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       # taz.de -- Rassismus bei der Berliner Polizei: Filmen aus Selbstschutz
       
       > Wieder ein rassistischer Übergriff: Hätte die Ehefrau den Polizeieinsatz
       > in ihrer Wohnung nicht gefilmt, wäre ihrer Darstellung kaum geglaubt
       > worden.
       
   IMG Bild: Biegt die Wanne um die Ecke, besser mal das Handy zücken!
       
       Das Video eines Polizeieinsatzes in der Wohnung eines syrischen Ehepaars in
       Berlin geht unter die Haut. Der Vorfall ereignete sich am 7. September. Die
       Wellen der Empörung über das Verhalten der Polizisten schlagen hoch, seit
       der fünfminütige Clip im Netz steht.
       
       [1][Zu sehen ist ein aufgelöstes Ehepaar, barfuß und in Nachtbekleidung],
       das von zwei Polizeibeamten offenbar aus dem Schlaf geklingelt worden ist,
       zu hören ist Kindergeschrei. Die Beamten tragen dunkle Einsatzkleidung und
       festes Schuhwerk. Aber das ist es nicht, was die Szene in der Wohnung
       bedrohlich macht.
       
       Grund des Einsatz ist die Vollstreckung eines Haftbefehls gegen den
       30-jährigen Ehemann. Eine Geldbuße von 750 Euro wegen Fahrens ohne
       Fahrschein hatte er offenbar nicht bezahlt. Zudem sollte die Frau von den
       Beamten wohl eine Gefährderansprache erhalten, weil sie gegen Personen
       wiederholt beleidigend geworden sein soll. Die 750 Euro wurden dann im
       Verlauf des Einsatzes bezahlt.
       
       Die ersten Szenen des Videos lassen noch vermuten, dass es sich um Beamte
       handelt, die von ihrem Auftrag einfach nur überfordert sind. Aber schnell
       wird klar, dass man es zumindest bei einem der beiden – groß, kräftig,
       kahler Kopf – mit einer unangenehmen kaltschnäuzigen Beamtentype zu tun
       hat, die nicht zum ersten Mal in ihren Leben rassistische Sprüche drischt.
       „Halt die Schauze“, schreit er die Ehefrau an.
       
       ## Ablauf mit dem Handy gefilmt
       
       Die Frau – so sieht man es im Video – will das Schlafzimmer nicht
       verlassen, denn das hätte bedeutet, ihren Mann mit den Beamten alleine zu
       lassen. „Ich gehe nicht raus, das ist mein Haus“, ruft sie, die nur ein
       Nachthemd trägt. Der Kahlköpfige herrscht sie daraufhin an: „Das ist mein
       Land und du bist hier Gast.“ Und dann später nochmal: „Ihr seid hier in
       unserem Land und habt euch nach unseren Gesetzen zu verhalten.“
       
       Obwohl sie selbst schwer unter Druck steht, gelingt es der Frau, den Ablauf
       mit ihrem Handy zu filmen. Auch eines der drei Kinder hält das Telefon
       kurz. So kann nun jeder hören und sehen, was sich in der Wohnung abgespielt
       hat: Wie der Ehemann, nur mit Unterhose und T-Shirt bekleidet, von den
       Beamten erst gegen einen Spiegelschrank geschubst, dann auf den Boden
       geworfen wird und schließlich mit heruntergedrücktem Kopf Handfesseln
       angelegt bekommt. Dieses rabiate Vorgehen ist durch nichts, was im Film zu
       sehen ist, gerechtfertigt.
       
       Das Ehepaar hatte nach dem Einsatz Strafanzeige gegen die Beamten
       erstattet. Die wiederum – man kennt das zur Genüge von anderen Vorfällen –
       haben das Ehepaar ihrerseits angezeigt. Ohne das Video, das im Netz viral
       geht, wäre der Fall wohl so ausgegangen wie zumeist: Den Polizisten und
       nicht den Betroffenen des Einsatzes wäre geglaubt worden, weil Gerichte
       Polizisten in der Regel mehr Vertrauen schenken.
       
       Noch laufen die Ermittlungen gegen beide Seiten. Die Polizeiführung hat
       nach Bekanntwerden des Films aber immerhin zumindest soweit reagiert, dass
       der beteiligte Beamte Jörg K. in den Innendienst versetzt wurde. Die
       dokumentierten Äußerungen seien nicht mit dem Leitbild der Polizei Berlin
       vereinbar, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Der Staatsschutz habe
       Ermittlungen gegen den Beamten wegen fremdenfeindlicher Beleidigung
       aufgenommen.
       
       ## Ein schales Gefühl
       
       Was zurück bleibt, ist das schale Gefühl, dass es sich um keinen Einzelfall
       handelt. Der Linken-Politiker Niklas Schrader formulierte es auf Twitter
       so: Unabhängig von „diesem widerlichen Vorgang“ stelle sich natürlich die
       Frage, wie viele Fälle mit einem derartigen Umgang es bei der Polizei gibt.
       Fälle, bei denen eben niemand gefilmt hat und sich niemand traut, das
       anzuzeigen.
       
       Bezeichnend ist, dass der [2][Gewerkschaft der Polizei] zu dem Vorfall kaum
       etwas anders einfällt, als dass geprüft werden müsse, ob durch die
       Filmaufnahmen die Persönlichkeitsrechte der Beamten verletzt worden seien.
       Dabei ist das brutale Verhalten der Beamten in der Wohnung ein Ereignis der
       Zeitgeschichte: Nach Paragraf 23 des Kunsturhebergesetzes haben die
       gefilmten Polizisten kein Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeit.
       
       Und vor allem: Wie, wenn nicht so, können Bürger in vergleichbaren
       Situationen das Gegenteil beweisen? [3][Darum, schon allein aus
       Selbstschutz, Kamera an], wenn die Polizei an der Haustür klingelt.
       
       17 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Polizeiproblem-in-Berlin/!5878147
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   DIR [3] /Bodycams-versus-Smartphones/!5865891
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
       ## TAGS
       
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