# taz.de -- Deutsches Desinteresse an Armenien: Peinliches Herumdrucksen
> Der Bundestag rafft sich zwischen Armenien und Aserbaidschan nicht zu
> einer eindeutigen Positionierung auf. Bei der Resolution von 2016 war das
> noch anders.
IMG Bild: Menschen protestieren 2016 in Berlin mit armenischen Flaggen für die Anerkennung des Völkermords
Erinnert sich noch jemand an die Armenien-Resolution? Sechs Jahre ist es
her, dass der Bundestag die Verfolgung der Armenier im Osmanischen Reich
als Völkermord anerkannte. Explizit bedauerten die Abgeordneten die Rolle
des Deutschen Reichs, das „trotz eindeutiger Informationen auch von Seiten
deutscher Diplomaten“ nichts gegen den Genozid unternahm, da es die
Verbündeten in Istanbul nicht verprellen wollte. Im Bundestag ging der
Beschluss 2016 mit nur einer Gegenstimme durch.
So immens die Solidarität mit den toten Armeniern auch war: Für weite Teile
der deutschen Politik folgt daraus kein Engagement für die Lebenden. Eine
Woche ist es her, [1][dass Aserbaidschan das armenische Kernland
militärisch angriff]. Die aserbaidschanische Seite verbreitet selbst
Aufnahmen besetzter Stellungen und geschändeter armenischer Frauenleichen.
Inzwischen hält zwar seit mehreren Tagen eine [2][Feuerpause]. Zumindest
die öffentlichen Reaktionen aus Berlin werden in Baku aber nicht den
Eindruck hinterlassen haben, dass man von weiteren Vorstößen in Zukunft
lieber absehen sollte.
Zusammenhalt von Demokratien gegen Völkerrechtsbrüche? Schluss mit beredtem
Schweigen? [3][Feministische Außenpolitik]? Nach dem Angriff auf Armenien
ist davon nichts zu spüren. Die Bundesregierung kann sich nicht mal dazu
durchringen, Täter und Opfer der jüngsten Auseinandersetzung zu benennen.
„Der Konflikt hat eine sehr lange Vorgeschichte und ist sehr komplex“,
sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Montag nur.
Generell stimmt das. Die Genese der aktuellen Gefechte war aber nicht so
kompliziert, dass man sich nach einer Woche noch um die Schuldfrage
herumdrücken müsste. Die US-Regierung hat es geschafft, die
aserbaidschanische Verantwortung zu benennen, ohne allzu sehr Partei für
die armenische Regierung zu ergreifen. Dass es die Bundesregierung anders
hält, ist moralisch falsch und strategisch kurzsichtig: Wer sich nur in
ausgewählten Konflikten zu einer Positionierung aufrafft, kann im Kampf für
eine regelbasierte Ordnung nicht glaubwürdig auftreten.
20 Sep 2022
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## AUTOREN
DIR Tobias Schulze
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