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       # taz.de -- Italien nach der Wahl: Links liegen gelassen
       
       > Nach dem Wahlerfolg der Rechten steht bei der Partito Democratico ein
       > Generationswechsel an. Die Fünf-Sterne-Bewegung setzt sie von links unter
       > Druck.
       
   IMG Bild: Enrico Letta (Partito Democratico) fordert einen „Parteitag des gründlichen Nachdenkens“
       
       Rom taz | Enrico Letta wirft das Handtuch. Der Vorsitzende der gemäßigt
       linken Partito Democratico (PD) zieht damit die Konsequenz aus der
       Niederlage bei [1][den Parlamentswahlen vom Sonntag]. Seine PD war auf nur
       19 Prozent gekommen, und auch eine breite Allianzbildung gegen die geeinte
       Rechte war ihr nicht gelungen. Die Folge: Der Rechtsblock stellt jetzt 237
       der 400 Abgeordneten, 115 der 200 Senator*innen und verfügt damit über
       eine komfortable Mehrheit.
       
       Die PD dagegen konnte nur 84 Sitze im Abgeordnetenhaus, 42 Sitze im Senat
       gewinnen. Vor allem aber liegt die Partei mit ihren 19 Prozent nur minimal
       über den damals als verheerend empfundenen 18,7 Prozent bei den
       Parlamentswahlen von 2018. Zum Desaster wurde die Wahl auch in den früheren
       linken Hochburgen der Emilia Romagna und der Toskana. In der Toskana ist
       die PD hinter [2][Giorgia Melonis] postfaschistischer Partei Fratelli
       d’Italia (FdI – Brüder Italiens) nur noch die zweitstärkste Kraft, in der
       Emilia Romagna eroberte sie nur noch 6 der 16 Direktmandate, während 10 an
       die Rechte fielen.
       
       Zugleich muss die Partei damit leben, dass auch die im Wahlkampf vollzogene
       Wende hin zu einer betont sozialökologischen Agenda keinerlei Früchte trug.
       Menschen mit niedrigem Einkommen wählten mehrheitlich die Rechte und mit
       etwa 20 Prozent auch die Fünf Sterne, während die PD bei ihnen nicht einmal
       auf 10 Prozent kommt.
       
       Auch bei den Wähler*innen unter 35 Jahren ist die Partei hinter den Fünf
       Sternen und der rechten FdI nur noch drittstärkste Kraft. Dass den Fünf
       Sternen in sozialen Fragen eine viel höhere Glaubwürdigkeit zugetraut wird
       als der PD, zeigte sich vor allem in Süditalien. Im Großraum Neapel kam die
       Fünf-Sterne-Bewegung auf über 40 Prozent, während die PD bei 17 Prozent
       hängen blieb.
       
       ## Kampf um die Mitte
       
       Der Partei droht jedoch Konkurrenz nicht nur von den zunehmend links
       aufgestellten Fünf Sternen, sondern auch in der Mitte. Dort wirbt die
       Listenverbindung aus Carlo Calendas Azione und Matteo Renzis Italia Viva um
       jene Wähler*innen, bei denen die PD zuletzt am besten aufgestellt war: um
       die gutgebildeten Gutverdiener*innen. Landesweit kam die Mitteliste auf
       knapp 8 Prozent, konnte aber in den wohlhabenden Innenstadtbezirken der
       Metropolen bis zu 20 Prozent erreichen.
       
       „Ein trauriger Tag für Italien“, kommentierte Enrico Letta auf seiner
       Pressekonferenz am Montag den Kantersieg der Rechten unter Giorgia Meloni.
       Er selbst will nur noch bis zum nächsten Parteitag, der voraussichtlich im
       Januar stattfinden wird, PD-Vorsitzender bleiben. Ein Generationswechsel
       stehe jetzt an, erklärte er und fügte hinzu, es könne jedoch nicht nur um
       ein neues Gesicht an der Spitze gehen.
       
       Vielmehr sei „ein Parteitag des gründlichen Nachdenkens“ notwendig, auf dem
       es um „eine neue PD auf der Höhe dieser epochalen Herausforderung“ gehen
       müsse, sprich um ihre zukünftige strategische Ausrichtung.
       
       Und schon sind diverse Kandidat*innen im Gespräch, vorneweg der
       Präsident der Region Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, doch auch seine
       bisherige Vizepräsidentin in der Regionalregierung, Elly Schlein, die
       gerade ins Parlament gewählt wurde. Sie wird vor allem auf dem linken
       Parteiflügel als Hoffnungsträgerin gesehen.
       
       27 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlen-in-Italien/!5880124
   DIR [2] /Vor-den-Parlamentswahlen-in-Italien/!5876553
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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