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       # taz.de -- 13 Jahre nach Massaker von Conakry: Guineas Schergen landen vor Gericht
       
       > Bei einem Massaker im Jahr 2009 starben 150 Menschen. Nun müssen sich der
       > ehemalige Diktator Dadis Camara und seine Generäle verantworten.
       
   IMG Bild: Am 28. September 2009 wurden in Guineas Hauptstadt Conakry 150 Menschen getötet
       
       Berlin taz | Eines der größten staatlichen Massaker an friedlichen
       Demonstranten im 21. Jahrhundert wird endlich aufgearbeitet. Genau 13 Jahre
       nachdem am 28. September 2009 in Guineas Hauptstadt Conakry mindestens 150
       Menschen bei der gewaltsamen Niederschlagung eines Demokratieprotestes
       starben, sollte am Mittwoch in Conakry gegen den damaligen Militärdiktator
       Dadis Camara und andere ehemals hohe Militärs der Prozess beginnen.
       
       Der 28. September ist in Guinea ohnehin historisch: Am 28. September 1958
       fand das Unabhängigkeitsreferendum statt, bei dem Guinea als erste
       französische Kolonie in Afrika die Freiheit errang.
       
       Für den 28. September 2009 hatte Guineas Demokratiebewegung zur
       Massenkundgebung ins Stadion des 28. September in Conakry gerufen, um für
       ein Ende der Militärherrschaft zu demonstrieren. Die Kundgebung wurde
       verboten, aber zu Zehntausenden füllten die Bewohner der umliegenden
       Armenviertel das Stadion.
       
       „Plötzlich fuhren Militärlastwagen hinein, sie überfuhren die Leute und
       schossen mit Sturmgewehren um sich“, berichtete hinterher
       Oppositionspolitiker Sorel Bangoura. Ex-Premierminister Sidya Touré
       berichtete abends vom Krankenbett: „Es war ein Abschlachten. Die Roten
       Barette (Elitegarde des Präsidenten) waren mit dem Ziel gekommen, uns zu
       töten.“
       
       ## Stillhalteabkommen mit den alten Generälen
       
       Nur Militärherrscher [1][Dadis Camara] gab sich unschuldig. „Man hat mir
       gesagt, dass Leute geschossen haben, aber ich war nicht da“, verteidigte er
       sich im französischen Rundfunk am Tag danach. „Es ist dramatisch, ich bin
       ganz traurig.“
       
       Das Stadionmassaker erleichterte den Sturz der Diktatur durch gemäßigtere
       Offiziere, die freie Wahlen organisierten, aus denen 2010 Oppositionsführer
       [2][Alpha Condé] als Sieger hervorging. Er ließ die alten Generäle in Ruhe
       – ein Stillhalteabkommen, vermuteten viele.
       
       Um die Aufarbeitung des Massakers kümmerte sich eine UN-mandatierte
       internationale Untersuchungskommission, die in einem Bericht von mindestens
       156 Toten sprach. Der Internationale Strafgerichtshof eröffnete ein
       Ermittlungsverfahren.
       
       Im September 2021 fiel Condé selbst einem [3][Militärputsch] zum Opfer. Die
       neue Militärjunta des jungen Obersts Mamady Doumbouya machte den Weg frei
       für eine Aufarbeitung des Massakers – wohl auch, um sich lästiger alter
       Generäle zu entledigen.
       
       ## Die Verhaftung Dadis Camaras war eine Überraschung
       
       Angeklagt sind jetzt sämtliche hohen Militärs der Ära Dadis Camara, etwa
       der Kommandeur der Roten Barette im Stadion, Aboubacar Sidiki Diakité, von
       dem der Befehl „Ich will keine Überlebenden. Tötet sie alle“ überliefert
       ist. Er hatte wenige Monate nach dem Massaker Juntachef Dadis Camara [4][in
       den Kopf geschossen], allerdings vergeblich, und war dann nach Senegal
       geflüchtet, wo er 2016 gefasst wurde. Dadis Camara lebte zuletzt in Burkina
       Faso und kehrte erst am vergangenen Wochenende nach Conakry zurück, um
       „meine Ehre reinzuwaschen“, wie er sagte.
       
       Groß war daher die Überraschung, als Camara und fünf Mitangeklagte am
       Dienstag in Conakry in Haft genommen wurden. Die Inhaftierung der
       brutalsten lebenden Schlächter Guineas ist allein schon historisch. Der
       Prozessbeginn an sich verblasst dagegen schon fast, zumal ihm ein
       regelrechter Staatsakt vorangestellt worden ist.
       
       Vor der Verhandlungseröffnung war am Mittwochvormittag im hochgesicherten
       Gerichtsgebäude eine Zeremonie angesetzt, mit Ansprachen von Staatschef
       Doumbouya und ICC-Chefankläger Karim Khan, mit Nationalhymne, Cocktails und
       was sonst so dazugehört. Der Prozessbeginn werde sich um „einige Minuten
       oder Stunden“ verzögern, meldeten lokale Medien. Zeit in der Zelle haben
       die Hauptangeklagten genug.
       
       28 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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