# taz.de -- Wahlkampf in Niedersachsen: Vati, Mutti und die Landtagswahl
> So viel Krise macht ja ganz ratlos. Zeit für nickelige Performancekritik
> im niedersächsischen Landtagswahlkampf.
IMG Bild: Einer von denen macht das dann schon: Der Amtsinhabende Landesvati oder sein Herausforderer
Die Zeiten sind ernst und hässlich, nicht nur im Niedersachsen-Wahlkampf.
Da ist die Versuchung natürlich groß, sich lieber mit Killefitz zu
beschäftigen, mit Gendern und Layla, mit dem [1][„Niedersachen“-Druckfehler
auf Grünen-Plakaten] und [2][Pimmel-für-Deutschland-Gummibärchen bei der
AfD] oder der [3][Anzahl öffentlich-rechtlicher Redakteure auf
CDU-Parteitagen.]
Die wirklich wichtigen Fragen sind groß und komplex (Wie ändert man einen
Strompreis? Wie backt man sich Fachkräfte?), wer traut sich da schon ran.
Da flüchtet man sich doch viel lieber in so eine nickelige
Performancekritik, verteilt Noten wie beim Haltungsturnen: Wer hat wann wo
wie gut ausgesehen, clever pariert oder unsouverän reagiert, Nerven gezeigt
oder behalten? Wer hat die Nase vorn im Rattenrennen? Wie viele
Prozentpunkte in welcher Umfrage?
Mich persönlich nervt ja diese „Vati-macht-das-schon“-Attitüde, [4][mit der
die beiden männlichen Spitzenkandidaten antreten] – sowohl Bernd Althusmann
(CDU) als auch Stephan Weil (SPD).
## Mit ruhiger Hand in den Untergang steuern
Da wo ich herkomme, steht hinter jedem „Vati-macht-das-schon“ eine Mutti,
die grummelnd die Scherben auffegt und ich bin dieses Arbeitsteilungsmodell
wirklich sehr gründlich leid. Aber am Ende sagt das wahrscheinlich auch
mehr über die Männer in meiner Familie aus als über die Landespolitik. Bei
anderen kommt das bestimmt super an.
Der amtierende Landes-Vati hat jedenfalls einen bemerkenswerten
Launenwechsel durchlaufen, scheint mir. Zu Beginn des Wahlkampfes und
irgendwann im Sommer wirkte er noch geradezu aufreizend vergnügt – wie ein
altes Zirkuspferd, um dieses alte Bild noch einmal zu bemühen. Kopf
zurückgeworfen, Zähne gefletscht, Augen weit auf, triumphierend tänzelnde
Schritte – noch einmal in die Manege, noch einmal zeigen, was es kann.
Manchmal hatte es allerdings auch etwas Herablassendes, dieses: „Ach kommt,
Kinners, nun lasst mich doch einfach mal machen.“ Der Wahlkampfmodus sei
ein ganz eigener Gemütszustand, sagt Weil gern. Aber da gab es natürlich
auch noch so ein kleines Aufatmen zwischen Corona-fast-vorbei und der sich
verdichtenden nächsten Krise.
Die hat in den letzten Wochen und Tagen nun doch dafür gesorgt, dass sich
die kleine Zornes- und Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen noch einmal
tiefer einkerbt. Das ist ja auch keine leichte Aufgabe: Auf der einen Seite
Tatkraft und Zuversicht verbreiten und auf der anderen Seite auf gar keinen
Fall den Eindruck erwecken, man würde hier irgendwas auf die leichte
Schulter nehmen.
## Sozialdemokratische Glaubenssätze
Dabei ist er natürlich eigentlich in seinem Element: Die Krise immer eine
Armlänge auf Abstand halten, solides Durchverwalten, das kann er aus dem
Effeff, glaube ich. Mit den Visionen hatte er es halt nie so.
Und man kauft ihm das ja schon auch irgendwie ab, wie er da so schöne alte
sozialdemokratische Glaubenssätze wieder hervorkramt: Der Staat muss dies,
der Staat muss jenes. Vergessen wir mal diesen ganzen neoliberalen Quatsch,
dessen Vertreter jetzt eh betreten schweigen.
[5][Aber reicht das der Wählerschaft?] Dass einer sich mit Krisen von
gestern auskennt? Möchte man sich lieber mit ruhiger Hand in den Untergang
steuern lassen?
Am Ende, denke ich mir, wird es auf eine Art Vertrauensfrage hinauslaufen
und darauf, wie zuversichtlich oder wie finster Leute auf diese x-te Krise
gucken. Haben sie das Gefühl, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein?
Und glauben sie, das könnte noch mal klappen? Oder wird in ihren Augen
alles immer nur schlimmer? Fühlen sie sich nicht gehört, verraten und
verkauft, zu billig abgespeist?
Vielleicht nervt auch eigentlich diese kindliche Erwartungshaltung. Ich
wünschte wirklich, wir könnten endlich mal wählen wie Erwachsene. Aber da
wird es natürlich kompliziert und furchtbar anstrengend.
1 Oct 2022
## LINKS
DIR [1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Rechtschreibfehler-im-Wahlplakat-der-Gruenen-Spitzenkandidatin,juliawilliehamburg106.html
DIR [2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-in-niedersachsen-gummibaerchen-penisse-spott-ueber-missratene-wahlkampfpraesente-a-d169f8f7-28cc-4e19-9cd2-c954199808bf
DIR [3] https://www.t-online.de/region/hannover/id_100053606/friedrich-merz-spitze-gegen-oeffentlich-rechtliche-redakteure-ard-reagiert.html
DIR [4] /TV-Duell-im-Wahlkampf-Niedersachsen/!5884658
DIR [5] /Landtagswahl-in-Niedersachsen/!t5359125
## AUTOREN
DIR Nadine Conti
## TAGS
DIR Kolumne Provinzhauptstadt
DIR Landtagswahl in Niedersachsen
DIR Stephan Weil
DIR Bernd Althusmann
DIR Kolumne Provinzhauptstadt
DIR Kolumne Provinzhauptstadt
DIR Kolumne Provinzhauptstadt
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Niedersachsen vor der Wahl: Mittelalte Männer mit Macht
Niedersachsen? Kam von dort nicht eine Politikerschwemme über Berlin? Der
Mechanismus dahinter ist vor allem ein Problem für Frauen.
DIR Ärger um Vergabeverfahren: Der alte Mann und die Wut
Er ist der J.R. Ewing Hannovers: Der Bauunternehmer Günter Papenburg. Jetzt
ist er auf höchst unterhaltsame Weise mit der Politik aneinander gestoßen.
DIR Autonomes Fahren in Hannover: Die Buslinie, die es nicht gibt
Ein kleines Gefährt am Stadtrand von Hannover weckt Erinnerungen an
Klamaukfilme und wirft die Frage auf, was Busfahrern eigentlich Freude
macht.
DIR Gefühlte Kriminalität: Messer und Anti-Helden
Gibt es mehr Messer, mehr Dummheit oder zu viel Berichterstattung? Die
Kolumnistin zweifelt an der Sicherheit ihrer Erziehungsmethoden.