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       # taz.de -- Deutscher Afghanistan-Einsatz: Gezielte Schönfärberei
       
       > Die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan muss der Bundesrepublik
       > bekannt gewesen sein. Doch man schloss die Augen, um Abschiebungen zu
       > ermöglichen.
       
   IMG Bild: Bewusst zurück in die Gefahr abgeschoben: ein junger Afghane am Flughafen Leipzig im Sommer 2019
       
       Die zentrale Frage, bei der es im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum
       Afghanistan-Einsatz geht, lautet: „Wo gab es Fehleinschätzungen und warum?
       Waren das überhaupt Fehleinschätzungen oder hat man sich die Lage schön
       geredet?“. So formulierte es der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner (SPD)
       vorab in den Medien. Seine Frage kann man kurz und eindeutig beantworten:
       Ja, es war Schönfärberei. Der Bundesregierung war die prekäre
       Sicherheitslage in Afghanistan natürlich bekannt.
       
       Aber es konnte nicht sein, was nicht sein durfte, und zwar aus innen-,
       konkret: abschiebepolitischen Gründen. Hätte die Bundesregierung zugegeben,
       auf welch tönernen Füßen die von ihr unterstützte Regierung in Kabul stand,
       hätte sie nicht mehr begründen können, dass [1][Menschen dorthin
       abgeschoben werden].
       
       Die Tatsachen sind bekannt: Im November 2016 beschloss die
       Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, [2][Abschiebungen nach
       Afghanistan] wiederaufzunehmen. Das geschah ausgerechnet zu einem
       Zeitpunkt, als sich infolge des Abzuges der meisten NATO-Kampftruppen aus
       Afghanistan mit dem Ende des ISAF-Kampfeinsatzes 2014 die Sicherheitslage
       in Afghanistan erheblich verschlechtert und erhebliche Fluchtbewegungen in
       Richtung Europa ausgelöst hatte.
       
       Dem und der xenophoben politischen Ausschlachtung durch Völkische und
       Rechtspopulisten wollte die Bundesregierung, unter Federführung des
       damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), eine „harte
       Asylpolitik“ entgegensetzen. Um das zu begründen, wurde die Sicherheitslage
       in Afghanistan systematisch schöngeredet. Das Hauptargument lautet, einige
       Gebiete Afghanistan seien hinreichend sicher – ohne dass diese Gebiete
       irgendwann einmal öffentlich definiert wurden.
       
       Das Hauptinstrument dafür waren die vom Auswärtigen Amt erstellten, als
       „nur für den Dienstgebrauch“ der Öffentlichkeit vorenthaltenen
       Asyllageberichte. Darin wurden selbst Erkenntnisse der UNO ignoriert, wenn
       sie – was häufig der Fall war – den innenpolitisch gewünschten
       Einschätzungen widersprachen.
       
       Etwa als das [3][UN-Flüchtlingshilfswerk] im September 2018 von
       „generalisierter Gewalt“ am Abschiebezielort Kabul sprach und erklärte, die
       Stadt könne nicht mehr als „inländische Fluchtalternative“ angesehen
       werden. Zumindest in dieser Frage sollte die Arbeit des
       Untersuchungsausschusses schnell getan sein.
       
       10 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abschiebungen-nach-Afghanistan/!5780519
   DIR [2] /Sicherheitslage-in-Afghanistan/!5358607
   DIR [3] https://www.unhcr.org/news/latest/2018/9/5b9148b14/afghanistan-un-refugee-relief-chiefs-call-urgent-increase-international.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
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