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       # taz.de -- Pushbacks an deutsch-polnischer Grenze: Keine Chance auf Asyl
       
       > An der deutsch-polnischen Grenze werden Flüchtlinge ohne Asylverfahren
       > abgewiesen. Hilfsorganisationen halten das für rechtswidrig.
       
   IMG Bild: Die Bundespolizei kontrolliert einen Reisebus mit Ukrainerinnen am Grenzübergang Görlitz/Zgorzelec
       
       Berlin taz | Die Zurückweisung von Asylsuchenden ist gängige Praxis [1][an
       der deutsch-polnischen Grenze.] Das geht aus einer Antwort der
       Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Clara Bünger
       hervor. Demnach wurden von Januar bis Juli insgesamt 46 Geflüchtete nach
       Überqueren der deutschen Grenze von der Bundespolizei ohne Asylverfahren
       zurück nach Polen geschickt.
       
       Für Bünger, Bundestagssprecherin der Linken für Flucht- und Rechtspolitik,
       „nähren die Zahlen den Verdacht, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle
       handelt“. Die Zahl der Zurückweisungen hat sich laut Innenministerium in
       der ersten Jahreshälfte im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt: 2021
       zählten die Behörden 22 Fälle. Bünger fordert von SPD-Innenministerin Nancy
       Faeser, diese „potentiell rechtswidrige Praxis“ zu stoppen.
       
       In der EU regelt die Dublin-Verordnung, welcher Mitgliedstaat für die
       Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. „Wenn Personen an der
       deutsch-polnischen Grenze ein Asylgesuch äußern, müssten sie demnach
       zunächst registriert werden“, heißt es in der Anfrage der
       Linken-Politikerin. Das Innenministerium dagegen schreibt, die
       „bundespolizeiliche Praxis steht mit der Rechtslage in Übereinstimmung“.
       Flüchtlingsräte und Aktivst:innen bezeichnen dieses Vorgehen als
       „legalisierte Pushbacks“.
       
       [2][Hintergrund der Anfrage war ein im August erschienener Artikel der taz]
       über zwei Männer aus dem Jemen, die kurz hinter der Grenze im sächsischen
       Görlitz von der Bundespolizei aufgegriffen wurden. Die Bundespolizei nahm
       sie auf die Wache und befragte sie mit einer Dolmetscherin nach den Gründen
       ihrer Einreise. Die zwei Männer betonten mehrfach, in Deutschland Asyl
       beantragen zu wollen. Trotzdem habe die Bundespolizei sie unter Druck
       gesetzt, mehrere Dokumente zu unterschreiben, die sie nicht lesen konnten.
       
       ## 46 Zurückweisungen bis Juli
       
       Später teilte die Bundespolizei der taz mit: „in den beschriebenen Fällen
       lag kein Schutzersuchen nach vorliegender Definition vor.“ Und weiter:
       „Somit wurde die Zurückweisung nach Polen angeordnet.“Betroffen von den 46
       Zurückweisungen bis Juli waren unter anderem 27 Staatsangehörige aus
       Georgien, Moldau, Afghanistan, Syrien und aus dem Jemen. Die Länder zählen
       zu den häufigsten Herkunftsstaaten von Geflüchteten, die in Deutschland
       Asyl beantragen.
       
       Julian Pahlke, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Experte für Migration,
       nennt die Zurückweisungen an Schengen-Binnengrenzen „rechtlich bedenklich“.
       Er „erwarte, dass die Bundespolizei diese Vorfälle ernst nimmt und
       Überprüfungen durchführt“.
       
       Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat Sachsen kennt Geschichten wie die der
       jemenitischen Männer in Görlitz. Die offizielle Bestätigung der
       Bundesregierung, dass dies kein Einzelfall ist, überrascht ihn nicht.
       Genauso wenig ist Schmidkte über die steigende Zahl der Zurückweisungen
       erstaunt. Derzeit kämen mehr Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien als in
       den Vormonaten in Sachsen an. „Wir haben Hinweise erhalten, dass ähnliche
       Vorfälle auch im deutsch-tschechischen Grenzgebiet stattgefunden haben“,
       sagt Schmidtke.
       
       ## Auch Europarat ist alarmiert
       
       Es sei jedoch schwierig, [3][einzelne Zurückweisungen] konkret zu belegen.
       Auch Henrike Koch vom Flüchtlingsrat in Brandenburg nennt die Zahlen der
       Zurückweisungen „besorgniserregend“. Sie sagt, die erste Hürde sei es,
       überhaupt davon zu erfahren. Koch hofft, dass sich Zurückweisungen an
       deutschen Grenzen nicht weiter etablieren, „wie es an den Außengrenzen
       anderer EU-Länder schon der Fall ist“. Bereits im vorigen Herbst hatte die
       Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, gewarnt: „Die
       Verweigerung des Zugangs zu Asyl und Rückführungen ohne Wahrung der
       inviduellen Schutzrechte“ breite sich auf „alarmierende Weise“ in Europa
       aus.
       
       22 Sep 2022
       
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