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       # taz.de -- Leichtathletik-Legenden: Zwei vom selben Tag
       
       > Vor genau 100 Jahren kamen in Tschechien die legendären
       > OlympiasiegerInnen Emil und Dana Zátopek zur Welt. Eine Ausstellung
       > erinnert an sie.
       
   IMG Bild: Kurator und Historiker Pavel Dvořák will „viele Aspekte des Lebens beider Persönlichkeiten abbilden“
       
       Kopřivnice taz | Emil Zátopek erblickte in der nordmährischen Kleinstadt
       Kopřivnice als siebtes von insgesamt acht Kindern das Licht der Welt. Im
       Laufe seiner Karriere stellte er insgesamt 18 Weltrekorde auf und gewann
       fünf Olympiamedaillen, davon viermal Gold. Als erster Mensch auf der Welt
       lief er die 10-Kilometer-Strecke unter 29 Minuten, sowie mehr als 20
       Kilometer in einer Stunde.
       
       Bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki gewann er, der bereits 1948 in
       London Olympiasieger über 10.000 Meter wurde und über 5.000 Meter Silber
       hinter Gaston Reiff (Belgien) holte, im Alter von fast 30 Jahren innerhalb
       von nur acht Tagen die 10.000 Meter und die 5.000 Meter vor Alain Mimoun
       (Frankreich) und dem westdeutschen Herbert Schade aus Solingen, mit dem
       Emil und seine Frau Dana bis zum Tode eng befreundet waren. Nur eine Stunde
       nach Emils Triumph gewann Dana Ingrová Oympiagold im Speerwurf. Und zum
       krönenden Schluss gewann Emil Zátopek den Marathonlauf. Es war sein
       allererster Marathonwettkampf überhaupt.
       
       Seine Erfolge ließen ihn zum Nationalhelden werden. Nie wieder gelang es
       einem Läufer bei Olympia, dieses einzigartige Triple zu erreichen. Bei
       seinen dritten und letzten Spielen 1956 in Melbourne konnte Zátopek nach
       einem Leistenbruch nur im Marathon starten, wo er Sechster wurde. Sein
       Motto: „Auf der Aschenbahn waren wir Gegner, danach meist gute Freunde. Die
       Freundschaft steht höher als all die Medaillen und Diplome.“
       
       Erfolgreich wurde Zátopek durch sein Talent – erst spät mit 18 Jahren
       bestritt er seinen ersten Laufwettkampf –, seine enorme Willensstärke und
       Trainingshärte, seinen unorthodoxen Laufstil, mit schmerzverzerrtem
       Gesicht, wackelndem Kopf und weit ausladenden Armbewegungen, was ihm die
       Charakterisierung „tschechoslowakische Lokomotive“ einbrachte. Tatsächlich
       hat die tschechische Eisenbahn Jahrzehnte später eine Lok nach ihm benannt.
       
       ## Vorzeigefigur
       
       Er wurde vom kommunistischem Regime als Propaganda-Vorzeigefigur benutzt
       und hat sich, so ehrlich muss man schon sein, auch gerne benutzen lassen.
       Er wurde bis zum Sport-Oberst in der Armee befördert. Als er aber 1968
       gegen den Einmarsch der Sowjetarmee und weiterer Warschauer-Pakt-Staaten
       auf dem Prager Wenzelsplatz protestierte, hatte das nach der blutigen
       Niederschlagung des Prager Frühlings auch für ihn schwere Konsequenzen. Er
       wurde aus der Kommunistischen Partei (KP) und aus der Armee ausgeschlossen
       und musste mehrere Jahre im Brunnenbau schwerste körperliche Arbeit
       verrichten.
       
       Für das Ehepaar Zátopek war es die dunkelste Zeit in ihrem Leben. Die
       Ostblock-Medien, besonders die in der DDR, verteufelten Zátopek als
       Konterrevolutionär. Erst durch die Hilfe seines westdeutschen Freundes
       Herbert Schade konnte er erstmals wieder in den Westen reisen – zu den
       Olympischen Spielen 1972 nach München. Viele weitere Reisen in die
       Bundesrepublik folgten. Bis zum Zusammenbruch des Regimes 1989 wurde er vom
       Staatssicherheitsdienst StB überwacht, wie Akten belegen.
       
       In der mährischen Urheimat von Dana und Emil, beide liegen auf dem
       Ehrenfriedhof im rund 30 Kilometer von Kopřivnice entfernten Rožnov pod
       Radhoštěm, gibt es zu ihrem gemeinsamen 100. Geburtstag viele
       Gedenkveranstaltungen, darunter mehrere Volksläufe, natürlich auch für
       Kinder. Im Stadtmuseum in Kopřivnice ist Anfang August eine neue
       Dauerausstellung zum berühmten Landesehepaar Dana und Emil Zátopek eröffnet
       worden. Kurator Pavel Dvořák, ein studierter Historiker, hat versucht,
       „viele Aspekte des Lebens beider Persönlichkeiten abzubilden“. Beeindruckt
       habe ihn, dass Emil und Dana, im Gegensatz zu vielen heutigen Sportidolen,
       immer bescheiden geblieben sind.
       
       ## Schwejkscher Humor
       
       Verkaufen konnten auch sie sich gut. Beide beherrschten mehrere
       Fremdsprachen, was sie zu beliebten Interviewpartnern in aller Welt machte.
       Emil sorgte mit seinem ausgeprägten schwejkschen Humor für viele Lacher:
       „Dana und ich sind nicht nur am gleichen Tag geboren und haben 1952 in
       Helsinki am gleichen Tag eine olympische Goldmedaille gewonnen. Wir haben
       sogar am gleichen Tag geheiratet, im Jahr 1948, nach den Spielen von
       London.“
       
       Als Eheleute bewohnten sie ein Haus am Stadtrand von Prag in Troja. Nur
       Kinder hatten sie keine, was mit einer schweren Infektionserkrankung von
       Dana in den Nachkriegsjahren zusammenhing.
       
       Nach der Samtenen Revolution im November 1989 wurde Zátopek spät
       rehabilitiert. Am 21. November 2000 starb er im Alter von 78 Jahren. Dana,
       die 2016 noch ein über 400 Seiten starkes Buch über das gemeinsame Leben
       mit Emil herausbrachte, starb 2020 im Alter von 97 Jahren. In einem
       Interview im September 2016 äußerte sie sich noch zum aktuellen
       Sportgeschehen – begeistert, aber auch skeptisch: „Ich habe mit
       Begeisterung die Sommerspiele in Rio im TV verfolgt und muss sagen: Der
       Sport als Kern der Spiele sollte dabei im Mittelpunkt stehen. Wir müssen
       heute umso mehr aufpassen, damit der Sport nicht zu einer
       Zirkusveranstaltung verkommt.“
       
       19 Sep 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Purschke
       
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