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       # taz.de -- Abgeordnetenhaus diskutiert Krise: 5:1 für Zuversicht
       
       > Von der CDU bis zur Linken: Außer der AfD gehen im Parlament alle
       > Fraktionen im Kern davon aus, dass Berlin Energieknappheit und Inflation
       > meistert.
       
   IMG Bild: Das Abgeordnetenhaus beendete seine Sommerpause mit einer Debatte über Energiekrise und Inflation
       
       Berlin taz | „Berlin packt das“. Es ist nicht allein die mutmaßlich über
       ihre DNA [1][grundoptimistische Regierende Bürgermeisterin] Franziska
       Giffey (SPD), die in diesen Tagen Zuversicht zu verbreiten versucht. Am
       Donnerstagvormittag, in der ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses nach der
       Sommerpause, teilen auch fünf der sechs Parlamentsfraktionen im Kern diese
       Haltung – mindestens drei Mal ist vom „packenden Berlin“ die Rede. Allein
       die AfD beschreibt die Lage auf eine Weise, die Giffey später als
       „apokalyptisch“ nennt.
       
       Es ist das erste Mal nach der Sommerpause, dass die [2][147 Abgeordneten]
       zusammen kommen, abzüglich derer, die Corona oder Anderes an diesem Tag vom
       Parlament weg hält. Beim vorigen Zusammentreffen Ende Juni war es draußen
       mittags 30 Grad warm und das Thema „Heizen“ noch sehr weit weg. Dieser
       regnerische Donnerstagmorgen mit seinen 13, 14 Grad hingegen erinnert weit
       mehr daran, worum es eigentlich beim Thema Energieknappheit und Inflation
       geht.
       
       Die FDP-Fraktion hat das Thema der Aktuellen Stunde bestimmen dürfen, der
       längsten Debatte fast jeder Sitzung. Naheliegenderweise will sie über das
       jüngst vorgestellte [3][Entlastungspaket der Ampel-Koalition] auf
       Bundesebene sprechen – und dabei eben dieses Paket loben und zugleich
       vermeintliche Versäumnisse der rot-grün-roten Koalition auf Landesebene
       anprangern.
       
       Das übernimmt ihr Fraktionschef Sebastian Czaja. Der erwartet, dass der von
       Giffey geführte Senat das Entlastungspaket, erst am Sonntag verkündet,
       schon längst hätte ergänzen müssen. Giffey wird ihm entgegen halten, man
       bereite das „seit Wochen und Monaten“ vor und werde bald Konkretes
       vorstellen. Czaja will dann auch noch, dass die Regierungschefin sich von
       ihrem Koalitionspartner Linkspartei distanziert, weil deren
       Bundesvorsitzender zu Sozialprotesten und einem „heißen Herbst“ aufrief.
       Dazu allerdings hat Giffey schon etwas gesagt – etwa tags zuvor [4][beim
       Verein Berliner Wirtschaftsgespräche], wo sie solche Protestaufrufe vom
       linken wie rechten Rand kritisierte.
       
       Letztlich aber geht auch Czaja davon aus, dass sich Inflation und drohende
       Energieknappheit beherrschen lassen. Bei CDU-Fraktionschef Kai Wegner
       klingt das erst anders – er stellt infrage, wie lange es beim nach zwei
       Pandemiejahren gerade wieder pulsierenden Leben in Berlin noch bleiben
       wird. Ihm reicht das Entlastungspaket nicht „für die ganz besonders
       Bedürftigen“. Erneut fordert er einen Energiedeckel, der die Preise dafür
       begrenzen würde – und kassiert prompt Gelächter von der Linksfraktion: Bei
       einem anderen Deckel, dem Mietendeckel, war Wegner [5][eine treibende Kraft
       dagegen.]
       
       ## CDU beansprucht 365-Euro-Ticket
       
       Schließlich spricht der Fraktionschef seiner CDU auch noch das Urheberrecht
       bei einer Bus-und-Bahn-Variante zu und redet von „unserem 365-Euro-Ticket“.
       Regierungschefin Giffey erinnert ihn eine halbe Stunde später daran, dass
       ihre SPD dieses Projekt schon länger mit sich trägt. In der vergangenen
       Wahlperiode hatte sich vor allem ihr Vorgänger Michael Müller dafür stark
       gemacht. Wie Giffey will auch Wegner verhindern, dass Menschen ihre Wohnung
       verlieren, wenn sie ihre Energiekosten nicht zahlen können. Bei aller
       Kritik kommt auch er zu dem Schluss: „Ich bin überzeugt, Berlin packt das“
       – versehen mit dem Zusatz Richtung Giffey: „…wenn Sie jetzt das Richtige
       tun.“
       
       Grünen-Fraktionschef Werner Graf schließlich ist der einzige, von dem
       konkret zu hören ist, wie denn die Gruppe der Bedürftigen zu fassen ist,
       die besondere Unterstützung vom Senat bekommen sollen: Jene mit dem
       Wohnberechtigungsschein der höchsten Kategorie „180“ sollen es sein. Der
       reicht bei Singles bis zu 21.600 Euro Haushaltseinkommen im Jahr, bei
       Zweipersonenhaushalten bis 32.400 Euro. „Damit erreichen wir über die
       Hälfte der Berliner Haushalte“, sagt Graf. Er hatte sich schon vor einer
       Woche für gezielte Hilfen und gegen „Freibier für alle“ ausgesprochen –
       passender Weise beim Sommerempfang seiner Fraktion, bei dem gerade viele
       Gäste ein solches Freibier in der Hand hielten.
       
       Graf und auch Linksfraktionsschef Carsten Schatz erweitern die
       CDU-Forderung nach Mieterschutz in der Krise. Von einem einjährigen
       Moratorium gegen Mieterhöhungen ist die Rede. „Wer jetzt nicht hilft, spart
       sich in die Krise hinein“, sagt Schatz. Die FDP hat das aus seiner Sicht
       nicht erkannt – deren Bundesjustizminister ist für Schatz „von der
       Lebenwirklichkeit der Menschen „so weit weg wie ein Cappuccino von der
       Milchstraße.“ Glücklicherweise regiere in Berlin keine Ampel-Koalition,
       sondern Rot-Grün-Rot.
       
       Allein AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker beurteilt die Lage deutlich
       schlechter, sieht Berlin „erst am Anfang einer Insolvenzwelle“. Vom
       parteilosen SPD-nahen Wirtschaftssenator Stephan Schwarz wird später am
       Vormittag zu erfahren sein, dass die Zahl der Insolvenzen derzeit auf
       niedrigem Niveau liege. „Berlin packt das“, sagt Giffey schließlich am
       Schluss der Rederunde. Wie das genau aussehen soll, will sie „in den
       nächsten Tagen“ vorstellen.
       
       8 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-SPD-Parteitag-und-Wohnungsbuendis/!5859551
   DIR [2] https://wahlen-berlin.de/wahlen/BE2021/AFSPRAES/index.html
   DIR [3] /Geplante-Entlastungen-der-Ampelregierung/!5876302
   DIR [4] /Giffeys-Sicht-auf-Berliner-Krisenlage/!5880708
   DIR [5] /Wenn-der-Mietendeckel-scheitert/!5659068
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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