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       # taz.de -- Rassismusvorwurf bei Berliner Polizei: David gegen Goliath
       
       > Ein syrisches Ehepaar wehrt sich gegen Rassismus bei einem Polizeieinsatz
       > und geht an die Öffentlichkeit. Warum das bemerkenswert ist – und mutig.
       
   IMG Bild: Das betroffene Ehepaar aus Syrien bei einer PK der Linkspartei; daneben Niklas Schrader (Linke)
       
       Ein weiterer [1][Rassismusskandal bei der Berliner Polizei] sorgt seit
       einigen Tagen bundesweit für Aufregung: Wegen eines Bußgeldbescheids
       bedrängen zwei Beamte ein syrisches Ehepaar in ihrer Wohnung. Die
       Polizisten treten äußerst aggressiv auf, bringen den Ehemann vor den Augen
       der schreienden Kinder zu Boden. Der Frau, die die Szene filmt, droht einer
       der Beamten: „Ich bringe dich ins Gefängnis.“ – Und es fällt der
       rassistische Satz, ebenfalls als Drohung gemeint: „Das ist mein Land, und
       du bist hier Gast.“
       
       Ein Ausschnitt des Videos ging sofort nach Veröffentlichung in den sozialen
       Medien viral. Auf Instagram hat das Video bereits über 10 Millionen
       Aufrufe. Ungewöhnlich an dem Fall ist weder die Aufmerksamkeit in den
       sozialen Medien noch die Schwere des Rassismus von Polizeibeamten. Auch
       wenn das Video verstörend ist, reiht es sich in eine Serie an mit dem
       Smartphone gefilmten rassistischen Polizeieinsätzen ein.
       
       Viel bemerkenswerter ist die Reaktion der Familie: Anstatt – wie in
       ähnlichen Fällen leider üblich – in der Rolle als passives Opfer diskursiv
       beiseite geschoben zu werden, [2][drängt das Ehepaar aktiv an die
       Öffentlichkeit].
       
       ## Klare Botschaft
       
       Nur eine Woche nach dem Polizeieinsatz trat die Familie am vergangenen
       Samstag vor die Presse, um ihre Sicht auf den Vorfall persönlich zu
       schildern. Auch wenn kaum neue Details an diesem Tag bekannt wurden, war
       die Botschaft klar: Wir verstecken uns nicht, der Polizist soll zur
       Rechenschaft gezogen werden.
       
       Wie viel Mut ein solcher Schritt erfordert, lässt sich nur erahnen. Denn
       die Familie befindet sich in einer Position, in der Vertrauen in den
       Rechtsstaat alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
       
       Zunächst ist da der übermächtige Gegner Polizei. Die wenigsten Vorfälle
       wegen Polizeigewalt werden von Betroffenen überhaupt zur Anzeige gebracht.
       Und nur wenige haben eine Verurteilung zur Folge. Der „Korpsgeist“
       innerhalb der Polizei ist oft stärker als das Rechtsbewusstsein.
       Gegenanzeigen von Polizeiseite, wie sie auch in diesem Fall gestellt
       wurden, führen hingegen aus denselben Gründen deutlich häufiger zu
       Verurteilungen. Es ist kein Zufall, dass sich die Beamten, obwohl sie
       gefilmt wurden, scheinbar absolut sicher fühlten.
       
       ## Ähnlich klingen viele Facebook-Kommentare
       
       Dazu kommt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich in einem
       solchen Fall die Öffentlichkeit mit der Familie solidarisiert. Auch wenn
       „Fahren ohne Fahrschein“ nur ein mildes Vergehen darstellt, ist das Bild
       des „kriminellen Migranten“, der am besten abgeschoben werden sollte, ein
       bis tief in die gesellschaftliche Mitte verbreitetes Stereotyp.
       
       Das jüngste Statement von [3][Innenministerin Nancy Faeser], die in der
       Aussage „Das ist mein Land und du bist hier Gast“ partout keinen Rassismus
       erkennen wollte, scheinen diese Befürchtung nur noch zu bestätigen.
       Rassismus sei das nicht, und außerdem wisse man ja nicht, was vorher
       passiert sei, so der erschreckend ähnlich klingende Tenor in vielen
       Facebook-Kommentarspalten.
       
       Dass die Familie sich trotz dieser widrigen Umstände für Gerechtigkeit
       einsetzt, ist bewundernswert. Auch zeigt der Fall: Rechtsstaatlichkeit ist
       in diesem Land leider nicht nur etwas, auf das man sich verlassen kann. Oft
       ist sie ein Ideal, das erst erkämpft werden muss.
       
       23 Sep 2022
       
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