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       # taz.de -- Streckbetrieb von zwei AKWs: Atomkraft bis ins Frühjahr
       
       > Bundeswirtschaftsminister Habeck lässt den Streckbetrieb für zwei AKWs
       > vorbereiten. Umweltverbände sind empört.
       
   IMG Bild: Wird wohl über den 31. Dezember hinaus laufen: AKW ISAR 2 in Bayern
       
       Berlin taz | Die Entscheidung von Bundesklimaminister Robert Habeck
       (Grüne), [1][den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim
       vorbereiten zu lassen], stößt bei Umweltverbänden auf Empörung. Die
       Fraktionsspitze der Grünen vermeidet deutliche Kritik. Ob das auch bei der
       Partei der Fall ist, wird sich beim Parteitag im Oktober zeigen.
       
       Ursprünglich wollte Deutschland bis Ende 2022 komplett aus der Atomenergie
       aussteigen. Drei Meiler laufen noch. Anfang September hatte Habeck erklärt,
       dass die AKWs Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg über
       den geplanten Atomausstieg Ende des Jahres hinaus möglicherweise für drei
       Monate als Reserve vorgehalten werden. Das einzige sonst noch laufende AKW
       in Niedersachsen soll wie vorgesehen abgeschaltet werden.
       
       Am Montagabend teilte Habeck mit, dass er zum jetzigen Stand davon ausgehe,
       dass die beiden AKWs bis zum Frühjahr weiterlaufen werden. Der Meiler in
       Niedersachsen werde wie geplant abgeschaltet.
       
       Habeck begründete den sogenannten Streckbetrieb – bei dem keine neuen
       Brennstäbe eingesetzt werden, sondern vorhandene länger laufen – [2][mit
       der Lage in Frankreich]. Dort wird wegen großflächig ausfallender AKWs in
       diesem Winter sehr viel weniger Strom produziert als vorgesehen. Mehr als
       die Hälfte der AKWs ist nicht am Netz. Die fehlenden Strommengen gleicht
       Deutschland aus. „Wenn sich die Prognosen nicht ins Gegenteil verkehren,
       muss ich sagen, dass Isar 2 und Neckarwestheim am Netz bleiben werden“,
       sagte Habeck. Die endgültige Entscheidung soll im Dezember fallen.
       
       ## Haftung bleibt bei Betreibern
       
       Um die technischen Voraussetzungen für den Streckbetrieb zu schaffen, hat
       sich Habeck mit den Betreibern auf ein Konzept für die sogenannte
       Einsatzreserve geeinigt. Wird die Energie nach dem 31. Dezember nicht
       abgerufen, werden den Betreibern die Kosten für den Reservebetrieb
       erstattet. Produzieren die Meiler Strom, erwirtschaften sie Gewinne. Die
       Haftung bleibt auch im Streckbetrieb bei den Betreibern von Isar 2 und
       Neckarwestheim.
       
       Bei Umweltverbänden stößt Habecks Vorgehen auf harsche Ablehnung. „Der
       Streckbetrieb wird eine Strommangellage nicht entscheidend abwenden, er
       wird die Sicherheitslage in Deutschland aber deutlich verschlechtern“,
       sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Brandt. Der Streckbetrieb öffne einer
       Laufzeitverlängerung Tor und Tür, kritisierte er. Die Umweltorganisation
       Greenpeace lehnt den Streckbetrieb ebenfalls strikt ab. „Es ist und bleibt
       energiepolitischer Unsinn, den gesetzlich festgelegten Atomausstieg zum 31.
       Dezember 2022 auszuhebeln“, [3][sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital.]
       Die beiden AKWs könnten nur einen winzigen Beitrag zur Stromversorgung
       leisten. Die Lage in Frankreich zeige, wie unzuverlässig Atomkraft sei.
       
       Von prominenten Grünen gab es am Mittwoch zumindest keine offene Kritik an
       Habecks Vorstoß. Allerdings wollen sich auch noch nicht alle Spitzen-Grünen
       so stark wie der Wirtschaftsminister darauf festlegen, dass es wohl zur
       Laufzeitverlängerung übers Jahresende hinaus kommt. Es wäre „bitter, wenn
       wir hier die Reserve ziehen müssten“, sagte etwa Fraktionschefin Britta
       Haßelmann. Man werde die Situation beobachten und nach Sachlage
       entscheiden. Von Anfang an wurden in Partei und Fraktion mögliche
       Kompromisse beim Atomausstiegsdatum kritisch gesehen. Habecks Vorschlag von
       Anfang September, zwei AKWs in die Reserve zu stecken und nur im Notfall
       wieder anzufahren, war ein klassischer Kompromiss und befriedete den
       Konflikt zunächst.
       
       ## Diskussion auf Parteitag
       
       Während die Fraktion den Wirtschaftsminister nun zumindest zum Teil
       unterstützt, wird es auf dem Parteitag Mitte Oktober sicherlich verschärfte
       Diskussionen geben. Die Atomkraftfrage steht dort auf der Tagesordnung. Aus
       der Basis liegen mehrere Anträge gegen Streck- oder Reservebetrieb vor.
       „Jeder Tag Atomkraft ist ein Tag zu viel“, sagte am Mittwoch die Basisgrüne
       Asta von Oppen, die einen der Anträge miterarbeitet hat. Sie verwies auf
       das Alter der beiden infrage stehenden Kraftwerke und auf Meldungen über
       Rost und Risse in Neckarwestheim.
       
       Mitte Oktober findet der Parteitag statt. In den Tagen zuvor soll der
       Bundestag erstmals über die notwendigen Gesetzesänderungen beraten, in der
       Woche danach dann – im Erfolgsfall mit dem Segen der Grünen-Delegierten –
       entscheiden.
       
       28 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Energiekrise-in-Deutschland/!5884655
   DIR [2] /Schnellere-Energiewende-in-Frankreich/!5880029
   DIR [3] https://presseportal.greenpeace.de/218669-kommentar-zum-reservebetrieb-der-akw-neckarwestheim-2-und-isar-2
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
   DIR Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
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