47jährige Mutter zweier Teenagerinnen wird offiziell erst am Dienstag
       Premierministerin, weil sie zu ihrer Ernennung zur Queen ins schottische
       Schloss Balmoral fliegen muss. Auch Johnson muss zur Abdankung dort hin.
       Die beiden fliegen getrennt, aus Sicherheitsgründen. Nach ihrer Rückkehr
       nach London am Nachmittag zieht Liz Truss direkt in 10 Downing Street ein
       und hält ihre erste Rede als Premierministerin. Dann bildet sie ihr
       Kabinett, das am Mittwoch erstmals zusammentreten soll.
       
       ## Längstes Jobinterview der Welt
       
       Der Flug nach Balmoral wird ein Präzedenzfall sein. Normalerweise ernennen
       die königlichen Hoheiten ihre Premierminister im Londoner Buckingham
       Palace, wenige Minuten Autofahrt von 10 Downing Street entfernt. Doch die
       96 Jahre alte Queen leidet offiziell unter „Mobilitätsproblemen“.
       
       Bei ihrer Rede zur Annahme ihres Wahlsiegs am Montag trat Truss in einem
       lila Kleid auf. Das Rouge auf ihren Wangen wirkte fast wie ein Rot der
       Verlegenheit. Sie nannte das Wahlverfahren das längste Jobinterview der
       Welt und dankte „meinem Freund“ Boris Johnson für den Brexit, den Sieg über
       Jeremy Corbyn 2019, das Corona-Impfprogramm und seine klare Haltung zu
       Putin, wobei sie sich verhaspelte und behauptete, Johnson sei „für“ Putin
       eingetreten. Sie bekannte sich zu den Werten der Konservativen wie
       Freiheit, Recht auf Kontrolle des eigenen Lebens, niedrige Steuern und
       persönliche Verantwortung.
       
       Truss wirkte bei diesem Auftritt ungewohnt zögernd und unsicher, vielleicht
       nervös. Selbst die im Saal Anwesenden klatschten deshalb erst etwas
       gebremst. Als Truss, auf Johnson gemünzt, sagte: „Du wirst von Kiew bis
       Carlisle bewundert!“ wusste das Publikum gar nicht, dass es applaudieren
       sollte. Erst zum Schlussapplaus löste sich ihre Anspannung. „Wir müssen
       liefern!“ hatte sie zuvor gerufen und direkt die Energiekrise, die
       Energieversorgung und das Gesundheitssystem angesprochen. Nur dann könnten
       die Konservativen 2024 eine Wiederwahl „liefern“.
       
       Am Sonntag hatte Truss gesagt, dass sie innerhalb einer Woche ein neues
       Entlastungspaket für die ständig steigenden Energiekosten vorlegen werde
       und innerhalb eines Monats einen neuen Haushaltsplan.
       
       5 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.conservatives.com/
   DIR [2] https://twitter.com/trussliz
   DIR [3] https://twitter.com/RishiSunak
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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