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       # taz.de -- Porträt des Theatermachers Nis Søgaard: Der Drang zum Abgrund
       
       > Nis Søgaard ist Theaterregisseur. Er greift große Themen auf und erzählt
       > mit Puppen und Objekten. In Berlin kommt sein Stück „Glamour Montain“
       > raus.
       
   IMG Bild: Nis Søgaard und Jana Barthel arbeiten mit Objekten und Puppen
       
       Sind Humor und Klimawandel miteinander vereinbar? Nun, der dänische
       Puppenspielregisseur Nis Søgaard ist davon überzeugt. Er lässt [1][in der
       Berliner Schaubude] drei Wesen, die aus einem Alpenberg geboren werden,
       erzählen, was die Menschen so treiben, mit riesigen Skiliften, Schnee, der
       aus Kanonen kommt, oder Prosecco aus Dosen.
       
       „Wir haben eine Distanz geschaffen über die Wesen, die diese Geschichte
       erzählen, und auch, weil wir das Geschehen in die Zukunft verlagern“, meint
       Søgaard in einer Pause zwischen den Proben. „Das Stück ‚Glamour Montain‘
       feiert eine neue Welt, auch die Zerstörung, die damit einhergeht. Wir
       versuchen das auf eine Art umzusetzen, die Humor auch erlaubt. Ich glaube,
       der Mensch hat manchmal den Drang, allein durch seine Präsenz alles um ihn
       herum zu zerstören, und diesen Drang, dem Abgrund zuzustreben, spüren auch
       diese Wesen, indem sie die Menschen nachspielen, im Guten wie im Bösen.“
       
       Mit dem Konzept beschäftigen sich er und seine Bühnenbildnerin und
       künstlerische Partnerin Jana Barthel schon seit mehr als zwei Jahren. Die
       Lotterie des Fördersystems führt dazu, dass manche Konzepte länger liegen
       bleiben. Andere, gerade einmal antragsfertig angedacht, müssen plötzlich
       realisiert werden, weil das Geld auf einmal vorhanden ist.
       
       ## Der Klimawandel ist schon da
       
       „Glamour Mountain“ mussten Søgaard und Barthel dann auch immer mal wieder
       umarbeiten. „Wir haben gemerkt, dass wir die Dinge, die wir vor zwei Jahren
       als Sorgen, Ängste und Prognosen aufgeschrieben haben, jetzt schon haben.
       Wir hatten während der Proben wochenlang 37 Grad draußen, das war schon
       Realität. Auch deshalb gehen wir mit der Geschichte in eine Zukunft“,
       erklärt Barthel. Immer in der Hoffnung natürlich, dass die mit schwarzem
       Humor gemalte Zukunft nicht zu schnell Gegenwart wird.
       
       Søgaard ist in der Vergangenheit bereits mit gewagten Verknüpfungen
       aufgefallen. In „Danish Pork“ lässt er dänische Landwirtschaft und dänische
       Porno-Industrie zusammenfließen. Verbindendes Element ist rosa Fleisch, das
       der Schweine und das einer Landwirtin, die des ökonomischen Überlebens
       wegen zu einem Porno-Star wird.
       
       Brillant war auch die von ihm in Szene gesetzte Transformation des
       Dogma-Films von Thomas Vinterberg „Das Fest“ in eine Orgie demütigender und
       gedemütigter Schweine und Affen. Søgaard, auch Puppenspieldozent an der
       Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, realisierte die Produktion
       mit dem 3. Studienjahr.
       
       Aktuell wurde er mit seiner [2][Dresdener Produktion „Was das Nashorn sah,
       als es auf die andere Seite des Zauns schaute“], in dem es um die
       Geschichte eines Zoologischen Gartens in der Nachbarschaft zu einem
       Konzentrationslager geht, für den Theaterpreis Faust nominiert. Zum zweiten
       Mal übrigens schon. Puppenspielern und Puppenspielregisseuren passiert das
       eher selten.
       
       Denn die Kategorie Puppenspiel taucht gar nicht auf; lediglich unter der
       Rubrik Kinder- und Jugendtheater finden sich zuweilen Nominierte aus dem
       Puppen- und Objekttheater. „Ja, eine eigene Kategorie wäre schön“, seufzt
       Søgaard. Mit der Diversität ist es im Theaterbetrieb nicht einmal bezüglich
       der Genres ganz weit her.
       
       ## Auf die Bühne gerutscht
       
       Zum Puppenspieler und später Puppentheaterregisseur wurde Søgaard eher aus
       Zufall. „Am Anfang wollte ich nur Puppen bauen. Ich kann das zwar nicht
       sehr gut, aber ich konnte ziemlich gut modellieren und schnitzen. In
       Dänemark bin ich dann zu einem Workshop gegangen, von dem ich dachte, es
       ginge darin um Gestaltung. Es war dann aber ein Workshop für
       Schauspieler*innen, die das Metier lernen wollten. Ich bin da
       hineingerutscht, obwohl ich überhaupt nicht auf der Bühne stehen wollte.
       Insofern war mein Einstieg mit sehr viel Angst verbunden“, erzählt er
       rückblickend.
       
       Søgaard entdeckte dabei aber sein Talent dafür, Geschichten über ein Objekt
       erzählen zu können. „Das war die Rettung. Denn dabei stand nicht ich im
       Vordergrund, sondern das Objekt“, berichtet er. Søgaard studierte
       schließlich Puppenspiel in Berlin, an der Schule, in der er jetzt auch
       unterrichtet. Er spielte viele Jahre fest als Puppenspieler im Ensemble des
       Puppentheaters Magdeburg. Und seit einigen Jahren macht er sich als
       Regisseur einen Namen, der das Puppen- und Objekttheater mit neuen Themen
       und überraschenden Ästhetiken erweitert.
       
       Manchmal, so hat er gemerkt, rümpfen klassische Puppenspieler*innen
       über das, was er macht, die Nase, und fragen, ob das überhaupt noch „Puppe“
       sei. Es handelt sich dabei vor allem um sorgsam versteckte Anerkennung. Es
       wird Zeit, dass auch eines der großen Häuser ihn mal „entdeckt“. Denn Räume
       füllen kann dieser Objektexperimentator ganz gewiss.
       
       Und dass er die Kunst von Theaterwerkstätten, wenn er sie denn zur
       Verfügung hat, auch optimal zur Entfaltung bringen kann, zeigte er bei
       seiner auf Corona-konforme Boxen getrimmten, für den Faust-Preis
       nominierten Stück im Theater der Jungen Generation in Dresden ebenfalls.
       „Glamour Mountain“ hat Søgaard als Serie konzipiert, noch so ein
       Erneuerungsversuch in der kleinen Sub-Branche.
       
       22 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Digitales-Theater-fuer-Schulen-und-Kitas/!5753619
   DIR [2] https://www.tjg-dresden.de/puppentheater/was-das-nashorn-sah-als-es-auf-die-andere-seite-des-zauns-schaut.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Mustroph
       
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