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       # taz.de -- Turbulenzen in der Linksfraktion: Kein Bock auf Wagenknecht-Reden
       
       > Wer für die Linke im Bundestag spricht, hat sich an die Beschlüsse der
       > Partei zu halten. Das fordern acht Abgeordnete per Antrag an ihre
       > Fraktion.
       
   IMG Bild: Erst Beifall klatschen, dann die Verantwortung abschieben: Linksfraktionschef Dietmar Bartsch
       
       Berlin taz | Auf der Sitzung der Bundestagsfraktion der Linkspartei am
       Dienstag könnte es eine Richtungsentscheidung geben. Mehrere Abgeordnete
       haben einen Antrag eingebracht, mit dem erreicht werden soll, dass
       umstrittene Bundestagsauftritte, wie unlängst der von Sahra Wagenknecht,
       nicht mehr im Namen der Fraktion stattfinden können. Es dürfte hitzig
       werden.
       
       „Für die Außenwahrnehmung unserer Fraktion und Partei haben die Reden im
       Plenum des Bundestags eine besondere Bedeutung“, heißt es in dem Antrag,
       der der taz vorliegt. Daher solle der Fraktionsvorstand „sicherstellen“,
       dass die Redezeit der Linksfraktion „für die Vertretung der gemeinsam
       beschlossenen Positionen“ genutzt wird. Mitglieder der Fraktion, die
       erklärten, nicht die gemeinsamen Positionen der Partei vertreten zu wollen,
       sollen „auf die Möglichkeit der individuellen Wortmeldung bei der
       Bundestagspräsidentin“ verwiesen werden.
       
       Ein entsprechender Beschluss der Fraktion würde ganz auf der Linie des
       Parteivorstandes liegen. „Wir sind eine plurale Partei und abweichende
       Meinungen sind natürlich legitim“, sagte Linken-Chefin Janine Wissler der
       taz. Wer aber in Parlamenten für die Linke spreche, müsse in der ohnehin
       äußerst knappen Redezeit die Positionen der Partei vertreten. „Das zu
       gewährleisten, dafür ist die Fraktionsspitze verantwortlich“, so Wissler.
       
       Auf wen die acht Antragsteller:innen abzielen, daran lassen sie keinen
       Zweifel: „Die Rede von Sahra Wagenknecht zum Einzelplan des
       Bundeswirtschaftsministeriums hat zu erheblichen politischen Verwerfungen
       bis hin zu Austritten aus der Partei geführt“, schreiben die
       Linken-Abgeordneten Gökay Akbulut, Anke Domscheit-Berg, Ates Gürpınar,
       Caren Lay, Cornelia Möhring, Martina Renner, Bernd Riexinger und Kathrin
       Vogler.
       
       ## Auftritt sorgte für heftige Empörung
       
       Wagenknecht hatte [1][in ihrer Rede am 8. September] der Bundesregierung
       vorgeworfen, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren
       wichtigsten Energielieferanten vom Zaun“ gebrochen zu haben. Entgegen der
       Beschlusslage der Linkspartei forderte sie ohne Ausnahmen eine Aufhebung
       der „fatalen Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland.
       
       Der Auftritt der Ex-Fraktionschefin [2][sorgte für heftige Empörung]. Unter
       anderem erklärte Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des
       Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, [3][seinen Austritt aus der Linken]. Er
       könne und wolle nicht Mitglied einer Partei sein, deren Bundestagsfraktion
       Wagenknecht mit ihren „sehr bekannten Thesen“ und ihrer diffamierenden
       Sprache „ins Schaufenster“ stelle.
       
       Aus Fraktionskreisen heißt es, dass Wagenknechts Rede eine „Entschädigung“
       für ihren verhinderten Auftritt auf der Leipziger Demonstration am 5.
       September gewesen sei. Trotz aller Warnungen hätte die Fraktionsführung um
       Dietmar Bartsch und vor allem Amira Mohamed Ali das so gewollt.
       
       Dabei hätten die beiden auch hingenommen, dass Wagenknecht darauf bestanden
       habe, ihre Rede so zu halten, wie sie das für richtig hält – egal, wie die
       Parteibeschlusslage aussieht. Nur Nord Stream 2 habe sie nicht erwähnen
       dürfen. Daran hat sie sich gehalten.
       
       ## Flunkert Dietmar Bartsch?
       
       Bartsch schiebt die Verantwortung ab: „Der Vorschlag kam von den
       Haushältern und nicht von der Fraktionsspitze“, sagte er der taz. Und er
       fügte hinzu: „Niemand hat in der Fraktionssitzung den Antrag gestellt, dass
       Sahra Wagenknecht nicht reden möge.“
       
       Dass es dort heftigen Widerspruch gab, den Mohamed Ali lautstark
       abschmetterte, ließ er unerwähnt. Auch soll Bartsch selbst mit Verweis auf
       die Außenwirkung darum gebeten haben, es nicht zu einer Abstimmung kommen
       zu lassen.
       
       Stutzig an der Darstellung von Bartsch machen zudem zwei schriftliche
       Vorlagen der Parlamentarischen Geschäftsführung der Linksfraktion zur
       Vorbereitung der Sitzungswoche, die der taz vorliegen.
       
       Die erste wurde am 5. September vor der Fraktionsvorstandssitzung erstellt.
       Dort ist zu lesen, dass bei der Aussprache im Bundestag zum Punkt
       „Wirtschaft und Klimaschutz“ eine dreiminütige Rede des Haushälters Victor
       Perli eingeplant war, die verbleibenden zwei Minuten waren noch offen:
       „N.N.“ steht da nur.
       
       Die zweite Vorlage wurde nur zwei Stunden später erstellt – unmittelbar
       nach der Fraktionsvorstandssitzung, die zu einer wundersamen Änderung der
       Redeliste geführt hat. Hier heißt es nun plötzlich: „DIE LINKE. 5 min/
       Sahra Wagenknecht“. Dieses Papier wurde der Fraktion vorgelegt.
       
       Bartsch wolle einfach nur mal wieder seine Hände in Unschuld waschen, sagt
       ein frustriertes Fraktionsmitglied. Erst mache der vermeintliche „Reformer“
       einen miesen Deal und dann versuche er die Schuld für das absehbare
       Desaster auf andere abzuwälzen.
       
       ## Drohende Abspaltung
       
       Die Stimmung unter den 39 Linken-Parlamentarier:innen ist so schlecht wie
       noch nie. Nur Dietmar Bartsch gibt sich unerschütterlich. Die Frage, ob er
       denke, dass die Linksfraktion in dieser Konstellation bis zum Ende der
       Legislatur zusammen bleiben wird, beantwortete er der taz kurz und knapp:
       „Ja.“ Außer ihm glauben das nicht mehr viele.
       
       In der Linkspartei wird inzwischen [4][offen über eine Abspaltung] des
       Wagenknecht-Lagers geredet. Die Frage sei nicht mehr, ob es gehen würde,
       sondern nur noch, wann. Das sagen einige führende Linken-Politiker:innen
       der taz hinter vorgehaltener Hand. Wagenknecht selbst beantwortet die
       Frage, ob sie in der Partei bleiben werde, stets gleich sibyllinisch:
       [5][„Aktuell bin ich Mitglied der Linken.“]
       
       Er appelliere „an alle zu bleiben und nicht mit Spaltungsversuchen zu
       spielen“, sagte Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der
       Linksfraktion. „Aber wer Fraktion oder Partei verlassen möchte, soll das
       jetzt tun“, so Korte zur dpa. „Von allen, die bleiben, erwarte ich, dass
       sie sich voll auf unseren gemeinsamen Job konzentrieren.“
       
       Auf der Fraktionssitzung am Dienstag wird es auch um die nur noch schwer zu
       übersehenden Absetzbewegungen gehen. Denn der Antrag des Kreises um den
       Ex-Parteivorsitzenden Bernd Riexinger hat noch eine weitere interessante
       Passage. Beschlossen werden soll auch dieser Teil: „Die
       Fraktionsversammlung weist Versuche, sich von der Partei abzuspalten und
       alternative Wahlantritte (etwa zur Europawahl) vorzubereiten, als
       unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion Die Linke
       zurück.“
       
       Ob sich dafür noch eine Mehrheit in der Linksfraktion findet?
       
       19 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verstoerende-Rede-im-Bundestag/!5880882
   DIR [2] /Zoff-in-der-Linkspartei/!5879197
   DIR [3] /Nach-Wagenknecht-Rede-im-Bundestag/!5881326
   DIR [4] /Streit-in-der-Linkspartei/!5881129
   DIR [5] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100047784/sahra-wagenknecht-exklusiv-putin-lacht-sich-doch-tot-ueber-uns-.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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