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       # taz.de -- Strafvollzug Berlin: Es fehlt dem Knast der Lichtblick
       
       > Wegen krimineller Handlungen eines Redakteurs wurden die
       > „Lichtblick“-Redaktionsräume durchsucht. Seit vier Wochen ist die
       > Gefangenenzeitung dicht.
       
   IMG Bild: Justizvollzugsanstalt Tegel
       
       Berlin taz | Man stelle sich vor, der Rundfunk Berlin-Brandenburg wäre
       dichtgemacht worden, nachdem die Staatsanwaltschaft in der Affäre um die
       dann entlassene Intendantin Patricia Schlesinger Anfang September erstmals
       die [1][RBB-Führungsetage durchsucht] hat. So lange, bis alle
       beschlagnahmten Unterlagen und Datenträger ausgewertet sind.
       Erfahrungsgemäß dauern solche Ermittlungen ganz schön lange.
       
       Der unabhängigen Gefangenenzeitschrift Lichtblick ergeht das so. Am 31.
       August rückte die Kripo in der JVA Tegel an, durchsuchte sieben Stunden die
       Redaktionsräume, nahm Datenträger, Computer und sonstige IT-Hardware mit.
       Inzwischen ist die Redaktion vier Wochen zu, aber niemand hat sich bisher
       darüber empört.
       
       Der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses werde sich am 5. Oktober mit der
       Situation des Lichtblicks befassen, versicherte Sebastian Schlüsselburg,
       rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei, auf taz-Nachfrage. Bei der
       letzten Rechtsausschusssitzung war der Besprechungspunkt aus Zeitgründen
       nicht mehr drangekommen. „Die Gefangenenzeitschrift ist kein rechtsfreier
       Raum, Pressefreiheit gilt auch dort“, betonte Schlüsselburg. „Unsere
       Erwartung ist ganz klar, dass es den Lichtblick weitergeben muss.“
       
       Seit 54 Jahren gibt es [2][Deutschlands einzige unabhängige
       Gefangenenzeitschrift] inzwischen. Früher erschien sie monatlich,
       inzwischen kommt sie viermal im Jahr mit einer bundesweiten Auflage von
       7.500 Heften heraus. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder Aufregung
       um die Zeitung, die aber eher Inhalten geschuldet war.
       
       ## Fluchtfahrzeug für Banküberfall geliefert
       
       Die zumeist aus vier Insassen bestehende Reaktion versteht sich als
       Interessenorgan der Gefangenen, muss deren Kritik an den Zuständen aber
       sachlich halten, um den Fortbestand der Zeitung nicht zu gefährden.
       
       Grund für die am 31. August erfolgte Durchsuchung und vorläufige Schließung
       der Zeitung war, dass ein verantwortlicher Redakteur im Verdacht steht, aus
       dem Knast heraus Beihilfe zur Vertuschung eines Banküberfalls geleistet zu
       haben. Am 29. Juni war in Wilmersdorf die Besatzung eines vor der Postbank
       stehenden Geldtransporters überfallen worden. Erbeutet wurden dabei circa
       250.000 Euro.
       
       Der Redakteur war seit drei Jahren beim Lichtblick. Jetzt kam heraus, dass
       er seit mehreren Jahre aus der Haftanstalt heraus über einen Strohmann eine
       Autovermietung betrieben haben soll. Der bei dem Überfall als
       Fluchtfahrzeug verwendete Audi soll ihm gehört haben. Auf die Spur kamen
       ihm die Ermittler offenbar durch eine Telefonüberwachung. Der Mann wurde
       sogleich in eine andere Haftanstalt verlegt.
       
       Die Ermittlungen richteten sich nur gegen ihn und keine weiteren
       Redaktionsmitglieder, teilte Sebastian Büchner, Sprecher der
       Staatsanwaltschaft, am Montag mit. Die Spurensicherungsmaßnahmen seien
       bereits am Tag der Durchsuchung abgeschlossen, die Redaktionsräume auch
       nicht verschlossen oder versiegelt worden. Die Auswertung der
       beschlagnahmten Datenträger dauere an und werde wohl noch einige Zeit in
       Anspruch nehmen.
       
       Einer Wiederaufnahme der Redaktionsarbeit, vermutete Büchner, dürfte
       entgegenstehen, dass die IT-Hardware derzeit noch beschlagnahmt sei. Ob
       weitere Aspekte gegen eine Wiederaufnahme der Redaktionsarbeit sprächen,
       müsse die Pressestelle der Senatsverwaltung für Justiz beantworten.
       
       Der Sprecher von [3][Justizsenatorin Lena Kreck] (Linke) ließ auf Anfrage
       wissen: Die Senatorin sei ausdrücklich am Fortbestand des Lichtblicks
       interessiert. In der JVA Tegel würden derzeit die Rahmenbedingungen
       geprüft, wie es weitergehen könne. Dazu brauche man aber die von der
       Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Geräte. Wann diese freigegeben würde,
       hänge von den Ermittlungen ab.
       
       Auch gebe es da noch das Problem, dass eine neue Redaktion gebildet werden
       müsse. Nach der Verlegung eines weiteren Redakteurs in den offenen Vollzug
       bestehe die Lichtblick-Redaktion nur noch aus einem Gefangenen.
       
       Kurzzeitige Schließungen des Lichtblicks hat es immer mal wieder gegeben,
       aber nie so lange. Den Berliner Vollzugsbeirat erfüllt dieser Umstand mit
       Sorge. Eine kurzzeitige Schließung der Gefangenenzeitung möge aus
       ermittlungstechnischen Gründen begründbar sein, teilte der Vorsitzende des
       Vollzugsbeirats, Olaf Heischel, mit. „Hinsichtlich der grundgesetzlich
       garantierten Pressefreiheit ist sie jedoch ein kritischer Vorgang und wäre
       auch bei Presseorganen außerhalb der Haft nicht so lange hinnehmbar, wie
       hier.“
       
       Auch der Linken-Politiker Schlüsselburg zeigt sich über die lange
       Schließung verwundert. Bei Ermittlungen gegen Presseorgane wie gegen den
       RBB hätten Ermittlungen schließlich auch keinen Einfluss auf den
       Fortbestand der Redaktionsarbeit.
       
       Zumindest die Ausgabe, die zum Zeitpunkt der Durchsuchung schon fertig
       gedruckt war, soll nun „zeitnah“ ausgeliefert, sagte der Sprecher der
       Justizsenatorin.
       
       27 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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