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       # taz.de -- ZDF-Doku über Zwangsprostitution: Legalisiert, aber nicht frei
       
       > Die ZDF-Doku „Billigware Sex – Ausgebeutet für 30 Euro“ verfolgt die Spur
       > des Geldes aus der Zwangsprostitution. Sie offenbart eine düstere
       > Parallelwelt.
       
   IMG Bild: Eine Informantin beim Undercover-Einsatz im Züricher Rotlichtviertel
       
       In Schweden, Kanada, Frankreich oder Israel ist der Kauf von Sex gesetzlich
       verboten. Das häufigste Argument gegen [1][das „Nordische Modell“]: Wenn
       man Prostitution verbietet, sind Prostituierte schutzlos Kriminellen und
       Freiern ausgesetzt. Obwohl mit dem Sexkaufverbot zwar nur die Freier, nicht
       aber die Prostituierten bestraft werden, ginge ja wohl keine Prostituierte
       zur Polizei, um Kunden anzuzeigen, so die Vermutung.
       
       Seit der EU-Osterweiterung wird in Deutschland politisch über den Umgang
       mit käuflichem Sex gestritten. Damals zeigte sich, dass die Liberalisierung
       des Sexgewerbes mit der Legalisierung 2002 mehr Leid für noch mehr Frauen
       bedeutete, die sich in Deutschland ein besseres Leben erhofften, aber nur
       Elend auf dem Strich fanden. 2016 wurde das Prostituiertenschutzgesetz
       (ProstSchG) verabschiedet, um die Situation von Prostituierten zu
       verbessern und sie vor Menschenhandel, Ausbeutung und Zwang zu schützen.
       
       2022 hält die Regierung an ihrem liberalen Credo fest. Deutschland ist zu
       einem internationalen Sexkauf-Hotspot geworden, in dem laut
       Bundesfamilienministerium täglich eine Million Freier die Dienste von
       Prostituierten in Anspruch nehmen und mehr als 14 Milliarden Euro Umsatz
       pro Jahr generieren.
       
       Wie steht es um die [2][Sicherheit von Prostituierten] in Deutschland? Was
       hat die freierfreundliche Prostitutionsgesetzgebung in Deutschland
       erreicht?
       
       ## Ignoranz der Regierung
       
       Nichts. Warum das so ist, lässt sich [3][in der Dokumentation] „Billigware
       Sex – Ausgebeutet für 30 Euro“ von Jan-Philipp Scholz und Johannes Meier
       anschauen. All das, was Gegner:innen des „Nordischen Modells“ in
       irgendeinem Untergrund sehen, in den Prostituierte gedrängt würden, wenn
       Sexkauf verboten wäre, passiert jetzt schon unter staatlicher Aufsicht und
       liberalen Gesetzen. Der Untergrund kennt keine Schatten mehr.
       
       Klingt zynisch, aber das, was Scholz, der sich seit Jahren mit
       Menschenhandel, Migrationsbusiness und moderner Sklaverei beschäftigt, mit
       seinem Kollegen in der Dreiviertelstunde offenbart, ist Zeugnis der fatalen
       Ignoranz einer Regierung, die Progressivität mit Regression verwechselt.
       Jeden Tag lässt sie schwere Formen von Zwangsprostitution zu. Die ist
       theoretisch verboten, praktisch aber integraler Bestandteil des Systems
       Prostitution.
       
       Scholz und Meier haben für ihre Doku da hingeschaut, wo viele Deutsche
       verruchte Rotlichtromantik und selbstbestimmte Huren sehen wollen. Sie
       zeigen den Abgrund eines Landes, das vorgibt, Prostituierte zu schützen,
       während sie auf modernen Sklavenmärkten in Deutschland missbraucht,
       entmenschlicht und ermordet werden.
       
       Angefangen in Deutschlands Rotlichtvierteln, wo Prostituierte ihren Körper
       zum Preis eines Mittagessens verkaufen, tauchen Scholz und Meier ohne
       Effekthascherei und Affektberichterstattung ein in die grausame
       Parallelwelt der Zwangsprostitution. Sie verfolgen dabei die Spur des
       Geldes über die Schweiz bis zu Hintermännern und -frauen in Nigeria.
       
       ## Schlupflöcher der Prostitutions-Gesetzgebung
       
       Dabei ist die emotionale Verwahrlosung eines deutschen Freiers, der immer
       wieder zu Wort kommt und erzählt, es sei ihm egal zu wissen, dass eine
       Prostituierte unter Zwang mit ihm Sex habe, das kleinere Übel.
       
       Bei ihren Recherchen stoßen die Filmemacher auf nigerianische
       Menschenhandel-Netzwerke, Hawala-Finanzsysteme, in denen Geld gewaschen und
       quer über den Globus transferiert wird und Psychoterror – ein real
       gewordener Fiebertraum, in dem Menschenhändler:innen und ominöse
       Geheimbünde das Sagen haben, die die Schlupflöcher der deutschen
       Prostitutions-Gesetzgebung so gut kennen wie [4][Cum-Ex]-Beteiligte das
       Netzwerk aus Banken, Investoren und Juristen.
       
       Das System Prostitution ist keine moralische Frage. Es ist eine des
       politischen Willens.
       
       19 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Antiprostitutionsgesetz-in-Frankreich/!5862212
   DIR [2] /Zwangsprostitution-vor-Stader-Gericht/!5836699
   DIR [3] https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/billigware-sex-ausgebeutet-fuer-30-euro-100.html
   DIR [4] /Kanzler-im-Cum-Ex-Skandal/!5875725
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Elena Wolf
       
       ## TAGS
       
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