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       # taz.de -- Christian Lindners Finanzpolitik: Markenkern Schuldenbremse
       
       > Christian Lindner dürfte so lange wie möglich an der Schuldenbremse
       > festhalten – um als aufrechter Kämpfer für solide Finanzen dazustehen.
       
   IMG Bild: Das Einhalten der Schuldenbremse ist für Lindner Teil seiner politischen Identität
       
       Es wird einsam um den Bundesfinanzminister. Nicht nur Bayerns
       CSU-Ministerpräsident Markus Söder bezeichnet das Festhalten an der
       Schuldenbremse als Prinzipienreiterei. Auch Nordrhein-Westfalens
       CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst bekundet seine Zweifel. Christian
       Lindner wehrt die Debatte um das Aufweichen der Schuldenbremse zwar immer
       wieder ab, aber diese Diskussion kommt zu ihm zurück wie ein Bumerang.
       
       Dass nun auch Unionspolitiker in diesen Chor einstimmen, mag zunächst wie
       zusätzlicher Druck aussehen. Für Lindner ist das aber ein strategischer
       Vorteil: Die Union kann ihm schwerer vorwerfen, mit Geld um sich zu werfen,
       wenn er sich irgendwann von der Schuldenbremse verabschiedet.
       
       Rhetorisch hat Lindner längst den Weg zum Abschied vorbereitet. Watschte er
       anfangs das Begehren der Koalitionspartner mit Verweis auf das Grundgesetz
       ab, heißt es mittlerweile: Das Aufweichen der Schuldenbremse bleibe „Ultima
       Ratio“. [1][Das kann als vorsichtige Absetzbewegung verstanden werden.] Der
       Druck wächst ja auch: Wenn das Grundgesetz Ausnahmen der Schuldenbremse für
       Notsituationen vorsieht, stellt sich doch die Frage: wann, wenn nicht
       jetzt?
       
       Dass es schwierig wird, 2023 die Schuldenbremse einzuhalten, weiß
       vermutlich niemand besser als Lindner selbst. Schon mehrfach musste er
       finanzpolitische Dehnübungen machen: 60 Milliarden Euro Nachtragshaushalt
       wanderten an der Schuldenbremse vorbei in den Klimafonds, dazu 100
       Milliarden Sonderschulden alias „Sondervermögen“ für die Bundeswehr. Man
       will nicht wissen, wie die FDP dieses Vorgehen als Oppositionspartei
       bewertet hätte.
       
       Dass [2][Lindner trotz allem an der Schuldenbremse – vorerst – festhält],
       ist aus FDP-Sicht dennoch nachvollziehbar. Die Partei glaubt fest daran,
       dass eine expansive Finanzpolitik die Inflation befeuert und dem Land
       schadet. Man kann den Ansatz falsch finden, aber man kann der FDP schwer
       vorwerfen, zu ihren Überzeugungen zu stehen.
       
       ## Neinsagen zahlt sich nicht aus für die FDP
       
       Und: Das Einhalten der Schuldenbremse ist wichtig für die Identität der
       Partei. Die FDP markierte beim Eintritt in die Koalition zwei rote Linien:
       keine Steuererhöhungen und das Festhalten an der Schuldenbremse. Gäbe er
       diese Punkte leichtfertig auf, hätte er ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zudem:
       Das Klammern an die Schuldenbremse ist eine Art Selbstschutz.
       
       Wenn Robert Habeck jetzt ein „Sondervermögen“ für die Energiewende
       einfordert, dann ist das nur ein Vorgeschmack darauf, welche Wünsche
       künftig an den Finanzminister herangetragen werden. Das ewige Neinsagen
       zahlt sich für die FDP schon jetzt nicht aus. Lindner wird also so lange an
       der Schuldenbremse festhalten, bis es nicht mehr anders geht – es stärkt
       seine Verhandlungsposition für die Zeit danach.
       
       24 Sep 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jasmin Kalarickal
       
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