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       # taz.de -- WM im Straßenradsport: Königin der Leiden
       
       > Annemiek van Vleuten gewinnt trotz Ellenbogenbruch das Straßenrennen der
       > Frauen. Remco Evenepoel holt nach der Spanienrundfahrt auch den WM-Titel.
       
   IMG Bild: Annemiek van Vleuten jubelt nach ihrem Sieg in Wollongong
       
       Berlin taz | Annemiek van Vleuten lieferte bei den Welttitelkämpfen in
       Australien eine alternative Erklärung für den Sinngehalt des
       Regenbogentrikots. Denn die Farbgebung von blau über rot bis grün, die das
       traditionell den WM-Siegerinnen und Siegern im Radsport verliehene Textil
       aufwies, dürfte van Vleuten auch unter dem Verband direkt auf der Haut
       getragen haben. Beim Teamzeitfahren hatte sich die Niederländerin einen
       Ellenbogenbruch zugezogen.
       
       Lange Zeit schien fraglich, ob sie überhaupt zum Straßenrennen würde
       antreten können. Sie biss sich durch, erteilte eigenen Ambitionen aber eine
       Absage und wollte vor allem als Helferin für Landsfrau Marianne Vos
       agieren.
       
       Dann spülte sie der Rennverlauf im Finale des 163 km langen Rennens aber
       noch an eine Spitzengruppe um die Friedrichshafenerin Liane Lippert heran.
       Und in einem Moment, als die einen enttäuscht waren, eingeholt zu sein, und
       die anderen damit beschäftigt waren, letzte Kräfte für den Sprint sammeln,
       überrollte die Frau mit dem gebrochenen Ellenbogen die gesamte Gruppe und
       stürmte als Erste ins Ziel.
       
       „Der Sturz hatte alle meine Träume vom Gewinn des WM-Titels hier beendet.
       Ich habe keine einzige Sekunde daran gedacht, dass das überhaupt möglich
       sein kann“, sagte van Vleuten nach ihrem Coup. Die 39-Jährige ist mit
       enormer Widerstandskraft ausgestattet.
       
       ## Im Dreikronen-Klub
       
       Bereits die [1][Tour de France der Frauen], die nach langer Pause in diesem
       Jahr erstmals wieder ausgetragen wurde, gewann sie nach gesundheitlichen
       Rückschlägen in beeindruckender Manier mit einem Solosieg auf der Planche
       des Belles Filles.
       
       In Australien war sie nur für wenige Meter Solistin. Aber das brachte ihr
       den Titel ein. Sie ordnete es als „vielleicht der beste Sieg meiner
       Karriere“ ein. „Es ist eine schöne Geschichte, die ich heute geschrieben
       habe, vielleicht ist das auch eine Inspiration für andere“, meinte sie.
       
       Weil sie in diesem Jahr neben WM-Titel und Tour de France-Sieg auch den
       Giro d’Italia gewann, fand sie Eingang in den Triple Crown Club des
       Radsports. Die Mitgliedschaft wird durch Siege bei zwei Grand Tours und der
       WM in einer Saison erworben. Nur Eddy Merckx und Stephen Roche gehörten
       bislang dazu. Beide gewannen wie van Vleuten jeweils Tour, Giro und WM, der
       Belgier 1974, der Ire 1987.
       
       Solche Meriten hat van Vleuten auch dem Männerweltmeister voraus. Remco
       Evenepoel holte sich dank einer 59 km vor dem Ziel gestarteten Attacke den
       Titel. Er bestätigte damit die grandiose Spätform, die er auch [2][beim
       Gewinn der Spanienrundfahrt] vor wenigen Wochen aufgewiesen hatte. Aber bei
       ihm kommen eben nur ein Grand-Tour-Sieg plus Weltmeistertrikot zusammen.
       
       Der zweifache Tour de France-Sieger Tadej Pogacar hatte mit dem Ausgang des
       Rennens nichts zu tun. Der diesjährige Frankreich-Triumphator Jonas
       Vingegaard war gar nicht erst angereist wie auch manch andere Topfavoriten
       wie die Exweltmeister Mads Pedersen und Alejandro Valverde oder der
       einheimische Sprintstar Caleb Ewan. Einigen war die Reise nach Australien
       mit 24 Stunden Flugzeit und zwei Zeitumstellungen zu stressig. Andere, wie
       Ewan und Valverde, wurden von ihren Teams nicht freigegeben, weil sie bei
       unterklassigen Rennen UCI-Punkte sammeln sollen, die für die Neuverteilung
       der Lizenzen elementar sind.
       
       Die Abwesenden konnten sich damit trösten, kuriosen Kollisionen aus dem
       Wege gegangen zu sein. Zahlreiche WM-Starter klagten über Attacken wilder
       Elstern.
       
       Mitfavorit Mathieu van der Poel erwischte es noch schlimmer. Weil der
       Niederländer offenbar gewaltsam Nachtruhe gegen zwei Teenagerinnen in
       seinem Hotel durchsetzen wollte, fand er sich nach Anzeige der Eltern in
       der Nacht vor dem Straßenrennen in der Zelle auf einer Polizeistation
       wieder. Er stieg entkräftet frühzeitig aus dem Rennen aus – und muss wohl
       mindestens bis Dienstag, bis zur richterlichen Anhörung, im Lande bleiben.
       
       25 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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