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       # taz.de -- Ex-Gestapo-Zentrale in Hamburg: Gedenkort nur für 20 Jahre sicher
       
       > Nach der gescheiterten Privatisierung des Gedenkens in der
       > Ex-Gestapo-Zentrale übernahm nun eine Hamburger Stiftung den Ort. Die
       > Perspektive ist vage.
       
   IMG Bild: Lukrative Immobilie mit Mini-Gedenkort: Hamburgs Stadthaus, während der NS-Zeit Gestapo-Zentrale
       
       Hamburg taz | Die nächsten Dekaden sind gesichert – aber vielleicht nur
       sie: Für 20 Jahre hat Hamburgs Senat jetzt den [1][Gedenkort Stadthaus] in
       der Ex-Gestapo-Zentrale mietfrei übernommen, laut Vertrag „mit
       unbefristeter Option auf Verlängerung“.
       
       Warum es nur 20 Jahre wurden, kann Kulturbehördensprecher Enno Isermann
       auch nicht erklären. Jedenfalls profitiert der aktuelle Eigentümer der
       Immobilie von dem Arrangement: Die Ärzteversorgung Niedersachsen könnte
       leicht aus dem am gestrigen Donnerstag unterzeichneten Vertrag aussteigen.
       Danach könnte sie entweder Miete fordern oder den Gedenkort wieder ganz
       selbst betreiben. Das wäre dann allerdings die Neuauflage jenes
       [2][privatisierten Gedenkens], das in den vergangenen Jahren gründlich
       misslang.
       
       Binnen weniger Wochen und ohne Debatte in Kulturausschuss und
       Öffentlichkeit wurde der Vertrag am Mittwoch durch die Hamburger
       Bürgerschaft gebracht. Auch die vom Kultursenator versprochene Einbindung
       der Verfolgtenverbände im Vorfeld entfiel.
       
       Nun ist also die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, zu der auch
       die KZ-Gedenkstätte Neuengamme gehört, Betreiberin des Ortes und muss
       gerade rücken, was der Senat seinerzeit versäumte. 2009 nämlich hatte der
       damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) die attraktive
       Innenstadt-Immobilie – im NS-Staat Sitz von Polizei, Kripo und Gestapo, wo
       etliche WiderstandskämpferInnen verhört und gefoltert wurden – an den
       Investor Quantum verkauft.
       
       ## Lukrative Immobilie verkauft
       
       Der verpflichtete sich vertraglich, einen 750 Quadratmeter großen
       Gedenkort einzurichten und zu betreiben. Er rechnete ihn dann auf 70
       Quadratmeter in der Ecke eines Buchladens klein und [3][luxussanierte] den
       Gebäudekomplex zu den [4][„Stadthöfen“] mit Hotel und Nobelläden. Seither
       hagelte es Proteste der Verfolgtenverbände, die seit 2018 jeden Freitag vor
       dem Stadthaus demonstrieren. Zur Beruhigung weihte die Kulturbehörde nach
       einem längeren Ausschreibungsprozess kürzlich die [5][Bodenskulptur
       „Stigma“] ein, eine Art ins Trottoir eingelassene „Blutspur“. Eine
       Erklärungstafel an der Hauswand wollten weder die beiden beteiligten
       Künstlerinnen – Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper – noch der Eigentümer der
       Immobilie.
       
       In diesem Frühjahr ging die Buchhändlerin, mit dem zusätzlichen Betrieb des
       Gedenkorts überfordert, insolvent, und seither rang man um eine Lösung. Die
       sieht jetzt vor, dass die Stadt einmalig 100.000 Euro für den Einbau eines
       multifunktionalen Veranstaltungs- und Seminarraums sowie partizipative
       Informationsangebote gibt. Und anders als die Kulturbehörde möchte die
       Stiftung nun durchaus im Vorfeld mit den Verfolgtenverbänden über eine
       eventuelle Ergänzung der Mini-Ausstellung beraten.
       
       Zusätzlich gibt der Senat jährlich 139.000 Euro für die Bewirtschaftung des
       Ortes. Die unbefristete Vollzeitstelle für den Gedenkort finanziert die
       Stiftung derzeit noch aus eigenen Mitteln, die während der Corona-Pandemie
       eingespart wurden. „Sobald dieses Geld aufgebraucht ist, wird die
       Kulturbehörde diese Stelle finanzieren. Das ist fest zugesagt“, erklärt
       Behördensprecher Isermann.
       
       Das ist löblich. Aber eigentlich müsste laut Ursprungsvertrag – und der
       bleibt ja gültig – der Gebäudeeigner Einrichtung und Betrieb des Ortes
       finanzieren. „Wir finden empörend, dass die Stadt das nun tut und den
       Eigentümer aus seiner Verpflichtung entlässt“, sagt Cornelia Kerth,
       Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
       Antifaschisten (VVN-BdA).
       
       In der Tat beteiligt sich die Ärzteversorgung Niedersachsen, lediglich mit
       einer einmaligen Zustiftung von 25.000 Euro am Umbau des Gedenkorts.
       
       23 Sep 2022
       
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   DIR Petra Schellen
       
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