URI: 
       # taz.de -- Rechte Regierungen in der EU: Auf dem Vormarsch
       
       > Ungarn und Polen werden schon lange rechts regiert, nun kommen Schweden
       > und vermutlich Italien dazu. Doch die Alarmglocken in der EU klingeln
       > nicht.
       
   IMG Bild: Melonis Partei Fratelli d’Italia hat sich nie vom Faschismus distanziert
       
       Brüssel taz | Erinnern Sie sich noch an die Aufregung, als die [1][linke
       Syriza-Partei] im Januar 2015 in Griechenland die Regierung übernahm?
       Deutschland setzte die Pickelhaube auf, die Europäische Union geriet in
       Panik. In Brüssel folgte eine Krisensitzung auf die nächste, Berlin
       forderte den Rauswurf aus dem Euro. Erst als Premier Alexis Tsipras zu
       Kreuze kroch und ein hartes Austeritätsprogramm schluckte, beruhigte sich
       die Lage.
       
       An Griechenland wurde ein Exempel statuiert, seitdem ist die Linke in
       Europa in der Defensive. Ganz anders sieht es auf der rechten Seite des
       Parteienspektrums aus. Nationalisten und Rechtspopulisten sind in mehreren
       Ländern auf dem Vormarsch.
       
       Ungarn und Polen werden schon seit Jahren rechts regiert. Vor Kurzem kam
       auch noch Schweden hinzu: Vergangenen Sonntag wurde dort die
       Mitte-links-Regierungskonstellation abgewählt, der [2][rechte Block hat
       künftig die Mehrheit im Parlament], die rechtspopulistischen
       Schwedendemokraten haben ein Rekordergebnis erzielt. Und nun droht der
       Super-GAU: Wenn nicht alles täuscht, werden [3][am Sonntag in Italien] die
       Postfaschisten die Macht übernehmen.
       
       Die rechtsextreme Partei Fratelli d’Italia und ihre Chefin Giorgia Meloni
       haben sich nie vom Faschismus und von Mussolini distanziert. Jetzt wollen
       sie zusammen mit Silvio Berlusconis Partei Forza Italia die Regierung
       stellen.
       
       ## Es bleibt ruhig
       
       Doch diesmal klingeln in der Europäischen Union keine Alarmglocken – oder
       wenn, dann sind sie verdammt leise. Sozialdemokraten und Grüne im
       Europaparlament finden es zwar „befremdlich“, dass die Konservativen mit
       den Postfaschisten paktieren. Sie stellen sich ihnen aber nicht in den Weg.
       Obwohl Berlusconi die EU schon einmal in die Krise stürzte. Auf dem
       Höhepunkt der Eurokrise wurde er zum Rückzug gezwungen. Und jetzt ignoriert
       Brüssel einfach die rechte Gefahr.
       
       Das mag daran liegen, dass die führenden Konservativen,
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und der Chef der
       größten Parlamentsfraktion, Manfred Weber (CDU), die Daumen für Berlusconi
       drücken. Sie schämen sich offenbar nicht dafür, dass ein Mitglied ihrer
       Parteienfamilie EVP zum Steigbügelhalter für die Postfaschisten werden
       könnte. Gegen links machen sie mobil, mit einem Rechtsruck haben sie keine
       Probleme.
       
       Eine andere Erklärung lautet, dass sich Möchtegern-Premierministerin Meloni
       zumindest verbal zur EU bekannt hat. Im Wahlkampf beteuerte sie, dass
       Italien auch unter ihrer Führung ein verlässlicher Partner bleiben wolle.
       Allerdings erklärte Meloni auch, dass bald „der Spaß vorbei“ sein werde.
       „Auch Italien wird anfangen, seine nationalen Interessen zu verteidigen. So
       wie es die anderen machen auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen.“
       
       Wenn sie es ernst meint, droht Europa ein Rückfall in Egoismus und
       Nationalismus – und das zu einer Zeit, da die Europäische Union durch den
       russischen Angriffskrieg in der Ukraine gebunden und durch die
       Wirtschaftssanktionen geschwächt ist.
       
       ## Eine erneute Eurokrise?
       
       Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Italien könnte nach einem Rechtsruck
       eine neue Eurokrise auslösen. Das Land ist hoch verschuldet und hat mit
       steigenden Zinsen zu kämpfen. Ein falsches Wort, und die Lunte brennt.
       
       Das größte Problem ist jedoch, dass sich die Gewichte in der EU verschieben
       und die Entscheidungsfindung immer schwieriger wird. Bisher war Italien –
       zusammen mit Deutschland und Frankreich – eine tragende Säule.
       
       Künftig könnte es zum Quertreiber werden, so ähnlich wie Polen. Oder zum
       unsicheren Kantonisten wie Ungarn. Mit dem trauten Trio aus Berlin, Paris
       und Rom, das gemeinsam im Sonderzug nach Kiew reist, ist es jedenfalls
       vorbei.
       
       Noch ist unklar, welchen Kurs Meloni und Berlusconi in der Außenpolitik
       fahren werden. Doch EU-Diplomaten treibt die Sorge um, dass die Rechten den
       harten Kurs gegen Russland lockern und die Sanktionen aufweichen könnten.
       
       Allerdings trauen sie sich nicht, das offen auszusprechen. Vor Alexis
       Tsipras, dem Linken, wurde laut gewarnt. Bei Giorgia Meloni, der Rechten,
       wird leise getreten. Ist die EU auf dem rechten Auge blind? Es sieht ganz
       so aus.
       
       23 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Parteitag-der-Linken-von-Griechenland/!5849418
   DIR [2] /Rechtsruck-in-Schweden/!5881825
   DIR [3] /Parlamentswahlen-in-Italien/!5879791
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR EU-Politik
   DIR Italien
   DIR rechte Parteien
   DIR Schweden
   DIR Schweden
   DIR Italien
   DIR EVP
   DIR italienische Parlamentswahlen
   DIR Italien
   DIR Schweden
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ministerpräsident in Schweden gewählt: Die Rechtsregierung steht
       
       Zusammen mit den rechtsextremen Schwedendemokraten regiert nun Ulf
       Kristersson. Das Parlament hat bereits über das Regierungsprogramm
       debattiert.
       
   DIR Wahlen in Italien: Disastro italiano
       
       In Italien hat das rechte Bündnis um die postfaschistische Partei Fratelli
       d’Italia unter Giorgia Meloni gewonnen. Das ist eine historische Zäsur.
       
   DIR Unterstützung der EVP durch die Union: Das Gerede von der Brandmauer
       
       Manfred Webers EVP hat mitgeholfen, die extreme Rechte in Italien an die
       Macht zu bringen. Viel zu spät distanziert sich CSU-Chef Söder nun von
       Weber.
       
   DIR Parlamentswahlen in Italien: Was wählen und wenn ja, wie viele?
       
       Am Sonntag wird in Italien ein neues Parlament gewählt. Unsere
       deutsch-italienische Autorin lebt in Berlin und fragt: Lohnt sich Wählen
       überhaupt?
       
   DIR Politologin über Giorgia Meloni: „Sie strebt den Umbau rückwärts an“
       
       Die Chefin der rechtsextremen Fratelli d’Italia könnte die Parlamentswahlen
       in Italien gewinnen. Für Europa würde das Chaos bedeuten, sagt Politologin
       Sofia Ventura.
       
   DIR Parlamentswahl in Schweden: Bullerbü war immer nur Fantasie
       
       Der Erfolg der Schwedendemokraten bei der Parlamentswahl wird mit Sorge
       beobachtet. Doch ob sie etwas zu melden haben werden, ist ungewiss.